Читать книгу Mit dir oder ohne dich - Kristin Ullmann - Страница 8

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»Hat er deine Nachricht immer noch nicht gelesen?« Emilia wischt nach Geschäftsschluss über die runde Tischplatte und setzt sich dann zu mir.

Fragend blicke ich sie an.

»Du starrst schon wieder auf dein Handy.«

Ich stelle fest, dass ich tatsächlich in Gedanken versunken das schwarze Display angestiert habe. »Mal ehrlich. Wer gibt seine Nummer her, um dann einfach Nachrichten zu ignorieren? Drei ganze Tage lang.« Angesäuert schiebe ich meinen Stuhl zurück und mache Ordnung hinter der Theke, wobei ich fast ein paar Teller zerdeppere, weil ich so hektisch agiere. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist stark beeinträchtigt, denn die letzten Nächte waren unruhig. Ich habe mich im Bett umhergewälzt und dabei immer wieder mein Handy auf eine neue Nachricht überprüft.

Mein Kater fand es gar nicht lustig, dass ihn ständig das künstliche Licht aufgeweckt hat. Ich könnte schwören, Ed hat mir mit ausgefahrenen Krallen gedroht. Bestimmt besitze ich wohl den einzigen Kater, der alles andere als nachtaktiv ist. Irgendwann ist er sogar unter meine Decke gekrochen und das bei gefühlt dreißig Grad.

Für Anfang Juli war es in den vergangenen Tagen ungewöhnlich heiß. Hätten wir im Bistro keine Klimaanlage, hätte ich schon längst das Handtuch geworfen.

Emilia schlendert, sich mit einer Speisekarte Luft zufächelnd, in Richtung Küche und kommt mit ihrer Handtasche zurück. »Schaffst du den Rest alleine, Süße?«

»Klar, mach Schluss für heute. Und viel Spaß nachher.«

»Ich bin so eine schlechte beste Freundin. Aus Solidarität dürfte ich gar nicht zu einem Date gehen.«

»Wie oft soll ich es noch sagen? Das mit Adam war ein Kennenlernen, kein Date. Ich hatte gehofft, mich zumindest mit ihm anzufreunden.«

»Und das würde dir so guttun. Natürlich nur auf Kumpelbasis.« Ihr schelmisches Augenzwinkern deutet da etwas ganz anderes an.

Kopfschüttelnd gebe ich ihr einen Knuff in die Seite. »Du, meine Liebe, genießt jetzt den Abend. Und beeil dich, zu Date Nummer drei solltest du auf keinen Fall zu spät kommen.« Ich wackle vielsagend mit den Augenbrauen.

»Was denkst du nur von mir? Ich bin doch nicht so eine«, meint sie in gespielt verletztem Ton und drückt empört die Hand auf ihre Brust.

Sie wendet mir elegant den Rücken zu und flaniert aus dem Bistro. Ihr theatralischer Abgang wird perfekt von dem Läuten der alten Ladenglocke abgerundet.

»Bye, Dramaqueen!«, rufe ich ihr hinterher.

Sie winkt, ohne sich noch einmal umzudrehen, und die Tür fällt leise hinter ihr zu.

Das hat sie bestimmt auch in einem ihrer Kurse gelernt. Emilia studiert Theaterwissenschaften an der University of Pittsburgh, was mein großes Glück ist. So hat sie noch Zeit für den Job im C-Up. Bisher teilt sie sich ihre Schichten frei ein, ist aber meistens den halben Tag im Bistro, um zu helfen. Wenn wenig los ist, kann sie alleine die Stellung halten, während ich mich um die Buchhaltung kümmere. Ich weiß gar nicht, was ich tun soll, sobald sie feste Engagements bekommt.

Da heute ungewöhnlich viel los war, muss ich mich nach Feierabend an die Zahlen machen. Also setze ich mich ins Büro, werte die Kasseneinnahmen aus und übertrage sie in eine Tabelle.

Dabei lasse ich mich allerdings immer wieder von meinem Handy ablenken. Zu meiner Verteidigung: Es starrt mich an und nicht umgekehrt. Ich höre es förmlich nach mir rufen.

Schließlich scrolle ich mich doch durch die sozialen Medien, vielleicht finde ich ihn dort.

Nach einiger Zeit gebe ich mein Stalking auf. Keine der großen Social-Media-Plattformen kennt einen Adam Vox. Zugegebenermaßen bin ich eine Niete, was das Nachspionieren von Personen angeht. Das ist eher Ems Spezialgebiet. Ich bereue, dass ich ihr Stalkingverbot in Sachen Adam erteilt habe, weil ich ihn unvoreingenommen kennenlernen will.

Einmal hat mich ein Kunde angeflirtet und nur wenige Minuten später hatte Em eine Präsentation seiner Onlineprofile parat. Sie war ganz angetan von ihm, bis sie ihn auf einer zwielichtigen Datingplattform entdeckt hat. Danach hat sie endlich aufgehört, ihn mir schmackhaft zu machen.

Ich bewundere ihr Ausdauervermögen, wenn es darum geht, mich mit Typen zu verkuppeln. Ab und zu kommen ganz zufällig Jungs im C-Up vorbei, von denen ich zuvor noch nie gehört habe. Sobald Emilia mich ihnen nahezu anpreist, weiß ich sofort, was Sache ist. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem ich Reißaus nehme, und ich schleiche erst wieder aus der Küche, wenn ich ganz sicher bin, dass die Fremden weg sind.

Weil ich bisher nur mit einem Jungen Sex hatte, als ich siebzehn war, meine erste und einzige Beziehung, schlägt Em mir immer wieder vor, mich auf einen One-Night-Stand einzulassen – zum Entspannen und Genießen.

Aber ich werde ganz sicher nicht meine Kontrolle an Fremde abgeben, zumal ich mir wünsche, dass das nächste Mal mit jemandem passiert, zu dem ich eine Verbindung habe.

Oft vergesse ich sogar, dass ich mich schon einmal auf jemanden eingelassen habe. Ich bin auch nicht prüde, was das Thema Sex angeht. Gerne lese ich Romane, in denen es ordentlich zur Sache geht, und ich schäme mich nicht, mit anderen Leuten über Sex zu reden.

Das Problem, warum ich keine feste Beziehung führen möchte, ist mein Mangel an Zeit. Nur sonntags habe ich einen freien Tag, den ich alle zwei Wochen bei meinen Eltern verbringe. Manchmal vermisse ich meinen langweiligen Bürojob.

Der Haushalt will auch irgendwann geschmissen werden und mein Stubentiger braucht besonders viele Streicheleinheiten.

Aber statt gerade meinen Kater zu verwöhnen, sitze ich auch heute nach Feierabend in einem leeren Lokal und addiere Einnahmen, was beachtlich viele sind, wie ich feststelle.

Nach getaner Arbeit lege ich Kassenbuch und Belege in die Schreibtischschublade und sperre den Laden ab.

Wieder eine Nacht, in der es kaum abkühlt. Der Spaziergang zu meiner Wohnung tut trotzdem gut, frische Luft strömt in meine Lungen.

Der Weg wird mir neben den Straßenlaternen zusätzlich von der schmalen Mondsichel und dem funkelnden Sternenhimmel beleuchtet. In Silver Heights ist der Himmel oft klar und bietet einen atemberaubenden Anblick. Neben der kaum existierenden Kriminalitätsrate ein Grund mehr, warum ich nie in einer Großstadt wie Philly oder Pittsburgh leben möchte.

Ich bleibe kurz stehen, um in die Sterne zu sehen.

Es sind Augenblicke wie dieser, die in mir den Wunsch nach einer Person an meiner Seite wecken. Nach jemandem, mit dem ich diesen Anblick teilen könnte. Jemandem, der meine Hand nehmen und mit mir unter den Sternen spazieren gehen würde.

Aber ich bin ganz alleine.

Ich schüttele die sehnsüchtigen Gedanken von mir und führe meinen Weg fort.


Nach einer halben Stunde ist mein Zuhause endlich in Sicht.

In der Straße, in der ich wohne, leben fast nur alte Leute. Die Nachbarschaft ist freundlich und aufmerksam. Jedoch gehen um Punkt halb acht die Lichter aus, was die Häuser friedlich, aber vereinsamt wirken lässt.

Während ich in meiner Tasche nach dem Haustürschlüssel krame, tigert mein Kater ungeduldig auf der Fensterbank auf und ab.

Ich wohne in einer angebauten Haushälfte, die lediglich aus einem Erdgeschoss besteht. Die Gründe, warum ich mich damals für diese Wohnung entschieden habe, waren nicht nur die ruhige Gegend und der kurze Weg zum C-Up. Ems Oma hat sie mir vermittelt und die Miete ist erschwinglich.

Das Wohnzimmer punktet mit zwei Erkern, die riesige Sitzbänke haben. Es gibt nichts Schöneres, als sich an einem freien Tag darauf einzumummeln und die Stirn an der Scheibe zu kühlen, während man ein romantisches Buch mit heißen Szenen verschlingt.

Gestern war so ein Tag, jedoch bin ich beim Lesen eingeschlafen, weil auch die Nacht davor vom Herumwälzen beherrscht wurde. Ed hat auf meinem Schoß gelegen und dort ebenfalls ein Nickerchen gemacht.

Jetzt wuselt er mir aufgeregt zwischen den Füßen umher – und das nicht, weil er sich freut, mich wiederzusehen. Nein. Okay, vielleicht ein bisschen. Aber zum Großteil liegt es daran, dass er schon sehnsüchtig auf seine Vitaminpaste wartet.

Gehorsam, wie er mich erzogen hat, halte ich ihm die Tube hin und er schnurrt genüsslich.

Nachdem mein rothaariger Freund auch noch sein Abendfutter bekommen hat, schmeiße ich mich aufs Sofa.

Meine taupefarbige Couch war teuer, aber die Investition hat sich gelohnt. Adieu, Rückenschmerzen, die ich ihrem Vorgänger zu verdanken hatte.

Ich wäge ab, ob sich ein Blick ins Fernsehprogramm überhaupt lohnt. Eigentlich bin ich hundemüde und muss in knapp fünf Stunden wieder aufstehen. Trotzdem entscheide ich mich für zumindest den Anfang einer Folge Supernatural.

Gerade als ich es mir gemütlich gemacht habe, erregt das penetrante Vibrieren meines Handys meine Aufmerksamkeit. Ich renne zur Küchenzeile, wo ich es liegen lassen habe.

Ein flüchtiger Blick genügt, um zu erkennen, dass es nur Emilia ist, die mir zwanzigtausendmal den Smiley mit weit aufgerissenen Augen und Auberginen-Emojis geschickt hat.

Darauf antworte ich mit einem Zwinkersmiley und einem Daumen nach oben. Wenigstens hat eine von uns ihren Spaß.

Wenn ich gerade schon in der Nachrichten-App bin, überprüfe ich noch einmal die zwei blauen Häkchen unter meiner Nachricht an Adam, die seit zwei Tagen ganz alleine und verlassen in dem Chatfenster steht. Hey, hier ist Cara. Danke für den tollen Nachmittag gestern.

Idiot.

Vielleicht ist er eingeschnappt, weil ich mich nicht direkt nach dem Ausflug bei ihm gemeldet habe. Aber ich wollte keinesfalls anhänglich rüberkommen und habe auf Ems Anweisung hin einen Tag gewartet. Und das habe ich jetzt wahrscheinlich davon.

Oder er fand den Ausflug mit mir schrecklich. Was, wenn das der Grund …

Mit einem kurzen Vibrieren kündigt sich eine weitere Nachricht an, die überraschenderweise nicht von Em ist. Es ist der Chat, der gerade geöffnet ist. Adams.

Hi Cara, zu einem tollen Tag passt doch auch eine tolle Nacht, oder?

Was zum Teufel?

Das Handy meldet sich wieder. Hier wartet jemand sehnsüchtig auf dich.

Was. Zum. Teufel?!

Mir wird ein Bild gesendet, das ich am liebsten aus meinem Gedächtnis reißen und verbrennen würde.


»Ein Dickpic?« Emilia bricht in schallendes Gelächter aus. »Zeig mal.«

»Vergiss es. Ich habe gestern sofort den ganzen Chat gelöscht und die Nummer blockiert. Was für ein Creep schickt sein Ding einmal quer durchs Internet?«, flüstere ich scharf.

Achselzuckend reicht Em einem frühen Kunden seine Bestellung und dreht sich wieder zu mir. »Erstens muss es nicht zwingend sein eigenes Ding gewesen sein und zweitens tut mir sein Freund leid. Ich dachte wirklich, Adam besäße Klasse.« Dann folgt sie mir in die Küche.

Ich drücke ihr ein Tablett mit vorbereiteten Bagels für die Kühltheke in die Hand. »Kann es sein, dass er mich loswerden wollte? Jetzt muss er mir wenigstens nicht auf die mitleidige Art und Weise sagen, dass ich ihm zu langweilig bin und er keine Freundschaft will.«

Sie hält die Schwingtür mit dem Fuß auf. »Glaube ich nicht.«

Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Ach ja?! Warum bist du dir da so sicher?«

»Weil er vorne ist«, sagt sie trocken. »Soll ich ihn für dich zur Schnecke machen?«

Am liebsten würde ich bejahen und mich verstecken. Aber ich bin so unglaublich sauer auf ihn, dass ich selbst mit ihm reden möchte. Also schüttle ich den Kopf und Em verschwindet seufzend im Gastraum.

Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist halb sechs. Früh. Anscheinend ist das eine gute Uhrzeit für Perverslinge, die ihren Partner betrügen.

Ich beherrsche mich, nicht noch einmal ins Büro zu gehen und meine Frisur zu überprüfen. Nein, nicht für so einen schmutzigen Typen. Stattdessen atme ich tief durch, schlucke die Wut hinunter, um ihm nicht gleich eine Szene zu machen, und tapse nach vorne.

»Das wird wohl zur Gewohnheit.« Er grinst mich an.

Ich bemühe mich, gestern in den Hintergrund zu drängen. Doch mein Herz gerät gefährlich ins Stolpern. Wenn ich nicht aufpasse, purzelt es mir noch aus meiner Brust und wirft sich ihm sofort in die Arme.

»Guten Morgen, Cara.«

»Guten Morgen«, sage ich, während ich so tue, als würde die Anordnung der Sandwiches in der Verkaufstheke meine volle Aufmerksamkeit benötigen. »Was wird zur Gewohnheit?«

»Dass dich Emilia aus der Küche lotsen muss.«

»Musste sie nicht. Die Bedienung der Kunden ist schließlich mein Job.« Kurz schiele ich zu ihm.

Seine grünen Augen sind mit verblasstem Eyeliner umrandet und Augenringe deuten sich an. Die Haare sind leicht durcheinander und die Klamotten haben Sitzfalten.

»Lange Nacht?« Eigentlich will ich ihn noch fragen, ob er dieses Bild an mehrere Leute verschickt und sich einer seiner erbarmt hat, doch das traue ich mich nicht.

»Arbeit«, meint er trocken.

Erleichterung macht sich in mir breit und Mitleid verdrängt die immer noch unterschwellig bebende Wut in mir. »Kaffee?«

»Gerne.«

Auf der Kaffeemaschine drücke ich den Knopf für einen Espresso und danach den für einen Cappuccino. »Geheimrezept.« Ich stelle ihm das Getränk vor die Nase.

»Danke. Ich setze mich kurz.«

»Mach, was du möchtest. Noch sind alle drei Tische frei.«

Mit schlaffen Schultern schlendert er zu einem Platz am Fenster.

Emilia schleicht zu mir und wir drehen ihm unauffällig den Rücken zu. Sie presst die Lippen aufeinander. »Es tut ja richtig weh, euch zuzuhören.«

Wütend schneide ich einen Apfel in Scheiben. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ihn direkt auf gestern ansprechen und danach reden wir übers Wetter und was dann?«

»Dann würde ich dich fragen, ob du noch einmal mit mir ausgehst«, höre ich Adam gefährlich nahe sagen.

Wir fahren erschrocken herum. Dabei fallen mir Apfel und Messer aus der Hand.

Er lehnt sich über die Theke und hält sich einen Finger vor den Mund. »Das C-Up ist ein kleiner Laden und es ist ziemlich ruhig. Selbst da vorne«, er deutet auf den Tisch neben der Eingangstür, »kann man jedes Wort verstehen, das ihr hier sprecht.«

Ertappt zwinge ich mich zu lächeln.

»Sprecht euch aus«, kommandiert Em. Sie hebt Apfel und Messer vom Boden auf, bevor sie mich um die Theke schiebt.

»Reden wir.« Adam setzt sich wieder zu seinem Kaffee und nimmt einen Schluck. Mit dem Handrücken wischt er sich den Milchbart ab. »Was meintest du damit, dass du mich auf gestern ansprechen willst?«

Ich schnaube. »Das Bild?«

Er legt den Kopf schief wie ein Welpe, der keine Ahnung hat, was er verbrochen hat.

»Schau nicht so. Ich bin definitiv keine, die Dickpics von Leuten sehen möchte, die sie gerade erst kennengelernt hat.«

Adam, der gerade die Tasse von seinem Mund wegführt, bemüht sich ganz offensichtlich, erst zu schlucken, bevor er lacht. »Was? Ich meine, es ist schön zu wissen, dass du nicht eine von denen bist. Aber über was für ein Bild sprechen wir?«

»Jetzt tu doch nicht so.«

Er deutet schockiert auf sich. »Ich soll … Moment. Was? Du denkst, ich hätte –«

Entweder Adam ist ein richtig guter Schauspieler oder … Eilig krame ich mein Handy hervor und rufe seinen Kontakt auf, den er vor wenigen Tagen dort abgespeichert hat. »Ist das deine Nummer?«

Er mustert den Eintrag und ringt plötzlich ganz deutlich um Beherrschung. »Gott, das tut mir so leid. In der Nummer ist ein Zahlendreher drin … Und ich warte daheim wie ein Blöder auf eine Nachricht von dir. Gib mir bitte dein Handy, ich muss meinen Fehler korrigieren.«

Mit weit aufgerissenen Augen schaue ich ihn an. Diese ganze Sache war nur ein … Missverständnis.

Wie konnte ich nur einen Moment denken, dass dieser humorvolle, aufgeschlossene, nette Mensch ein unverschämter Perversling ist? Ein schlechtes Gewissen steigt in mir auf, aber ich schüttele es ab.

Immer noch ungläubig, was da gerade passiert ist, reiche ich ihm das Telefon. »Das kann man nicht einfach korrigieren. Ich habe etwas sehr Verstörendes gesehen und frage mich viel zu oft, ob so eine Form überhaupt möglich ist.« Obwohl ich mich bemühe, ernst zu bleiben, kann ich mein Lachen nur kurz hinunterschlucken, bevor es mit voller Gewalt aus mir herausbricht.

Er stimmt ein und zusammen lachen wir Tränen.

»Ehrlich, Adam. Das war ein echt unglücklicher Fehler«, tadele ich ihn, sobald wir wieder normal atmen.

Er gibt mir mein Handy zurück. »Schau nicht so streng. Du hast mich abgelenkt, als ich die Nummer gespeichert habe.«

Abwehrend hebe ich die Hände. »Wie soll ich dich abgelenkt haben? Ich stand doch nur da.«

Er murmelt etwas, das klingt wie: »Und das reicht auch schon …« Was auch immer es war, es geht in seinem nächsten Kaffeeschluck unter. »Lass es mich heute Abend wiedergutmachen«, sagt er und legt den Kopf schief.

Ich möchte gerne ja schreien, ein Stechen in meinem Magen erinnert mich allerdings daran, dass das zwischen uns langsam komisch wird.

Er ist in einer Beziehung, da sollte er sich nicht so oft in wenigen Tagen mit jemand anderem treffen. Das würde das Freunde-Level übersteigen, obwohl wir das noch nicht einmal erreicht haben.

»Ed hat damit auch kein Problem?«, frage ich.

»Quatsch, er muss mich nicht dauernd um sich haben«, erwidert er mit einem leichten Schulterzucken.

Wie lange sind die beiden schon zusammen, dass es anscheinend für ihn normal ist, oft etwas ohne seinen Partner zu unternehmen? Oder hat Ed selbst etwas ohne Adam vor? Vielleicht ist ihm deswegen langweilig und ich muss als Lückenfüller –

»Cara?«, unterbricht Adam mein Gedankenkarussell.

Ich beiße mir auf die Zunge, damit kein Unsinn aus meinem Mund hervorkommt. »Mhh?«

»Wenn du dir solche Sorgen um Ed machst, können wir ihn natürlich mitnehmen. Es ist zwar etwas schräg, aber wir werden ihm irgendwie das Gefühl geben, dass er nicht das fünfte Rad am Wagen ist.«

Wow. Wenn jemand das überflüssige Rad wäre, dann doch eher ich.

Emilia platzt dazwischen und stellt zwei Teller mit Marmorkuchen vor uns ab. »Geschenk des Hauses.«

»Echt jetzt, Em? Ich bin das Haus.« Trotz meines Protestes nehme ich einen Bissen davon, damit mein Mund mit etwas anderem als Reden beschäftigt ist.

Nach einer filmreifen Drehung geht sie wieder hinter die Theke.

Adam kostet von dem Kuchen. »Schmeckt gut. Anders, aber gut.«

»Liegt am Buchweizenmehl und dem Getreidezucker«, erwidere ich automatisch. »Buchweizen, um den Teig glutenfrei zu halten, und Getreidezucker, der ebenfalls glutenfrei ist, als Ersatz für den Haushaltszucker, der zur Hälfte aus Fructose besteht.« Bevor ich weiterplappere, schiebe ich mir ein großes Stück Kuchen in den Mund.

»Ich mag es, wenn du über Essen sprichst«, sagt er mit einem aufrichtigen Grinsen und verdrückt still die letzten Krümel. »Wir könnten ins Kino. Da läuft dieser Film mit Channing –«

»Das halte ich für keine gute Idee.« Ich lege die Gabel laut klappernd auf den Teller.

»Was ist los?«, fragt er mich direkt. »Ich dachte, wir verstehen uns gut.«

»Irgendwie finde ich es komisch, dass du lieber mit mir ins Kino gehen willst als mit deinem festen Freund.«

Seine Augen weiten sich und er setzt sich aufrechter. »Meinem … Was?«

»Ed?«

»Ed? Oh.« Adam steht auf, rauft sich die Haare und schüttelt den Kopf wild, ehe er sich wieder setzt. »Cara. Ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden. Ed ist nicht mein fester Freund. Er ist nur mein bester Freund und Mitbewohner. Was um alles in der Welt hat dich glauben lassen, dass er und ich …« Adam schüttelt weiter ungläubig den Kopf.

Einen Moment lang bin ich völlig sprachlos. »Er hat dich Liebling genannt, als er nach Hause gekommen ist?« Ich runzle verunsichert die Stirn.

Plötzlich taucht Emilia wieder bei uns auf. Ich sehe ihr an, wie sehr sie sich auf die Zunge beißt, um nichts zu sagen. Hastig nimmt sie die Teller und verschwindet.

Ich fixiere wieder Adam.

»Du hast die ganze Zeit über geglaubt, ich wäre in einer Beziehung, und das obwohl wir vor wenigen Tagen ein Date hatten?«

Meine Wangen werden heiß und ich kann ihm nicht mehr in die Augen sehen. »Na ja. Ich dachte, es wäre nur ein Kennenlernen unter Freunden. Kein Date.«

»Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich so falsche Signale sende.« Er stützt seine Ellbogen auf den Tisch und faltet die Hände. »Du bist mir seit unserem Zusammenstoß nicht mehr aus dem Kopf gegangen - und ich habe nicht auf die unschuldige, platonische Art an dich gedacht.«

Überfordert stehe ich auf, stolpere hinter die Theke und fange an, wild Obst zu schnippeln. Als mir die Früchte ausgehen, arrangiere ich die Sandwichauslage neu. Schon wieder.

Das kann doch wohl nicht wahr sein. Mir ist unwohl bei der Sache, denn ich habe mich nur auf den Nachmittag eingelassen, weil ich mir sicher war, dass er kein Interesse an mir hat.

Die Türglocke reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe zum Eingang.

Kurz glaube ich, dass Adam gegangen ist. Doch er sitzt noch an dem Tisch, an dem ich ihn ohne ein Wort zurückgelassen habe.

Ein Stammkunde kommt auf mich zu und ich reiche ihm das Übliche.

Danach bleibt mein Blick an Adam hängen, zu dem sich plötzlich Em gesellt.

Oh nein. Das ist gar nicht gut. Doch wie bei einem Unfall kann ich nicht wegsehen.

Ich versuche zu verstehen, was sie ihm sagt, aber sie spricht zu leise. Dann deutet sie auf mich, ohne mich dabei anzuschauen, und ich höre meinen Namen.

Herr, öffne einen Spalt im Boden und lass mich darin versinken. Stopp. Nicht hier im Bistro. Draußen auf der Straße. Bitte …

Emilia geht an mir vorbei direkt in die Küche.

Neben mir räuspert sich Adam. Er reicht mir seine Hand.

Verdutzt starre ich sie an.

Er nimmt meine in seine und schüttelt sie. »Hallo, ich bin Adam. Du scheinst eine sehr interessante Person zu sein und ich würde dich gerne auf ein Date einladen.«

Versteinert lasse ich ihn meine Hand weiter halten, während sein Blick mich fesselt.

Wie aus Katzenaugen blinzelt er mich an und verwandeln meine Knie in Pudding.

»Nein«, sage ich.

Seine Augenlider zucken. »Nein?«

»Nein.«

Seine Handfläche ist schwitzig, sein Druck jedoch angenehm.

Ein Ziehen wandert von meinem Bauch in tiefere Regionen und ich wünsche mir, dass er mich mit seinen Fingern an ganz anderen Stellen berührt. Als mir mein Begehren bewusst wird, winde ich mich schnell aus seinem Griff. »Nein.«

»Nein?«, wiederholt er.

»Nein. Ich meine … es liegt nicht daran, dass ich nicht Interesse hätte, dich richtig kennenzulernen. Aber das wäre dir gegenüber nicht fair und nur verschwendete Zeit.«

»Das musst du mir jetzt erklären.« Er lehnt sich über die Theke.

Automatisch weiche ich einen Schritt zurück. »Ich habe kaum freie Tage. Das hier«, ich hebe die Arme und schaue mich im C-Up um, »braucht meine volle Aufmerksamkeit. Da bleibt kein Platz für …«

»Kein Platz für eine Beziehung«, sagt Adam mit klarer Stimme. »Lass uns doch erst einmal auf ein zweites Date gehen. Wir müssen nichts überstürzen.«

Sofort ist mir meine ganze Reaktion peinlich. Was ist nur los mit mir?

»Aber wenn du es überstürzen willst, bin ich dabei.« Seine Mundwinkel heben sich und breiten sich zu einem Grinsen aus.

In mir überwiegt die Neugierde auf diesen Mann. »Okay. Ein zweites Kennenlerntreffen.«

»Ein Kennenlerntreffen? Hast du das Wort gerade erfunden?«

»Vielleicht.« Ich nähere mich ihm wieder. »Aber wir sollten uns für einen anderen Tag verabreden. Heute bin ich dafür zu k. o.«

Er sieht auf die Wanduhr hinter mir. »Es ist noch nicht einmal acht Uhr morgens und du weißt schon jetzt, dass du heute Abend keine Lust hast?«

Ich nicke. »Ganz genau so ist es.« Er braucht schließlich nicht zu wissen, dass ich die letzten Nächte seinetwegen wach gelegen habe. Heute früh bin ich im Zombiemodus ins C-Up geschlendert und bin sogar über eine rote Fußgängerampel gelaufen. Ich benötige dringend eine ordentliche Portion Schlaf.

»Dann kann ich dich leider erst übermorgen auf das Kennenlerntreffen einladen. Morgen muss ich zu einem Gig.«

Zwei Nächte, um mich zu erholen und mich mental auf ihn vorzubereiten, reichen. »Gut, also sehen wir uns am Donnerstag.«

»Ich schreibe dir, wann genau wir uns treffen, und verspreche, dir keine Bilder zu schicken. Bis dann.« Adam zwinkert mir zu und verlässt das Bistro.

Moment. Wie kann er mir schreiben, wenn er meine Nummer nicht hat?

Gerade will ich ihm hinterherlaufen, doch das Vibrieren meines Handys stoppt mich. Ich krame es aus der Tasche und auf dem Display erscheint das Selfie, das Adam an Em geschickt hat. »Hallo?«, melde ich mich.

»Ich bin’s. Noch mal. Also … Hier ist Adam. Ich wollte dir nur sagen, dass ich mir deine Nummer geklaut habe.« Dann legt er auf.

Verwundert öffne ich meine Anrufliste.

Als er vorhin seinen Kontakt korrigiert hat, hat er sich selbst angeklingelt. Da hat er sich doch tatsächlich meine Nummer stibitzt.

Mit dir oder ohne dich

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