Читать книгу Gegenkulturelle Tendenzen im postdramatischen Theater - Koku G. Nonoa - Страница 25
1.5.3.5. Unterscheidungsversuch der institutionskritischen Kunstformen
ОглавлениеPerformance, Happening, Fluxus, Aktionismus und Installation entstanden in den 1950er- und 1960er-Jahren des 20. Jahrhunderts und sind von institutionskritischen Vorgehensweisen gegenüber dem Mainstreamverständnis von Kunst und dem Kunstproduktions- und Rezeptionsapparat geprägt. Es ist deshalb nicht leicht, sie voneinander zu unterscheiden. Ein künstlerisches Ereignis könnte in einer Aufführung (siehe Orgien-Mysterien-Theater und Aktion 18, „tötet Politik!“) Merkmale von allen angeführten Kunstrichtungen aufweisen. So entspringen Fluxus und Happening den gleichen Wurzeln der John-Cage-Klasse in New York, in der sowohl Allan Kaprow (Happening-Künstler) als auch Dick Higgins (einer der Vertreter der Fluxus-Bewegung) Schüler waren. Darüber hinaus wirkten Künstler_innen der Fluxus-Bewegung in Happening-Gruppen mit – wie z.B. Dick Higgins, der sich bei Allan Kaprows 18 Happenings in 6 Parts beteiligt hatte. Dennoch kann man anmerken, dass man diese Kunstrichtungen einigermaßen voneinander ausdifferenzieren könnte. Das entspräche einem akademischen sowie verwirrenden Unterfangen: Für Sarah Higgins ist Happening eine expressive und symbolhafte Ausformung der Aktionskunst und steht dem Action Painting nahe. Ihr zufolge ist Fluxus eine nicht symbolhafte, antiexpressionistische und formfreie Kunst2 sowie im Sinne George Maciunas eine antiprofessionelle Kunst. In Gegensatz zu Fluxus, der mit Fluxkit und Events auf alle menschlichen Sinneswahrnehmungen fokussiert, ist die Form von Happening eine prozessual theaterhafte Kunstform, die sich dennoch vom klassischen Theaterverständnis distanziert: so wird etwa beim Happening das Publikum, dessen Reaktion erwünscht ist, ins Geschehen involviert. In Fluxus-Events wird das Publikum nicht einbezogen, da eine Trennlinie zwischen Künstler_innen und Zuschauer_innen besteht. Während sich die Fluxus-Events vorwiegend an Alltagshandlungen und Zufällen anlehnen, laufen Happenings nach einem bestehenden Plan. Die Performance wiederum vereint hier beides: kalkulierte Alltagshandlungen, die während der Durchführung unvorhersehbar werden können. Fluxus und Happening weisen in ihrer Durchführung einen performativen Charakter auf. In einer Performance – zum Teil im Aktionismus (man denke in diesem Zusammenhang an den Wiener Aktionismus) – ist der Körper der Künstler_innen und/oder der Körper von anderen als künstlerisches Arbeitsmaterial zentral, das je nach Prägung in ein Kunstobjekt verwandelt wird. Wird der künstlerische Umgang mit dem menschlichen Körper so weit getrieben, dass ihm Schmerzen, Verletzungen etc. zugefügt werden, balanciert die Performance in Richtung Body Art. In diesem Zusammenhang wird das Publikum nicht involviert, aber es kann – wie in Abramovics Performance – intervenieren, um die Performance zu beenden. Genauso wie die Performance lässt sich der Raster von der Installationskunst nicht deutlich definieren. Installation dehnt vor allem die künstlerischen Ausdrucks- und Ermittlungsmöglichkeiten, löst die Beobachterperspektive auf, bringt Betrachter_in, Raum und Objekte prozessual zusammen, sodass sie verschmelzen.
Die Strategien der institutions- und sozialkritisch künstlerischen Ausdrucksformen von Fluxus, Installation, Aktionismus, Happening und Performance werden im Orgien-Mysterien-Theater und in der Aktion 18, „tötet Politik!“ auf radikalisierte Art und Weise eingesetzt, wie es in vielen gegenkulturellen Tendenzen im postdramatischen Theaterverständnis auszumachen ist.