Читать книгу Mit dir oder ohne dich - Kristin Ullmann - Страница 5

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Ed schaut genauso baff aus dem Fenster wie ich. »Was war das denn?«

»Das war … Cara«, stammele ich verwirrt.

»Und Cara ist –«

»Weg.« Frustriert stiefele ich durch die Wohnküche und schmeiße mich auf das Sofa. Ich streife mir die Schuhe von den Füßen und versinke in den weichen Kissen.

Hat etwas, das ich gesagt habe, sie vergrault? War vielleicht mein Flirtmodus zu hoch aufgedreht? Schon lange habe ich nicht mehr mit jemand so Interessantem geredet. Ich hätte mich noch Ewigkeiten mit ihr unterhalten können. Ihre schüchternen, ausweichenden Blicke gingen mir durch Mark und Bein. Ihr strahlendes Lächeln und das peinlich berührte Kichern …

Ed reißt sich endlich in einer schnellen Bewegung vom Fenster los und geht zu seiner neusten Errungenschaft. »Liebling, Papa hat dich vermisst.« Er streichelt die Korkenzieherstängel des afrikanischen Gewächses. »Hat die Fremde dich in Ruhe gelassen?«

»Ed. Es ist eine Pflanze. Kein Baby, kein anderes Lebewesen. Und nein, Cara hat sie nicht angefasst. Ich glaube, sie war sogar von dem ganzen Grünzeug beeindruckt.«

»Adam, also wirklich«, äfft er meinen dozierenden Tonfall nach. »Weißt du eigentlich, wie viel Überredungskunst es mich gekostet hat, dieses Wunderwerk meinen Eltern abzuluchsen? Das ist eine Frizzle Sizzle. Die ist extrem selten.«

»Und wir bauen hier wirklich keine Drogen an? Je öfter du den Namen sagst, desto verdächtiger klingt er.« Ich schiele genervt an die Decke. »Lass die Finger von deiner Fitzel-Sitz-Dings und mach dich nützlich.«

Er öffnet die Kühlschranktür. »Das Übliche?«

Ich brumme zustimmend.

»Ein Pale Ale, der Herr.« Ed öffnet meine Flasche mit seiner und wir stoßen an. »Auf?«

»Auf … uns?«

Seine Augenbraue wandert nach oben und auch er legt sich auf die Couch. »Vielleicht auf Cara? Mann, du hättest deinen Blick sehen sollen, als die Kleine aus dem Fenster geflohen ist. Was hast du angestellt?«

»Nichts. Wir haben uns normal unterhalten und dann bist du reingeschneit.« Frustriert nehme ich einen großen Schluck von dem Bier und meine Kehle begrüßt die Kälte.

»Woher kennst du sie eigentlich?«

»Ich war bei dem neuen Foodtruck um die Ecke und habe ihr meine goldene Milch über die Bluse gekippt.«

Schockiert mustert mich Ed. »Du hast dir eine gekauft, obwohl wir alles zu Hause haben, um sie selbst zu machen?! Wenn du jetzt auch noch sagst, dass du sie in einem Plastikbecher bekommen hast, dann …«

»Beruhig dich. Es war ein Pappbecher. Das ist doch jetzt egal.«

»Meinst du vielleicht. Unser Fußabdruck, Adam!« Theatralisch hebt er sein Bein und schaukelt den Fuß hin und her.

»Ich muss auch nicht weitererzählen.«

Er macht eine Reißverschlussbewegung vor dem Mund.

»Also. Ich habe ihre Bluse versaut und ihr gesagt, dass wir ein Mittelchen daheim haben.« Das Craftbeer leert sich erstaunlich schnell. Wäre ich nicht zu faul, um aufzustehen, hätte ich schon das nächste in der Hand.

»Mutig, dass sie einfach so mitgegangen ist.«

»Das hat wohl daran gelegen, dass die Bluse nur geliehen war und ihre beste Freundin sie einen Kopf kürzer gemacht hätte. Dein Zeug ist auf jeden Fall echt gut. Ich habe den Fleck rausbekommen und wir haben gesmalltalkt. Sie hat mir erzählt, dass sie ein Bistro führt.«

Ed fläzt sich auf die Seite und stützt seinen Kopf ab. »Und weiter?«

»Nichts und weiter. Du hast uns leider unterbrochen, bevor ich mehr erfahren konnte.« Der Durst siegt und ich hole mir ein weiteres Ale aus dem Kühlschrank. »Willst du auch noch eins?«

»Nö, lass mal. Aber, wenn du schon mal da stehst, kannst du die Musik anmachen.«

Ich drehe ich die Boxen neben dem Kühlschrank auf und verlinke mein Handy mit ihnen. »Rock? Pop?«

»Reggae.«

Ich greife reflexartig das Erste, was ich in die Hände bekomme, und werfe eine Packung Taschentücher nach Ed.

»Mann, das war nur ein Scherz. Irgendwas von Queen.«

Schon besser.

Mercurys unverkennbare Stimme tönt aus den Boxen und schmettert die wohl bekannteste Hommage an das Radio.

Lautstark singen wir mit, klatschen an den dafür vorgesehenen Stellen und trinken Bier.

»Drei Fakten! Los!«, fordert Ed mich am Ende des Liedes auf.

»Radio Ga Ga war kein Nummer-eins-Hit, dafür die erste Zugabe auf Freddies letzter Tournee. Und, Trommelwirbel, Lady Gagas Name wurde davon inspiriert.« Erschöpft falle ich auf das Sofa.

Ed macht weiter Brian May mit seiner Luftgitarrendarbietung Konkurrenz. »Irgendwann müssen wir dich zu einem Musikquiz anmelden. Dann hätten wir endlich genug Kohle, um unsere Tür reparieren zu lassen«, sinniert er.

»Wir müssten nur unsere Prioritäten anders setzen. Zum Beispiel weniger Essen bestellen.«

Mein Handy piepst schwach und zeigt einen fast leeren Akku an.

Um Queen zu ehren, schalte ich das Radio an und lade mein Handy an der Steckdose neben der Kaffeemaschine. »Prioritäten hin oder her, langsam gewöhne ich mich an das Fenster.«

»Apropos Fenster. Warum bist du dem Mädchen nicht nachgerannt?«

Ich zucke mit den Schultern. »Caras Flucht hat eindeutig signalisiert, dass sie keinen Verfolger wünscht.«

Ed greift hinter sich und legt unser Tablet auf seinen Schoß. »Kennst du den Namen ihres Bistros?«

»Was hast du vor?«

»Wir finden sie. Immerhin war das dein Shirt, das sie getragen hat. Du willst das Teil sicher zurückhaben, oder? Und bei der Gelegenheit kannst du noch mit ihr quatschen.«

»Ed, manchmal hast auch du eine gute Idee.«

»Ich weiß, ich weiß. Man danke mir später. Was hat sie über ihren Laden erzählt?«

»Sie hat sich auf Lebensmittelunverträglichkeiten spezialisiert.«

Er klatscht die flache Hand gegen seine Stirn. »Sag das doch gleich. Ich weiß, wo sie arbeitet.«

»Das ist der Wahnsinn«, tönt es aus dem Radio.

Ed lacht. »Siehst du, der Moderator weiß mich zu schätzen.«

»… Powerground stattet Silver Heights endlich wieder einen Besuch ab.«

Schnell halte ich einen Finger an den Mund.

»Wer Powerground live hören möchte, bekommt bei uns die Chance dazu. Wir verlosen drei Karten …«

Mir wird heiß und kalt zugleich. »Fuck.«

Ed presst die Lippen aufeinander. »Chris wird wieder in der Stadt sein.«

»Was denkst du, habe ich gerade mit Fuck gemeint, Idiot?«

»Hey, du musst mich nicht so angehen. Ich habe dir nichts getan.«

Das Kissen neben mir zweckentfremde ich und boxe mit voller Kraft hinein. »Zwei verdammte Jahre haben sie sich von uns ferngehalten.«

»Nur weil sie hier spielen, muss das nicht bedeuten, dass ihr euch seht.«

Ich rolle mit den Augen.

Manchmal wünsche ich mir, die Beziehung zu Chris wäre langsam zu Ende gegangen, indem wir uns mit der Zeit einfach entfremdet hätten. Das hätte weniger wehgetan. Aber nein, es ist von einem auf den anderen Tag bergab gegangen. Holprig und steil, bis nichts mehr von uns übrig war.

Meine Finger verkrampfen und die Nägel bohren sich qualvoll in meine Handflächen. Das fühlt sich verdammt viel besser an, als an die Vergangenheit zu denken.

Ed fixiert mich mit finsterer Miene. »Es spielt keine Rolle, was war. Ein Grund mehr, diese Cara wiederzusehen.«

Er hat recht. Ich denke an sie und entspanne langsam. »Fährst du morgen mit mir zu ihrem Bistro?«

»Klaro. Aber nur, wenn ich ausschlafen darf.« Ed ist mit seinem Schönheitsschlaf wirklich pingelig.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken, schließe die Augen und stöhne genervt. »Dir ist schon klar, dass ich morgen eher wach sein werde als du, obwohl ich heute Abend arbeiten muss.«

»Natürlich ist mir das bewusst. Für dich stehe ich auch ein halbes Stündchen eher auf.«

»Wie großzügig.«


Die Powder Tough Girls treten heute im Pluto auf.

Ich mag den Saal. Er ist perfekt gebaut und wirft den Hall so zurück, dass ich normalerweise nicht viel am Mischpult einstellen muss.

Tobias’ neuer Helfer Patrick justiert auf einer wackeligen Leiter die letzten Scheinwerfer. »So okay?«

Ich muss schlucken, weil ich für eine Sekunde an Powergrounds letzten Auftritt denke. Dann hebe ich aber meinen Daumen und beobachte, wie die drei Sängerinnen für den Soundcheck auf die Bühne stöckeln.

Die Powder Tough Girls kenne ich nicht. Wie bei den meisten meiner Gigs bin ich durch Tobias auch an den heutigen gekommen. Allem Anschein nach muss ich Tobe nach diesem leider in den Arsch treten, denn bei dem Soundcheck stellt sich heraus, dass die Sängerinnen Stimmen haben, die mit Kreischen auf Helium vergleichbar sind. Schrill und viel zu hoch. Daran können auch meine Mischkünste nichts ändern. Außer …

»Tobe? Was würdest du sagen, wenn ich aus Versehen die Mikrolautstärke runterdrehe?«

»Dann sorge ich dafür, dass du in dem Business keinen Fuß mehr fasst«, sagt er fast schon gelangweilt. »Aber meine Ohren würden es dir danken.« Er zieht an seiner E-Zigarette und bläst mir den Dampf ins Gesicht.

Wenn ich mir um mein Einkommen keine Gedanken machen will, darf ich es mir unter keinen Umständen mit ihm verscherzen, denn Tobias hat die besten Connections in ganz Silver Heights.

»Junge, ich weiß, dass du großartig am Mischpult bist. Du zauberst heute Abend schon was aus denen.«

Patrick läuft an uns vorbei auf die Bühne zu und widmet sich den Monitorboxen, da die Damen keine Headsets leiden können. Dabei starrt er immer wieder zu einer der Sängerinnen.

»Der ist total scharf auf die kleine Blondine«, meint Tobias. »Die linke schnappe ich mir und du kannst die Rothaarige haben.« Er redet oft denselben Mist. Jeder weiß, wie treu er seiner Frau ist.

Und ich habe gerade keinen Kopf für dieses dumme Geschwätz. »Powerground kommt wieder in die Stadt«, platzt es aus mir heraus.

Wie in Trance legt er seinen Dampfer neben das Pult und schaut mich eindringlich an. »Halte dich bloß von Chris fern. Du hast gerade wieder dein Leben zurück, also bau keine Scheiße.« Er fasst sich an die Nasenwurzel. »Du bist auf einem guten Weg. Verschwende keinen Gedanken an die Vergangenheit. Such dir jemanden Nettes.«

Vielleicht habe ich diesen Jemand heute gefunden, Cara geistert unablässig durch meinen Kopf. In ihrer tollpatschigen Art schwingt ein warmer Klang mit, der meine monotone innere Welt in Aufruhr bringt. Es ist über zwei Jahre her, dass jemand so ein Durcheinander in mir ausgelöst hat.

»An wen denkst du?«, fragt Tobias geradeheraus.

Ich lächle verlegen. »An ein Mädchen, das ich kennengelernt habe. Wobei kennengelernt wohl übertrieben ist. Unser Treffen hat damit geendet, dass sie aus dem Fenster geflüchtet ist.«

Mit dir oder ohne dich

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