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Die politische Landschaft zwischen dem 8. Mai 1945 bis Mai 1951

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Zur Erläuterung der politischen Situation dieser Zeit erlaube ich mir zum Verständnis einen Exkurs und möchte auf einige Passagen des Autors Michael Freud und dessen Werk „Deutsche Geschichte – von den Anfängen bis zur Gegenwart“, herausgegeben vom Verlag C. Bertelsmann, München, 1985, hinweisen.

Nachdem die Siegermächte USA, Großbritannien und die Sowjetunion Deutschland besetzt und die Nachfolgeregierung Adolf Hitlers die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 unterzeichnet hatte, gab es fast keine deutsche Handelsschifffahrt mehr. Von den Handelsschiffen, die bereits schon vorher durch Bomben- oder Torpedo-Treffer und Minen versenkt waren, wurden alle Reparationsansprüche der Siegermächte durch die „Inter-Alliierte Reparations-Agentur“ geregelt. Ein Bericht der „Tripartite Merchant Marine Commission“ empfahl unter anderem:

„1. Die deutsche Handelsflotte, die an die drei Mächte ausgeliefert ist, soll gemäß der von der Kommission ausgearbeiteten Liste zu gleichen Teilen zwischen der UdSSR, Großbritannien und den Vereinigten Staaten aufgeteilt werden.

2. Im Einklang mit der Entscheidung des Alliierten Kontrollrats sollen 175.000 Ladefähigkeitstonnage, d. h. 200.000 tdw, der deutschen Handelsflotte für die deutsche Friedenswirtschaft nach Maßgabe der von der Kommission ausgearbeiteten Liste vorbehalten bleiben.“ (Siehe Rolf Stödter, S. 28.) Prof. Dr. Rolf Stödter, geb. 1909 in Hamburg, war seit 1936 in der Seeschifffahrt als aktiver Reeder tätig. In der Zeit von 1945 bis 1955 war er zunächst als Geschäftsführer, später als geschäftsführender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Reeder maßgebend an den Bemühungen um die Beseitigung der Schifffahrts- und Schiffsbauverbote der Alliierten beteiligt gewesen.

Immerhin wurden1,1 Millionen Bruttoregister beschlagnahmt und in die Heimathäfen der Alliierten überführt. Weiterhin wurden 122.000 BRT Schiffsraum mit Gasmunition beladen und östlich von Bornholm und vor der norwegischen Südküste versenkt. Der für die Siegermächte uninteressante Rest von 117.000 BRT Seeschiffsraum blieb in den von den Westmächten besetzen Häfen zur Eigennutzung den deutschen Reedereien vorbehalten.

Doch auch die Küstenschiffsflotte musste Federn lassen. Von den bei Kriegsausbruch 1939 ursprünglichen 1.162 Küstenschiffen mit einer Ladefähigkeit von rund 200.000 tdw gingen im Verlaufe des 2. Weltkriegs 23.000 tdw durch Bomben- und Minentreffer verloren. Von den verbliebenen 177.000 tdw Küstenschiffsraum mussten nach Kriegsende 14.500 tdw zwecks Reparationstilgung an die Alliierten abgegeben werden. Von den verbliebenen 162.500 tdw wurden 108.250 tdw von den Siegermächten beschlagnahmt. Die restlichen 54.250 tdw standen den bisherigen Eigentümern zwar zum Erwerb ihres Lebensunterhalts zur Verfügung, doch die Eigentumsverhältnisse blieben bis 1950 ungeklärt.

Ab 1948 bestand die Tonnage der Mitglieder des Verbandes deutscher Küstenschifffahrtsunternehmer aus 955 Küstenfahrzeugen mit einer Vermessung von 108.000 BRT bzw. 160.000 tdw. Das heißt, die durchschnittliche Verdrängung eines Kümos lag bei 168 tdw. Also „Schlickrutscher“ waren der klägliche Rest. Zu diesen zählten in der Regel ostfriesische Tjalken, weiterhin umgebaute Heringslogger, die sich als hervorragend seetüchtige Kümos behaupteten und ein in Schleswig-Holstein bekannter Motorsegler-Typ „Ich verdiene“, ein hölzerner Dreimastsegler mit Spiegelheck und einem robusten Glühkopfmotor, welcher auf der Schiffswerft Nobiskrug bei Rendsburg Anfang der 1930er Jahre konstruiert und gebaut worden war. Seine Vermessung lag bei 176 BRT, und er konnte immerhin 250 tons laden. Dieser „Nobiskruger“ hatte eine Länge von 31 m, eine Breite von 7 m und einen Tiefgang von 2,60 m im abgeladenen Zustand. (siehe Klaus-Peter Kiedel „Küstenschiffe¸ Alltag auf Motorseglern, Kümos und Containerfeedern“, 1996, Ernst Kabel Verlag Hamburg und Deutsches Schifffahrtsmuseum, Bremerhaven).

Die Potsdamer Konferenz und ihre Auswirkungen auf die deutsche Handelsschifffahrt

Am 17. Juli 1945 setzten sich die führenden Staatsmänner der Siegermächte in Potsdam zum ersten Mal zu einer Konferenz zusammen, die der Nachwelt als „Potsdamer Konferenz“ in Erinnerung bleiben sollte. In erste Linie ging es damals um „die Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“ 1), d. h. die Festlegung der neuen Staatsgrenzen, Vertreibung der Deutschen aus den besetzten Ostgebieten und Demontage der Rüstungs- und Metallindustrie. Wenn es nach dem Willen eines Herrn Morgenthau gegangen wäre, hätten die Nachkriegsdeutschen im Ruhrgebiet nur noch Kartoffeln anpflanzen dürfen. Und vermutlich hätten deutsche Reeder und Schiffseigner nur noch mit Nobiskruger Frachtseglern, einer Serie von Dreimastjachtsegelschonern mit Spiegelheck, die die Nobiskruger Schiffswerft Anfang der 1930er. Jahre bei Rendsburg baute und die allein von ihrer hohen Wirtschaftlichkeit gesehen damals ein Kassenschlager waren, in der Nord- und Ostsee Küstenschifffahrt betreiben dürfen. Jedenfalls sah es 1945 fast so aus. In den westlichen und in der sowjetischen Besatzungszone wurden laut Beschluss des Potsdamer Abkommens „alle Stahl produzierenden und Stahl verarbeitenden Anlagen und Schiffswerften demontiert, Großwerften, insoweit sie nicht vorher schon zerbombt waren, wurden gesprengt und produktionsunfähig gemacht.“

Doch bereits ab 1949 verlor die Demontage ihren Sinn, da alle Welt mit einer baldigen Bildung einer deutschen Regierung rechnete, also einer mit den Westmächten eng befreundeten Regierung, auf deren Boden die Gerichtsvollzieher der Sieger nichts mehr zu suchen hatten. Als Notwendigkeit war auch anerkannt, Deutschland in den Wiederaufbau Europas einzugliedern.“ „Einen wirklichen Sinn ergab die Demontage nur für die britische Wirtschaft..., aber auch Großbritannien ahnte die Gefahr, die schon einmal die Demontage mit sich gebracht hatte.“ „England würde nicht noch einmal“, so meinte der britische Außenminister Bevin“, den Fehler begehen, den es nach 1918 beging, den Deutschen zuerst ihre alten schlechten Maschinen wegnehmen, um ihnen dann Geld zu geben, damit sie sich die neuesten und modernsten Maschinen kaufen konnten.“ Aber genau das sollte wieder geschehen. Denn der Marshall-Plan und die Währungsreform standen vor der Tür. Die deutsche Wirtschaft konnte mit neuester und modernster Technologie neu starten.“ „Mit Wirkung vom 21. Juni 1948 galt die Deutsch-Mark-Währung. Jeder Einwohner des Währungsgebiets erhielt an dem mit Zittern erwarteten Tag X vierzig Deutsche Mark! Die Reichsmark war Altpapier.“ Die neue deutsche Wirtschaftspolitik ruhte auf der Annahme „dass die chirurgischen Eingriffe, also der Währungsschnitt und die fast plötzliche Beseitigung der Zwangswirtschaft den wirtschaftlichen Aufschwung Westdeutschlands herbeiführen wird.“ Ein Herr Ludwig Ehrhard leitete kompromisslos die neue Wirtschaftspolitik ein. Und er behielt Recht!

Jetzt zurück zur Handelsschifffahrt, deren Weichen schon vor der Währungsreform in kleinen Schritten gestellt wurden. Hans Maack, der brillante Verfasser des Artikels „Schifffahrt auf Zwangswegen“, veröffentlicht in „Reeder, Schiffe und ein Verband - Aus der fünfzigjährigen Arbeit einer deutschen Schifffahrtsorganisation 1907–1957“ -, behauptete: „Als wirkungsvollster Bundesgenosse erwies sich zu dieser Zeit das binnendeutsche Verkehrschaos. Es erzwang die ersten Regungen des Seeverkehrs bereits im Juli 1945 und in der Folgezeit eine sich laufend verstärkende Schiffsbewegung im Küstenbereich der britischen Besatzungszone. In der Hauptsache wurden Lebensmittel und Brennmaterial (Kohle, Holz und Torf) transportiert. Wenn andere Ladungen anfielen, waren sie durchweg für die Militärregierung bestimmt. Der Einsatz der Motorsegler steigerte sich von Monat zu Monat…“ An einer anderen Stelle schreibt er: „Das Fahrtgebiet erstreckte sich längs der Küste zwischen den Häfen Emden und Lübeck und wurde dann auf die Häfen der russischen Zone erweitert, von wo Getreide und Kartoffeln westwärts befördert wurden. Doch die ersten Versuche, die deutsche Seeschifffahrt auch wieder in die internationale Auslandsfahrt umzuleiten, scheiterten.

Doch unter dem Druck der chaotischen Verhältnisse hatte sich die Entwicklung des deutschen Küstenverkehrs in der ersten Phase bis 1947 vielleicht schneller vollzogen als es sich die politischen Kontrolleure vorgestellt hatten.“ In den Kieler Studien – ein Forschungsbericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel - wurde zum Thema „Der Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte“ von Dr. Hugo Heeckt und Dr. Heinz Stender, Kiel 1954, folgendes ermittelt: Durch die Direktive Nr.37 des Alliierten Kontrollrats vom 26.09.1946. wurden folgende Beschränkungen für Neubauten vorgeschrieben:

Maximale Größe von Schiffen: 1.500 Bruttoregistertonnen

Höchstgeschwindigkeit: 12 kn

Aktionsradius: höchstens 2000 sm

Antriebsart für Schiffe über 33 Meter Länge: Dampfmaschine mit Kohlenfeuerung

Dieser Schiffstyp wurde an der Küste unter den Begriff „Potsdam-Schiff“ bekannt. Der erste Nachkriegsneubau mit der Lizenznummer 001 war der Dampfer „BROOK“ der Reederei H. M. Gehrckens.


Eins der letzten „Potsdamschiffe“: Dampfer „FLENSAU“, Eigner Rolf-Dieter Nissen, Flensburg, wurde als erstes Schiff einer Sechser-Serie nach dem Kriege 1948 auf der Schiffbauwerft Flensburg gebaut. Anfangs fuhr es noch mit Kohlenfeuerung, wurde später zum Ölbrenner umgerüstet und lag, wie hier auf dem Foto, 1968 im Hafen von Kaolack im Senegal, wo es Erdnüsse als Schüttgut für Hamburg lud. Beim Betrachten fällt auf: Es gab noch kein Radar an Bord.

Foto Kapitän Peter Wriedt.

Die Beschränkungen wurden nur sehr langsam gelockert. Der entscheidende Durchbruch kam erst durch das Washingtoner Abkommen von 1949 zustande. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte ein Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte ernsthaft in Angriff genommen werden. Diese Vorschriften wurden zum Teil durch das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949, endgültig aber erst durch die grundsätzliche Freigabe des deutschen Schiffbaus seitens der Alliierten Hohen Kommission am 2. April 1951 beseitigt, so dass erst von diesen Tag an der uneingeschränkte Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte durchgeführt werden konnte.“ (siehe Kieler Studien – Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte von Heeckt und Stender 1954, Seite 17) Soweit die wirtschaftspolitischen Hintergründe zu dieser Zeit.


Vor dem Mast – ein Nautiker erzählt vom Beginn seiner Seefahrt 1951-56

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