Читать книгу Zwischen den Zeilen - Kora Kutschbach - Страница 10
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Die nächsten drei Tage verbrachte ich in einem tranceähnlichen Zustand, was zum einen an den Beruhigungsmitteln, die mir regelmäßig verabreicht werden mussten, zum anderen an meinen verschwommenen Erinnerungen, die ich noch nicht genau zuzuordnen wusste, lag.
Im Schlaf wurde ich von völlig wirren Gedanken, grellen Erscheinungen und absurden Schmerzen verfolgt. Alles war derart surreal, es konnte einfach nicht der Wahrheit entsprechen! In den wachen Momenten, plagten mich die gleichen qualvollen Gedanken und furchtbaren Schmerzen. Der einzige Unterschied bestand in Finns Anwesenheit, der Tag und Nacht, Stunde um Stunde tapfer und geduldig neben meinem Bett wachte. Er war die einzig reale und greifbare Komponente, die ich hundertprozentig zuordnen konnte. Erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, welche immense Last jene schlichte Anwesenheit indirekt von mir nahm.
Selbst wenn mir die verordneten Beruhigungsmittel auf den ersten Blick die Unruhe nahmen, was die Ärzte, Schwestern und Psychologin, die sich um mein Bett scharrten, leicht aufatmen ließ, zerriss mich eine in mir tobende Unruhe und Unwissenheit. Ich kann nicht sagen, dass ich zugleich unter einer Art Ungewissheit litt. Denn auch wenn ich seit einer halben Woche kein Wort mehr gesprochen hatte und Finn nur stumm meine Hand hielt, konnte ich an seinen müden, eingefallenen Augen und seiner trauernden Mimik die Wahrheit längst ablesen.
Wir besaßen bereits im Kleinkindalter die Gabe uns ohne viele Worte und riesige Gesten zu verstehen. Über die Jahre haben wir jene Fähigkeit stets perfektioniert und verblüfften Außenstehende damit, offensichtlich die Gedanken und Gefühle des anderen zu lesen. Was hätte ich dafür gegeben, dieses eine Mal nicht die untrügerische, schmerzvolle Wahrheit hätte allzu deutlich erkennen zu können!
Und während ich mich in seinen dunkelgrünen Augen verlor und nur in weiter Ferne sein gequältes und extrem schwaches Lächeln wahrnahm, wusste ich längst, was mir zwei Tage später so schonend wie nur möglich von meiner Psychologin und dem Oberarzt erklärt werden sollte.
Finns herrlich dunkelgrüne, jetzt glanzlose Augen hatten mir verraten, was ich bereits seit meinem ersten wachen Moment an diesem schrecklich sterilen Ort gespürt hatte: Ich würde meiner Mum, meinem Daddy und meiner kleinen Emily niemals mehr in ihre leuchtenden Augen schauen können! Niemals mehr würde mich meine Mum in den Arm nehmen! Niemals mehr würde Daddys Humor für mein lautes Lachen sorgen! Niemals mehr würde ich Emily durch ihr goldblondes Haar streichen!