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Die Kühe brüllten infernal.

Alle waren sie gleich vor dem Bolzenschussgerät.

Einmal.

Zweimal.

Manchmal dreimal.

Es krachte, bis sie starben.

Bis ihre Beine wegknickten und sie zusammenbrachen.

Dann der Gestank.

Nach Blut, Angst und Panik.

Zwischen enge Gatter wurden sie getrieben, bis ans Ende der Führung, wo es nicht mehr weiterging. Dort senkte sich der Stahl in ihren Nacken.

Da Konstantin hinter ihnen stand, konnte er nicht in ihre Augen blicken. Aber er stellte sich diese Augen vor: Wie sie flehten, wie sie bluteten, wie sie platzten.

Anfangs war ihm regelmäßig übel geworden. Anders als seine Mitschlächter hatte er in seiner bisherigen beruflichen Vergangenheit nie mit Vieh zu tun gehabt. Die Übelkeit verschwand schließlich. Was blieb, war der Gedanke an das Töten.

Die Effizienz der Fabrik erinnerte ihn an vergangene Zeiten, doch waren die Schlächter weit weniger von ihrem Tun entzückt als ihre schnittig uniformierten Ahnen. Niemand dachte daran, die Hacken zusammenzuschlagen oder zu salutieren, wenn der Schichtleiter vorüberging, um die an den Ketten ausblutenden Viehhälften zu inspizieren. Sie dachten nur daran, sich beim Schichtwechsel die Schürze und die Handschuhe abzustreifen. Und daran, das Blut, das an ihnen klebte, abzuduschen. Blut kann verdammt hartnäckig sein.

Das ist Krieg ...

Abends hockte Konstantin in seiner engen Bude, ein kaltes Bier in der Hand, quetschte sich in den viel zu engen Sessel und vegetierte dumpf vor den flimmernden Impressionen einer schönen Welt. Fleisch brachte er nicht mehr herunter. Sein Magen rebellierte bei jedem Brocken. Manchmal war auch ein Mädchen bei ihm, doch selten blieb es lange.

Zu viel Blut.

Er zählte die Sekunden bis zum Ende des Werbeblocks, dann legte er sich ins Bett.

Konstantin Tannhaus, der den Vornamen eines Kaisers trug, hatte an der Universität Politologie studiert, bis das Dezernat für Wohl und Sicherheit ihm eine andere Aufgabe bescherte. Die Zuteilung zur Schlachtfabrik war keine Zuteilung im eigentlichen Sinne gewesen, nicht etwa so wie Absolventen eine Lehre oder eine Position im Dienst der Stadt zugewiesen wird. Vielmehr hatte Konstantin selbst gewählt. Denn die Alternative zu einem Exil zwischen Tierhälften waren undenkbar gewesen.

Die Entscheidung war vor langer Zeit auf dem Dach des Universitätshochhauses gefallen. Dort hatte er in den Abgrund gestarrt und gefühlt, wie die Stadt auf ihn zukroch - wie sich der düstergraue, hoch aufragende Turm der DeSi von Osten heranpirschte, wie sich die Schlote des Gefängnisbezirks im Nordosten mit den Gebäuden der Stadtpolizei im Süden zusammenschlossen und wie alle näherrückten, durch dunkle Häuserschluchten, sodass nur der Weg nach Westen blieb. Dort lag die Fleischfabrik. Nach Westen also - oder der Sprung in den Tod. Und so wählte er anstelle des Todes das Leben eines Toten.

Manches von dem, was Konstantin damals getan und unterlassen, peinigte ihn. Doch mangelte es ihm an Kraft, etwas an seiner Lage zu verändern. Menschen, die er gut gekannt hatte, waren gestorben wie das Vieh im Schlachthof. Das Dezernat für Wohl und Sicherheit, die DeSi, hatte sie ausgelöscht. Nicht exemplarisch, sondern im Stillen. Eines Tages würde auch er, Konstantin, vergehen.

Und wenn es endlich so weit war, würde er sich selbst den Bolzen setzen.

Unters Kinn womöglich?

Sein Kopf würde platzen und die paar Brocken Hirnmasse würden von der Decke tropfen.

Oder zwischen die Augen, die Stelle der Tapferen?

Nur er war nicht tapfer, und darauf lief es hinaus: Schon seit sieben Jahren, seitdem sein Exil in der Fleischfabrik begonnen hatte. Das alles würde ein Ende haben. Nur jetzt noch nicht.

Nicht jetzt ...

So verging dieser Abend.

Und der folgende.

Und der danach.

Fett geworden war er während all dieser Scharade. Seitdem er sich verbarg. Sieben Jahre lang harrte er nun schon aus - ohne ein Banner, hinter dem er sich hätte sammeln können.

Der große Kaiser Konstantin.

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