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Sapienti sunt Paioari. Der erste Band des neuen Spindler

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Vor fünfzig Jahren begann es zu erscheinen, das Handbuch der bayerischen Geschichte, der legendäre »Spindler«. Nun liegt der erste Band in einer auf dem aktuellen Stand der Forschung vollständig neu geschriebenen Fassung vor. Ein stattlicher Buchziegelstein! Es geht um Bayerisches von der älteren Steinzeit bis zum hohen Mittelalter. Bayerisches? Na ja, was man halt so nennen kann. Dass die Generation von Max Spindler und Karl Bosl da manches zu simpel und vor allem zu eindeutig dargestellt hat, wird bald klar. Die Agilolfinger? Schon recht, aber … Es wäre mehr als vermessen, hier ins Detail zu gehen – es darf höchstens festgestellt werden, dass die »Migratio« in der Tat die »Mater Bavariae« war und ist. Eine kritische Würdigung des studierenswerten neuen Handbuchs überlassen wir natürlich den Historikern und anderen Fachwissenschaftlern.

Kapitel VII führt das kulturelle Leben jener Zeit vor Augen: Wissenschaft und Bildung, Literatur, Kunst, Musik. Man wird gewiss nicht ernsthaft behaupten können, dass dieses fragile frühe Bayern hier an der Spitze des europäischen Fortschritts marschierte. Dennoch schreibt Ludwig Holzfurtner ganz zu Recht, und das ist doch schon mal was: »Bayern stand zwar nie am Anfang, oft aber eben doch schon früh aufseiten der zukunftsweisenden Ideen und trieb diese in maßgeblicher Weise weiter voran, sie um eigene Aspekte erweiternd und mehr als einmal auch auf ein realistisches Maß korrigierend.« Einen lehrreichen Überblick über die lateinische, alt- und frühmittelhochdeutsche Literatur in Bayern bis ins 13. Jahrhundert hinein geben Mechthild und Hans Pörnbacher. Da geht es ums Wessobrunner Gebet, um Heiligenviten, Geistliche Lieder, Chroniken und frühe weltliche Epen, um Geistliche Schauspiele oder den frühen Minnesang. Zuerst aber um ein Wörterbuch aus der Freisinger Schreibschule, das eher seltene lateinische Wörter nicht nur durch geläufigere lateinische Wörter erklärt, sondern auch volkssprachliche Erläuterungen anfügt. Das erste Wort, von dem das Buch seinen Namen hat, nämlich »abrogans«, wird mit dem lateinischen »humilis« und den althochdeutschen »dheomodi« (demütig) erklärt. Öha! Allen Autoren in Bayern und weit darüber hinaus sei gesagt, mit den Worten der Pörnbachers: »Das erste Wort im ersten Buch, das in Bayern entstanden ist, heißt also ›demütig‹!« Bitte unbedingt merken, aufschreiben, über den Schreibtisch hängen! Demut und Klugheit gehören zusammen – ganz besonders in Bayern, wo es viele kluge Leute gibt und auch damals schon gab. In einem Gesprächsbüchlein aus dem frühen neunten Jahrhundert steht beim Eintrag »sapiens homo – spaher (= kluger) man« die ganz klare Aussage: »Stulti sunt Romani, sapienti sunt Paioari« – was man, mit Verlaub, so übersetzen kann: »Olle andern san bleed, mir Bayern san gscheid«. Frühes neuntes Jahrhundert? Ganz aktuell! Auch wenn es vielleicht doch »sapientes« heißen sollte.

Handbuch der bayerischen Geschichte. Band I, 1: Das Alte Bayern. Von der Vorgeschichte bis zum Hochmittelalter. Begründet von Max Spindler. Neu herausgegeben von Alois Schmid. München 2017: Verlag C. H. Beck 726 S.

BIERKÄMPFE, BAROCKENGEL UND ANDERE BAVARESKEN

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