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Kapitel 2

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Beck

Ich rausche durch die Türen des On Point, dem Tanzstudio, in dem ich unterrichte.

»Pünktlich auf die Minute, wie immer«, spottet mein bester Freund Clay.

Ich zeige ihm den Mittelfinger, als ich den Flur zum Studio Eins hinunterrenne, wo meine Schüler sicher alle schon warten und nicht überrascht sind, dass ich zu spät komme.

»Hey Leute, tut mir leid«, entschuldige ich mich, als ich hereinstürme. »Ich war beim Tätowierer und mir war nicht klar, wie lange es dauern würde und dann musste ich nach Hause und mich umziehen«, erkläre ich und wedle dabei mit den Händen.

»Dürfen wir dein Tattoo sehen?«, fragt Kailee, eine meiner liebsten Schülerinnen.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe alle Kinder, die ich unterrichte. Aber für eine Achtjährige mit einem engelsgleichen Gesicht, gutem Benehmen und einer erstaunlichen Zukunft vor sich habe ich eben eine Schwäche.

»Sicher, es ist ein Pfau mit buntem Schwanzgefieder«, erkläre ich, als ich mein T-Shirt ausziehe, sodass ich nur noch meinen Body trage und meine Arme entblößt sind.

Eines der anderen Mädchen kichert.

»Ist das nicht ein böses Wort?«

Ich beiße mir fest auf die Unterlippe, um nicht zu lachen.

»Nein, Süße. Es heißt Schwanzgefieder, das sind diese langen bunten Federn hier. Nichts Böses.«

Nachdem alle Kinder mit lauten Oohs und Ahhs mein neues Tattoo bestaunt haben, scheuche ich sie alle auf ihre Plätze, damit wir etwas schaffen, bevor ihre Eltern auftauchen, um sie abzuholen.

Während ich zusehe, wie meine Kids die Schritte tanzen, die ich ihnen seit Monaten beibringe, geht mir vor Stolz das Herz auf, während sich gleichzeitig eine vertraute Traurigkeit in mir breitmacht.

Das war schon mein ganzes Leben lang mein Traum, zu tanzen und die Liebe der Kinder zum Tanz zu fördern. Ich wünschte nur, es hätte nicht den Tod meiner Zwillingsschwester Brianna gebraucht, um das zuwege zu bringen. Und ich wünschte, ich hätte den Mut, meinem Vater zu sagen, dass er mich kreuzweise kann, damit ich das hier Vollzeit machen kann.

Sobald der Unterricht vorbei ist und alle Kinder abgeholt sind, kommt Clay, um mir beim Aufräumen zu helfen.

»Du hast endlich dein Tattoo«, stellt er lächelnd fest. »Was denkst du, wie sehr wird dein Dad ausflippen?«

»Bäh, erinnere mich bloß nicht dran. Es ist nicht so, dass er mich je ohne Anzug sieht, also glaube ich, dass ich die Katastrophe auf unbestimmte Zeit aufschieben kann.«

»Gutes Argument«, stimmt Clay zu. »Also, wie war es?«

»Unerträglich. Warum hast du mir nicht gesagt, dass es derart wehtut?«, beschwere ich mich. »Es brennt immer noch. Wie lange dauert es, bis das aufhört?«

Clays Arme sind vollständig mit leuchtenden Wildblumen bedeckt; ich kann mir nicht vorstellen, wie lange das gedauert haben muss.

»Das Brennen verschwindet in ein paar Stunden. Außer wenn du duschst, da wird es sich für ein paar Tage wie ein Sonnenbrand anfühlen. Dann fängt das Jucken an…«, erklärt er und ich nagle ihn mit meinem Blick fest, als sich die Nebenwirkungen auftürmen. »Und das alles ist es so was von wert, daher wollte ich nicht, dass du einen Rückzieher machst.«

Ich grummle. Ich bin froh, dass ich den Pfau bekommen habe, um mich an Brianna zu erinnern.

»Wo hast du es machen lassen?«

»Heathens Ink. Das ist in der Nähe der Bar, die du magst, dem O'Malley's.«

Clays Gesicht hellt sich auf. Innerlich wie äußerlich ist er wahrlich ein wunderschöner Mensch und wenn er lächelt, reicht es aus, um wirklich jeden Mann in die Knie zu zwingen.

Als Teenager haben wir ein paar Mal rumgemacht, letztendlich aber entschieden, dass wir nur Freundschaft füreinander empfinden. Außerdem hat es nicht lange gedauert, bis wir herausgefunden haben, dass wir beide absolute Bottoms sind. Nicht, dass ich niemals toppe, aber es muss der richtige Mann sein. So sehr ich Clay auch liebe, er war nie der richtige.

Clay und ich haben uns bei meiner allerersten Tanzstunde kennengelernt, als ich acht Jahre alt war. Meine Eltern haben alles, was ihnen möglich war, getan, um mir auszureden, einen Tanzkurs zu besuchen. Aber ich war in einem Alter, in dem ich alles tun wollte, was Brianna tat, und sie wollte Ballettunterricht. Sie haben mir jede erdenkliche Alternative angeboten, von Bogenschießen bis hin zu Reiten. Geld und Zeit waren kein Problem. Aber ich hatte mich darauf eingeschossen, bei meiner Schwester zu bleiben.

Es war mir egal, als sie mir sagten, dass keine anderen Jungs da sein würden und dass die Leute einen Jungen auslachen könnten, weil er Ballett tanzte. Ich wusste, was ich wollte, und ließ mich nicht davon abbringen.

Sie lagen falsch damit, dass es dort keine anderen Jungs geben würde, aber nicht damit, dass ich über Jahre gehänselt wurde, weil ich tanzte. Nicht, dass es nur das Tanzen war, weswegen ich gehänselt wurde. Es war alles, von der femininen Art, wie ich gestikulierte und mich bewegte, bis hin zu der hübschen Kleidung, die ich gern trug.

Als wir Teenager waren, fragte mich Clay, ob ich transgender wäre. Ich hab ihm gesagt, dass ich mich nicht wie ein Mädchen fühlte, sondern nur die Klamotten mochte, die sie tragen konnten. Und um ehrlich zu sein, wusste ich, dass ich mit Make-up verdammt sexy aussah.

Auf dem College wurde mir klar, dass nicht nur reiche Schnösel und Dummköpfe Probleme damit hatten, wie ich mich anzog und verhielt. Wie sich herausstellte, können selbst schwule Männer untereinander sehr ablehnend und grausam sein.

Ich habe all meine Seiden- und Spitzenwäsche in den hinteren Teil meines Kleiderschranks verbannt und mein Make-up weggeworfen. Ich habe mit dem Tanzen aufgehört und all meine Energie darauf verwendet, mich anzupassen und das Jurastudium durchzuziehen, um meine Eltern glücklich zu machen.

Nur zwei Menschen haben gesehen, wie schmerzhaft es für mich war, den echten Beck so tief zu begraben. Nur zwei Menschen sahen, wie ich trank, um den Schmerz zu verbergen, und mich von Männern benutzen ließ, damit ich mich geschätzt fühlte. Clay und Bri waren die Einzigen, die mein wahres Ich nie aus den Augen verloren haben, selbst als sogar ich nicht mehr sicher war, wer ich war.

»Oh mein Gott, im Heathens arbeiten die heißesten Tätowierer«, schwärmt Clay und reißt mich aus meinen Erinnerungen.

Der attraktive, grüblerische Tattookünstler, der heute an mir gearbeitet hat, taucht vor meinem inneren Auge auf und ich spüre erneut, wie Verlegenheit in mir aufwallt. Mann, was war los mit mir, dass ich ihn so angemacht habe, obwohl er mir keinen Hinweis darauf gegeben hat, dass er interessiert war? Ich meine, sicher, er hat mich definitiv gemustert, als ich reingekommen bin, aber er hat sicher nur versucht herauszufinden, was mit mir los ist. Auch wenn ich heute meine normalen Klamotten angehabt hatte, hatte ich doch Make-up getragen.

»Ja, der Typ, der mich tätowiert hat, hatte diese intensiven Augen, die mich einen Moment völlig aus dem Tritt gebracht haben. Ich hab ihn gefragt, ob er vergeben ist; es war so peinlich.«

Clay lacht mich aus.

»Wollen wir was trinken gehen, nachdem ich abgeschlossen habe?«, schlägt Clay for.

»Darf ich es verschieben? Ich fühle mich heute irgendwie komisch.«

»Natürlich, Süßer.« Clay drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Versuch, morgen pünktlich zu sein.«

»Warum sollte ich mich anstrengen, wenn ich meinen Boss um den kleinen Finger gewickelt habe?«, necke ich ihn zwinkernd.

***

Seufzend lasse ich mich auf die Couch fallen.

Da ich mich heute Abend einsam und ein wenig traurig fühle, greife ich nach meinem Handy, öffne meine Grindr-App und sehe mich ein wenig um. Es wäre schön, flachgelegt zu werden; es ist viel zu lange her.

Während ich ein Profil mit den Bemerkungen keine Femmes oder nur maskulin nach dem anderen wegwische, knurre ich frustriert und werfe mein Handy weg.

»Mann, Bri, warum hast du mich so sehr gedrängt, ich selbst zu sein. Das ist beschissen«, grummle ich meine leere Wohnung an. Na und, dann rede ich eben immer noch mit meiner toten Schwester. Mein Therapeut sagt, das wäre normal.

Ich gehe ins Badezimmer, um mir das Gesicht zu waschen und es mir für einen aufregenden Abend allein vor dem Fernseher gemütlich zu machen.

Ich öffnete die Musik-App auf meinem Handy und stelle die Zufallswiedergabe ein. Als zuerst das Lied Beautiful von Christina Aguilera gespielt wird, verdrehe ich die Augen.

»Ernsthaft, Bri, du wählst Xtina, um deinen Standpunkt klarzumachen? Da stehst du doch drüber.« Ich drücke auf den kleinen Pfeil, um zum nächsten Lied zu wechseln. Es ist Unpretty von TLC und ich seufze gequält auf. »Du bist jetzt genauso penetrant wie zu Lebzeiten.«

Erneut trifft mich die Einsamkeit mitten in die Brust.

Ich hoffe immer noch, dass sich meine Seele irgendwann nicht mehr wie zerbrochen anfühlt, doch das scheint nie zu passieren. Ich weiß, dass Bri erst seit einem Jahr tot ist, aber es wäre toll, wenn ich aufhören könnte, nach meinem Handy zu greifen, um ihr zu schreiben.

Heathens Ink: Mein Heiler

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