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c) Finale Regelung der zukünftigen Beziehungen

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[53] Den ersten Schritt zur Eröffnung der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich hat die Kommission am 3. Februar 2020 mit einer entsprechenden an den Rat gerichteten Empfehlung gemacht50. Die Empfehlung beruht auf den Leitlinien und Schlussfolgerungen des Europäischen Rates sowie auf der Politischen Erklärung des Vereinigten Königreichs und der EU vom 19. Oktober 2019.

Diese Empfehlung enthält auch einen umfassenden Vorschlag für die Verhandlungsleitlinien des Rates mit der Definition des Anwendungsbereichs und den Eckpunkten für die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich aus EU-Sicht. Die Leitlinien erstrecken sich auf alle Politikbereiche, die die zukünftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich ausmachen werden, namentlich Handel und Wirtschaftskooperation, Rechtsdurchsetzung und gerichtliche Zusammenarbeit in Strafsachen, Außenpolitik, Sicherheit und Verteidigung, Teilnahme an Unionsprogrammen und Zusammenarbeit in verschiedenen thematischen Bereichen.

Anders als in der Regelung der Beziehungen der EU zur Schweiz, wo man den Weg von mehr als ein Dutzend Einzelabkommen gewählt hat, sollen die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich in einem einzigen umfassenden Regelwerk[S. 68] (mit unter Umständen einigen wenigen Teilabkommen, wie etwa für die Fischerei) geregelt werden, das auf drei Säulen beruhen soll:

(1) Allgemeine Regelungen zu den grundlegenden Werten, Grundsätzen und der Governance: die Parteien sollen anerkennen, dass Wohlstand und Sicherheit nur im Rahmen einer auf dem Recht beruhenden internationalen Ordnung gewährleistet werden kann. Sie sollen sich zum Schutz der Individualrechte und der Rechtsstaatlichkeit bekennen, hohe Schutzstandards für Arbeitnehmer und Verbraucher anstreben, den Umweltschutz und den Kampf gegen den Klimawandel mit Nachdruck betreiben sowie auf einen freien und fairen Handel hinwirken.

Die Parteien sollen sich zur Zusammenarbeit verpflichten, um diese allgemeinen Prinzipien zu schützen und gemeinsam gegen interne wie externe Angriffe auf diese Werte und Interessen vorgehen.

(2) Wirtschaftliche Regelungen: die Parteien sollen einen angemessenen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen und gleichwertige Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) schaffen. Dieser Ausgleich darf die Autonomie des Entscheidungsprozesses und der Rechtsordnung der EU nicht beeinträchtigen, muss den Schutz der finanziellen Interessen der EU gewährleisten und muss vereinbar sein mit den anderen Unionsprinzipien, insbesondere der Integrität des Binnenmarktes und der Zollunion sowie der Unteilbarkeit der vier Grundfreiheiten, wie es in den Leitlinien des Rates niedergelegt ist. Schließlich muss beachtet werden, dass das Vereinigte Königreich ein Drittstaat ohne Schengen-Status ist und dass das Vereinigte Königreich als Nicht-Mitgliedstaat der EU nicht den gleichen Verpflichtungen unterliegt wie die EU-Mitgliedstaaten und deshalb auch nicht die gleichen Rechte und Vorteile eines Mitgliedstaats genießen kann.

(3) Regelungen betreffend die Sicherheit: die Parteien sollen gemeinsame Anstrengungen im Hinblick auf die Durchsetzung des Rechts und die gerichtliche Zusammenarbeit in Strafsachen unternehmen und für eine enge Kooperation in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Sorge tragen.

Zum territorialen Geltungsbereich der zukünftigen Partnerschaft ist die Erklärung des Europäischen Rates vom 25. November 2018 zu Gibraltar von Bedeutung. Danach wird Gibraltar nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs nicht in den territorialen Geltungsbereich des die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich regelnden Abkommens einbezogen. Dies schließt allerdings die Möglichkeit nicht aus, dass die EU und das Vereinigte Königreich im Hinblick auf Gibraltar ein separates Abkommen vereinbaren. Ein solches separates Abkommen bedarf jedoch im Hinblick auf die Kompetenzen der EU und den Respekt der territorialen Integrität ihrer Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 TEU) der Zustimmung Spaniens.

Nach der Kommission-Empfehlung soll das Abkommen mit dem Vereinigten Königriech auf Art. 217 AEUV und nicht, wie sonst bei Freihandelsabkommen üblich,[S. 69] auf Art. 207 AEUV gestützt werden. Dies hat zur Folge, dass dem Abkommen mit dem Vereinigten Königreich alle Mitgliedstaaten im Rat zustimmen müssen, da Art. 217 AEUV Einstimmigkeit und nicht, wie Art. 207 AEUV, nur eine qualifizierte Mehrheit verlangt. Offen ist auch noch, ob das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich als allein dem Zuständigkeitsbereich der EU unterliegend angesehen wird, dann genügt die Einstimmigkeit im Rat, oder als ein gemischtes Abkommen, dann müssen die nationalen Parlamente das Abkommen zusätzlich nach ihren verfassungsrechtlichen Bestimmungen ratifizieren.

Nach Ansicht der Kommission sollten die Verhandlungen wie folgt ablaufen, wenn das Ergebnis zum 31. Dezember 2020, also ohne Verlängerung der Übergangszeit, vorliegen soll:

Februar 2020: Kommission ersucht den Rat um ein Verhandlungsmandat
März – Mai 2020: 1. Verhandlungsrunde mit einigen wichtigen Meilensteinen. • EU-Vereinigtes Königreich High Level Konferenz • Ende der Antragsfrist für eine Verlängerung der Übergangszeit • Versuch, das Fischereiabkommen abzuschließen • Europäischer Rat im Juni
Juni – Oktober 2020: 2. Verhandlungsrunde, die zum Abschluss des Abkommens führen soll, mit einem Europäischen Rat im Oktober
Oktober – Dezember 2020: Abschluss und Ratifizierung der(s) ersten Abkommen(s), womit die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden
Januar – Dezember 2021: Verhandlung der noch ausstehenden Sachfragen.
Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union

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