Читать книгу Zwischen den Zeilen - Kora Kutschbach - Страница 8

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Ich war ein glücklicher und ausgeglichener, zufriedener und aufgeschlossener Mensch, dessen Leben eine grandiose Familie und unzählige Abenteuer ausmachte!

Gemeinsam mit meinen Eltern, Klara und Joe Haywood Swan, und meinen Geschwistern, Emily und Finn Swan, erlebte ich wunderbare und unvergessliche Monate während unserer Reisen rund um den Globus sowie frohe und normal chaotische Momente, wenn wir daheim einen Ruhepol fanden. Ich kann ohne eine Sekunde zu zögern sagen, dass ich eine Kindheit hatte, die ich mir nicht schöner, bunter und aufregender hätte wünschen können! Oftmals wurden Emily, Finn und ich um unser freies und außergewöhnliches Leben beneidet. Es gab nur wenige, die uns jene Unbeschwertheit nicht recht zu gönnen vermochten, uns für nicht zu zähmende Zappelphilippe hielten und unseren Eltern einen zu antiautoritären Erziehungsstil vorwarfen. Manchmal höre ich noch die Worte unserer runzligen und verbittert scheinenden Nachbarin, die uns Kleinen mit erhobenem Zeigefinger einmal in unnachahmlicher Lehrmeistermanier ermahnte: „Aus solch kleinen Vagabunden wie euch kann später auch nichts als ein großer Vagabund werden, und große Vagabunden bringen es zu einem großen Nichts!”

Nun gut, jedem das Seine. Seither antwortete mein Bruder, wenn er nach seinem Namen gefragt wurde mit den Worten: „Ich bin Finn Vagabund Swan” und neben einem breiten Grinsen, das sich daraufhin in unseren Gesichtern zeigte, erfüllte diese Aussage uns Kinder stets mit einer ordentlichen Portion Stolz!

Jedes Kind hält seine Eltern für die Besten, die Größten, die Liebsten! Und das zu Recht! Auch für uns waren Mum und Daddy die absolut tollsten Eltern überhaupt! Sie sind es heute noch!

Meine Eltern lebten ihren Traum, egal was wer davon hielt. Meine Eltern lebten diesen Traum gemeinsam mit Emily, Finn und mir. Meine Eltern sorgten dafür, dass ihre Kinder etwas Lohnenswertes und Erstrebenswertes, nichts Verwerfliches im Träumen sahen!

Daddy wurde in der größten Metropole Kanadas, Toronto, geboren und wuchs umgeben vom multikulturellen Großstadtleben auf. Allerdings lernte er auch, was es hieß die stille und unfassbare Weite des Landes zu schätzen. Wahrscheinlich, nein eigentlich ganz bestimmt, brachten ihn diese kontrastreichen Eindrücke zu einer seiner Leidenschaften, dem Fotografieren, die er später zum Beruf machte.

Ich liebe es, die alten, liebevoll gravierten und kunstvoll bemalten Holzkästchen, die noch immer unter meinem Bett stehen, zu öffnen und in die Welt seiner beeindruckend lebendigen Fotografien, die einzigartige Momentaufnahmen darstellen, einzutauchen. Dazu die handgeschriebenen, tagebuchähnlichen Notizen auf der Rückseite jedes Bildes, und ich sehne mich sofort an den Ort der Aufnahme und in die glückliche Zeit unserer vergangenen Abenteuer zurück!

Im Norden Deutschlands, an der Küste der Ostsee, verbrachte Mum ihr Kindheit und Jugend. Sie meinte immer, die frische Brise und die salzigen Wellen der See hätten in ihr den Weltentdeckerdrang geweckt. Der Wunsch nach dem Ausbrechen aus der eigenen Welt und dem Erleben anderer Kulturen habe sich vor allem nach ihrer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester verstärkt, erzählte sie uns begeistert und mit den hübsch leuchtenden Augen.

Mum war geduldig, unglaublich einfühlsam, brillant geschickt im Umgang mit Kindern, aber zugleich ein vom Fernweh befallener Mensch. Demnach war es keine Überraschung, dass sie in der weiten Welt ihren Beruf ausüben wollte, anstatt Zeit ihres Lebens an einem einzigen Ort zu verweilen.

War es nun der pure Zufall oder doch jenes unsichtbare Band, das uns von Geburt an mit unserem Seelenverwandten verbinden soll? In Schweden trafen Mum und Daddy schließlich aufeinander und merkten bald, dass sie ähnliche Erwartungen vom Leben und dieselben Wünsche für die Zukunft hatten.

Gemeinsam arbeiteten sie in fernen Ländern, tauchten in neue Kulturen ein und verbrachten unbezahlbare Stunden an den spannendsten Orten der Erde. Bewundernswert finde ich bis heute, dass es die beiden schafften ihren Traum auch als Familie umzusetzen und uns Kindern somit ein enormes Stück Weltoffenheit und Toleranz, Vielfalt und Freiheit zu lehren. Ein wichtigeres Geschenk hätten sie uns wohl kaum machen können!

Als Finn ungefähr eineinhalb Jahre alt war, hielt es Mum und Daddy nicht mehr im gemütlichen Reetdachhaus am Meer. Zu dritt, dann zu viert und später zu fünft zog die deutsch-kanadische Familie Swan (eigentlich deutsch-kanadisch-britische Familie, da Granny aus Canterbury stammt) um den Globus, wobei die Wurzeln der „Vagabundenkinder” in Lübeck lagen, wo wir allesamt geboren wurden.

Ich empfand es nie als Last von Land zu Land, Kultur zu Kultur zu ziehen. Wir waren schließlich keine Zirkusfamilie, die ihre Zelte bereits nach wenigen Wochen regelmäßig hinter sich abbrechen musste. Nein, wir verbrachten stets mehrere Monate in einem Land, während Daddy als Fotograf für diverse Verlage tätig war und Mum ebenfalls in ihrem Beruf vor Ort arbeitete.

Als Kind wächst du in die dir vorgelebten Gewohnheiten problemlos und selbstverständlich hinein, und stehst neuen Abenteuern ohne Skepsis gegenüber. Eine Leichtigkeit, die sich leider nur sehr wenige Menschen bis ins hohe Alter bewahren. Daher liebte ich unser Leben so und nicht anders! Jedes Jahr verweilten wir, wie es unsere Wurzeln vorsahen, für sechs Monate an der deutschen Küste, und anschließend verschlugen uns entweder Daddys Aufträge oder unsere Eigeninitiative, Neugier und Wünsche in eine vorher unabsehbare Richtung.

Finn und ich danken unseren Eltern jetzt noch täglich dafür, wie und mit welcher Selbstsicherheit und Überzeugung sie uns erzogen haben! Ein Kind orientiert sich hauptsächlich an seinen Eltern und unsere gaben ein unvergleichliches Vorbild ab, welches ich allen Kindern aus tiefstem Herzen wünsche! Natürlich, wenn man von Menschen wie jener engstirnigen und leicht schrulligen Nachbarin als irgendwie verkorkst bezeichnet wird, tut das weh. Im Nachhinein mehr als damals, aber wahrscheinlich nur, weil ich die unergründlichen Tiefpunkte der Geschichte kenne, andererseits stachelt einen solche Kritik umso mehr an, seinem Weg treu zu bleiben! Nach dem Motto „Jetzt gerade.“ Meine Eltern taten dies und bereiteten uns eine fantastische Kinder- und Jugendzeit. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich gelegentlich gar auf den abwegigen Gedanken kommen, sie hätten bereits von ihrem/unserem Schicksal gewusst.

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