Читать книгу Mit dir oder ohne dich - Kristin Ullmann - Страница 9

Оглавление

Ich seufze schläfrig, während ich mir Sträucher aus dem Gesicht halte.

Ed ist auf die glorreiche Idee gekommen, einen Flaschengarten anzulegen, und hat mich nach dem Aufstehen direkt in sein Auto verfrachtet. Dann sind wir zum Gartencenter seiner Eltern gefahren. Meinen Widerspruch hat er geflissentlich ignoriert und mir immer wieder vorgehalten, dass ich ihn neulich aus dem Wagen geschmissen habe, um Cara alleine zu treffen. Er ist deswegen beleidigt und ich bin es, weil er mit Chris telefoniert hat.

»Du hast es nicht verdient, dass ich mit dir hier bin«, murmle ich angesäuert.

»Es war nur ein Telefonat«, erwidert Ed und begutachtet ein buntes Kraut. »Was hältst du von einer Tradescantia? Das würde einen schönen Farbton in den Sphagnum bringen.«

»Das alles klingt nach Krankheiten. Es ist dein Projekt, warum bin ich eigentlich hier?« Genervt schiebe ich den immer noch leeren Wagen durch den zehnten Gang.

»Alleine macht es keinen Spaß und einer muss ja die Blumenerde schleppen.«

»Weißt du, wer dir dabei helfen könnte?« Ich hebe drohend eine Augenbraue. »Chris.«

Ed zieht scharf die Luft ein. »Würdest du bitte aufhören zu schmollen? Wir haben nur telefoniert. Auch wir waren vor dem ganzen Shit befreundet.«

Ich rolle den Einkaufswagen vor seine Füße. Sein Blumenshopping, sein Wagen. »Muss ich dich an den Brocode erinnern? Außerdem warst du derjenige, der mich aus dem Trennungstief geholt hat.«

Endlich entscheidet er sich für die erste Pflanze.

Ist das eine Orchidee oder eine Tulpe? Gott, Blumen sind echt nicht mein Ding.

»Das werde ich auch nie vergessen. Allerdings sind ein paar Jahre vergangen und ich möchte kein böses Blut.«

Das sagt er so einfach. Ich kann nicht vergessen, wie Chris mich zurückgelassen hat, als ich ein Wrack war. Wären Tobe und Ed nicht gewesen, wäre ich heute vielleicht gar nicht mehr hier. Das erinnert mich wieder daran, dass ich den Moment genießen und für jeden Tag dankbar sein sollte – auch wenn ich ihn zwischen Tausenden Grünpflanzen verbringe.

Ich schließe die Augen, atme durch und übernehme dann wieder den Einkaufswagen. »Wir sind jetzt schon über eine Stunde hier. Nimm was von dem bunten Zeug, das du gerade in der Hand hattest, und ich besorg die Erde. Währenddessen überlegst du dir, was du noch haben möchtest. Deal?«

»Deal.«


Nach einer gefühlten Ewigkeit ist Ed glücklicher Besitzer von zwanzig Pflanzen, für die er keinen Penny ausgeben musste. Gerade versuchen wir, die Blumenerde dafür durch das Fenster in unsere Wohnung zu hieven.

»Mann, wir brauchen echt dringend Geld für das neue Schloss.« Er stöhnt, als er sich bemüht, mir die schwere Erde entgegenzudrücken.

Ich lehne mich aus dem Fenster, so weit es geht, und ziehe an ihr. »Wir hätten ja auch den kleineren Pack nehmen können.«

»Hätten wir nicht. Ich muss vier Flaschen damit vollbekommen. Und wenn ich schon mal dabei bin«, Ed schwankt gefährlich auf der Trittleiter, »kann ich ein oder zwei andere Pflanzen umtopfen.«

»Ich hoffe, du machst die Sauerei dann auch wieder weg.« Wie schwer kann eigentlich Blumenerde sein? »Du musst deine Arme strecken, sonst reißt der Sack auf, Ed!«

Neben ihm taucht Peter auf, der uns höchst interessiert zuschaut. »Jungs, ihr solltet echt dringend euer Türschloss in Ordnung bringen.«

Ed grinst ihn an. »Was du nicht sagst, alter Mann.«

»Hättest doch in der Schule den Sportunterricht nicht schwänzen sollen, was, Eddie?« Peter zwirbelt seinen Schnauzer zurecht und schaut zu mir hoch. »Brauchst du Hilfe, Adam?«

»Klar. Du kannst Ed huckepack nehmen, vielleicht schaffen wir es dann.«

»Wie witzig, ihr zwei.« Mein bester Freund lässt entmutigt die Erde auf den Boden plumpsen.

»Ach Ed, meine Jungfrau in Nöten. Der alte Sack von nebenan macht das schon.« Peter schultert die Erde, geht die drei Stufen der Leiter hoch und reicht sie mir.

»Danke, Mann.« Ich schüttele Peter die Hand. »Du kannst gerne mal wieder auf ein Bierchen vorbeischauen. Wir erzählen auch deiner Frau nichts davon.«

»Mit Vergnügen. Aber erst, wenn ich wieder die Tür benutzen kann, wie es normale Menschen tun. Durch das Fenster komme ich zwar hoch, nach unten bräuchte ich allerdings einen Lastenaufzug.«

»Dafür wärst du immer noch viel zu schwer, Peter.« Ed zwinkert unserem Nachbarn zu. »Trotzdem danke.«

»Immer gerne, Jungs. Man sieht sich.«

»Grüß Trudy von uns«, rufe ich ihm hinterher und grinse meinen besten Kumpel an. »Komm, Jungfrau in Nöten.«

Ed schnaubt, krabbelt dann aber durchs Fenster herein. »Haben wir alles?«

»Fragst gerade du. Du warst als Letzter am Auto.« Ich mache den Kühlschrank auf und nehme mir eine Limo heraus. Unaufgefordert reiche ich Ed eine Coke.

»Danke.«

Ich leere die Flasche in wenigen Zügen und betrachte Eds Einkauf, der quer in der Wohnung verteilt steht. »Kümmere du dich um das Chaos, ich hole uns was zu essen. Ich habe Kohldampf.« Dann nehme ich den Schlüssel, den ich gerade erst an den Haken gehängt habe.

»Perfekt! Ich falle auch schon vom Fleisch.«

Dazu fehlt tatsächlich nicht viel. Er ist schon seit Kindertagen ein Spargeltarzan.

Am Renault angekommen stelle ich fest, dass Ed ihn nicht an die Ladestation angesteckt hat. Wenn ich mich nicht regelmäßig um das Laden kümmern würde, kämen wir keine zwei Meilen weit. Sein Glück, dass der Reststrom noch bis zu meinem Ziel und wieder zurück reicht.

Ich fahre durch die ruhigen Straßen von Silver Heights und verwandle mich in den vierten Jonas Brother. I’m a sucker for you.

Plötzlich spukt mir Cara durch den Kopf. Ich habe eine Schwäche für dich … Oh, ja. Die habe ich. Einen Narren habe ich an ihr gefressen. Wenn ich ehrlich bin, dann nicht nur einen, sondern einen ganzen Clownszirkus. Ihre Augen mit den Goldsprenkeln – hypnotisierend. Ihre Grübchen – zum Verlieben. Ihre Rundungen – begehrenswert.

Fuck. Sollte ich nicht aufhören, sie mir auf diese Weise vorzustellen, muss ich selbst Hand anlegen. Ich möchte aber auf keinen Fall den Gedanken an sie auf so eine Art beschmutzen.

Ein Jonas Brother, zwei Jonas Brothers, drei Jonas Brothers. Nick, Joe und Kevin. Nicholas, Joseph, Paul Kevin. Gibt es nicht auch noch einen Bonus-Jonas? Frank oder so?

Jonas-Brothers-Zählen hilft mir tatsächlich, mich abzulenken und einen kühlen Kopf zu bewahren. Ohne Musik würde ich viel zu oft durchdrehen und mich während der Stille in meinem Gedankenkarussell verlieren. Spontan rufe ich Tobe an, weil mir gerade eine Idee gekommen ist.

Als ich vor seinem Haus halte, wartet er bereits auf mich.

»Was war denn so dringend?« Er hält mir die Faust hin und ich schlage ein.

»Du hast doch neulich erzählt, dass du paar Boxen loswerden willst. Die würde ich dir jetzt abnehmen.«

»Und das konntest du nicht schon am Telefon sagen?«

»Du weißt, dass ich nicht gerne über die blöde Freisprechanlage rede.«

Tobe führt mich zu seiner Garage und öffnet das klappernde Tor. »Grölt bei jedem Lied mit, hat aber kein gutes Gefühl bei der Freisprechanlage. Adam«, er klopft mir auf die Schulter, »manchmal bist du echt seltsam.«

»Seltsam ist gut, hat dir das noch keiner gesagt?«

Er schnaubt amüsiert, bückt sich mit einem lauten Keuchen und hebt einen Lautsprecher in die Höhe. »Das war ein sehr kluger Mann, der dir diese Weisheit mit auf den Weg gegeben hat.« Er zwinkert mir zu.

Niemals werde ich vergessen, wie Chris mich Tobe vorgestellt hat. »Das ist Adam, er ist ein wenig seltsam, aber einer von den Guten.«

Tobe hat mich genau gemustert, mir dann die Hand gereicht und gemeint, dass gute Menschen immer ein wenig seltsam sind. Ich kann mich heute noch an seinen warmen Händedruck erinnern und doch fühlt es sich so an, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen.

Ganz selbstverständlich legt Tobe einen Lautsprecher in den Renault und klappt die Rückbank um, damit auch der zweite hineinpasst.

»Danke. Verrechne die Boxen mit meinem nächsten Auftrag.«

»Kleiner, solange du mir versprichst, dass sie an einen guten Ort kommen, will ich keinen Penny dafür sehen.«

»Ich kann dir versichern, sie werden an ihrem neuen Platz bestens aufgehoben sein.«

»Das Mädchen?«, fragt er, lehnt sich zu mir an den geschlossenen Kofferraum und mustert mich.

»Ja, das Mädchen. Sie hat ein niedliches Bistro, allerdings ist es darin sehr still. Etwas Musik könnte das Tüpfelchen auf dem I sein.«

Beeindruckt nickt er. »Verstehe, du hast dir eine Geschäftsfrau angelacht.«

»Kennst du zufällig das C-Up im East End?«

»Ne, sagt mir nichts. Aber hey, schön anständig bleiben.« Er mahnt mich mit seinem Blick.

»Keine Sorge, sie wird nur den neuen Adam kennenlernen.«

Tobe versteift sich. »Den neuen Adam würde es ohne den alten nicht geben. Er wird ein Teil von dir bleiben. Nur du bestimmst, welche Rolle der alte Adam noch spielt.«

Mit aufeinandergepressten Lippen sehe ich betreten zu Boden. »Ich weiß, Tobe.«

»Du hast Angst.«

Ich zucke ertappt zusammen. »Ein wenig.« Dann schaue ich ihn direkt an. »Der Zeitpunkt ist nur echt nicht gut. Bis vor ein paar Tagen dachte ich, das passt perfekt. Tolles Timing. Aber neulich hat sich Chris bei Ed gemeldet und –«

»Chris hat sich bei Ed gemeldet?« Seine Augenbrauen verschwinden fast in seinem grauen Haaransatz.

»Jap. So wie es aussieht, ist Powerground wohl nicht nur auf Durchreise in Silver Heights. Sie planen gerade mehrere Gigs in der näheren Umgebung. Muss ’ne ziemlich spontane Aktion sein.«

»Ich werde dafür sorgen, dass du für keinen davon eingeteilt wirst. In Somerset werden sie dich auch gut gebrauchen können, ich quatsche mit Frank.«

»Danke.« Ich kaue auf der Innenseite meiner Lippe herum. »Da ist noch was. Chris will sich angeblich mit mir aussprechen.«

Er zieht scharf die Luft ein. »Du wirst doch nicht darauf eingehen, oder?«

»Nein … Ich denke nicht.« Aber was, wenn ich dadurch endlich einen Schlussstrich ziehen könnte?

»Geh Powerground aus dem Weg. Der kompletten Band.« Er klopft mir auf die Schulter und verabschiedet sich.

Ich lege meinen Kopf aufs Lenkrad. Nicht weiter drüber nachdenken. Ich sollte mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Chris ist meine Vergangenheit; Cara möchte ich zu meiner Gegenwart und Zukunft machen.

Schon faszinierend, dass ich endlich an ein Morgen denke.

Durch meine Arbeit fällt es mir leicht, im Moment zu leben. Ich verliere mich in der Musik. Steuere instinktiv die Höhen und Tiefen. Perfektioniere den Klang. Hole aus den Bands alles raus, was sie zu bieten haben. Dabei genieße ich. Denke nicht weiter an das, was war oder sein wird.

Ich bin froh, dass mir die Freude an meiner Arbeit und der Musik geblieben ist, was ebenfalls Tobes Verdienst war. Es hätte für mich auch eine ganz stumme Welt werden können.

Vielleicht fesselt mich Cara deshalb. Sie hat für andere wohl eine klanglose Ausstrahlung, als würde sie nur existieren, jedoch nicht den Sound der Welt wahrnehmen. Keinen Beat spüren. Sich von der Musik fremder Menschen irritieren lassen.

Aber ich habe bereits in der kurzen Zeit die tausend Melodien in ihr bemerkt, die das Leben anderer um so vieles bereichern würden, wenn sie sich nur öffnen würde. Könnte sie das Durcheinander, was sie von anderen empfängt, runterdrehen und dann die volle Hymne jedes Einzelnen wahrnehmen, wäre sie nicht mehr unsicher. Sie müsste zuhören, statt eine Schallmauer um sich zu errichten, dann würde sie die Panik vor Neuem nicht länger überkommen.

Und ich möchte derjenige sein, der ihr hilft, die Lieder ihrer Umgebung hören zu können. Genießen zu können.

Mit diesem schönen Gedanken starte ich den Motor und fahre breit grinsend los.

Kurz vor meinem Ziel halte ich am Straßenrand und wechsle mein Shirt, denn das alte trieft vor Schweiß.

Die Sommerhitze bringt mich um. Ich sehne die Tage herbei, an denen uns ein Gewitter mit Platzregen etwas Abkühlung verschafft. Laut Wetterbericht bleibt es allerdings die nächsten Wochen heiß und trocken.

Zum Glück wird mich im C-Up eine Klimaanlage empfangen. Eine richtige. Nicht so wie die, die das E-Auto mir zu bieten hat. Die Aussicht darauf lässt meinen Fuß das Gaspedal etwas kräftiger drücken.

Nach ein paar Minuten parke ich direkt vor dem Bistro und schlendere mit einer der Boxen in den Armen hinein.

Emilia kommt grinsend hinter der Theke hervor. »Gleich zweimal an einem Tag? Womit haben wir denn die Ehre verdient?«

Ich stelle den Lautsprecher auf dem einzigen leeren Tisch ab. »Ich hab was für euch.«

»Nicht dein Ernst!«, jubelt sie und fällt mir um den Hals.

Die anderen Gäste sehen kurz fragend zu uns auf.

»Du hast mir heute früh gesagt, dass Caras Gedanken immer so laut sind. Was, wenn wir ihr helfen, wenigstens hier eine kleine Ablenkung zu finden?«

Sie begutachtet den Lautsprecher. »Großartige Idee.«

Ich hole den anderen vom Auto und stelle ihn ebenfalls auf den Tisch. »Ist Cara da und versteckt sich wieder in der Küche?«

»Da muss ich dich leider enttäuschen. Sie besorgt gerade die frischen Zutaten für unsere Abendkarte. Das kann noch eine Weile dauern.« Sie bindet sich ihr langes, blondes Haar zurück und räumt leere Teller ab.

Ich sehe mich um.

Auf zwei hohen Regalen je links und rechts neben der Eingangstür ist auf den oberen Brettern noch genug Platz für die riesigen Dinger.

Also mache ich mich an die Arbeit.

»Schade, dass sie den Anblick verpasst«, höre ich von unten, als Emilia mit ihren klackernden Absätzen an der Leiter vorbeihuscht.

Vielleicht ist es besser, dass Cara gerade nicht hier ist. Sie soll mich schließlich nicht für einen Stalker halten.

Box Nummer eins steht und ich steige wieder auf den Boden. »Emilia?« Ich drehe mich, halte Ausschau nach ihr.

Sie taucht hinter der Theke mit einem monströsen Messer in der Hand auf. »Ja?«

»Sei besser vorsichtig mit dem Ding«, meine ich eingeschüchtert.

»Ich will dir nur gleich mal zeigen, womit du es zu tun bekommst, wenn du die Sache mit Cara vermasselst.« Die Klinge blitzt bedrohlich in dem gelben Licht der tief hängenden Vintage-Lampen auf.

»Ich gebe mein Bestes, es nicht zu vergeigen. So etwas wie der Zahlendreher in meiner Handynummer oder das Missverständnis mit Ed wird nie wieder vorkommen.« Ein wenig verängstigt fummle ich an meinem Tunnelpiercing herum. »Eigentlich habe ich dich gesucht, um zu fragen, ob ihr auch Veganes im Angebot habt. Ich hab meinem Mitbewohner Essen versprochen.«

Meinem Mitbewohner, der mittlerweile ganz schön sauer sein dürfte, weil ich ihm nur mit einer knappen Textnachricht mitgeteilt habe, dass es etwas länger dauert.

Emilia lässt das Messer langsam sinken und ein aufrichtiges Lächeln kehrt in ihr Gesicht zurück. »Wir haben heute vegane Bowls, Eintopf und Kartoffelsalat.«

»Dann nehme ich für ihn eine Bowl, solltet ihr Quinoa dahaben. Er fährt total auf dieses Grießelzeug ab.«

»Klar, mache ich dir fertig. Willst du auch was?«

Ich kneife die Augen zusammen, um die Speisetafel über ihrem Kopf zu entziffern.

Em reicht mir eine Faltkarte. »Vielleicht kannst du die besser lesen.«

»Danke. Ich schiebe einen Besuch beim Optiker schon seit fünf Jahren vor mir her. Noch funktioniert es ohne Brille.«

»Wenn du das sagst«, neckt sie mich. »Rutsch mal bitte, da kommt wieder eine hungrige Meute.«

Ich mache Platz für die Kunden und beobachte Emilia dabei, wie sie auf charmante Art das Essen anpreist.

Dann studiere ich die Speisekarte in meinen Händen und entscheide mich für ein Naan mit Hähnchen sowie Hummus.

»Dinkel, glutenfrei oder Vollkorn?«, hakt Emilia nach.

»Dinkel?«

»Ist das eine Frage oder Antwort?«

»Antwort.«

»Geht klar. Dauert allerdings ein bisschen, weil ich Bowl und Naan frisch zubereite.«

»Kein Problem, ich muss mich noch um die andere Box kümmern.«

Kurz darauf sind beide Lautsprecher an ihrem neuen Platz.

Ich kopple Emilias Handy via Bluetooth. »Was für ein Lied hättest du gerne?«

Sie wendet sich kurz von einem Gast ab. »Nimm einfach das erste von meiner Playlist.«

»Ich hoffe, niemand hat ein Problem damit, dass ich die Musik zum Einstellen kurz aufdrehen muss«, sage ich mit lauter Stimme in den Gastraum.

Kein Widerspruch.

Also öffne ich ihren Musikordner und wähle den ersten Song – Sucker von den Jonas Brothers. Echt jetzt? Verfolgen mich die Brüder etwa? »Sorry, Emilia, ich brauche ein anderes Lied, um den Klang anzupassen.« Ich scrolle durch ihre Playlist, um einen älteren Song abzuspielen, denn die Aufnahmen von früher geben mir einen besseren Beat zum Angleichen der Höhen und des Basses. Mit Emilias Einverständnis lade ich eine extra Sound-App herunter und nehme ein paar Einstellungen vor. Höhen und Bass verstärke ich.

»Klingt super«, meint Caras Freundin, die wieder neben mir auftaucht.

Ich schüttle den Kopf. »Ne, irgendwas passt nicht. Habt ihr zufällig Hefte da, die niemand braucht?«

Sie verschwindet durch die Küchentür und kommt mit dicken, gebundenen Blöcken zurück. »Alte Kassenbücher. Geht das?«

Amüsiert über ihre Wahl steige ich abermals auf die Leiter und klemme sie halb hinter die Boxen, sodass diese sich leicht nach vorne neigen. »Handy«, fordere ich, sobald ich wieder auf dem Boden stehe.

Emilia reicht es mir und ich schiebe wieder die Regler.

Das Telefon vibriert, zeigt eine eingegangene Nachricht an.

Ich sehe zu Emilia, die beschäftigt Leute bedient. Dann ringe ich mit mir, ob ich die Nachricht lesen soll, denn diese ist von Cara. Wenn ich die Benachrichtigungsleiste nur ein bisschen nach unten ziehe, könnte ich im Vorschaufenster … Nein. Mach das bloß nicht, Adam.

Ich konzentriere mich wieder auf den Sound und reduziere die Höhen.

Ein weiteres Vibrieren.

Ich glaube, ich muss ihm absagen. Die Worte werden im oberen Bereich des Displays angezeigt, ohne dass ich etwas gedrückt habe. Ich schwöre!

Wem will sie absagen? Mir etwa? Cara, tu mir das nicht an.

»Klingt wirklich besser.«

Ich schrecke ertappt zusammen, lasse dabei fast ihr Handy fallen.

»Wow, ruhig, Tiger«, sagt Emilia, die neben mir aufgetaucht ist, und nimmt mir ihr Smartphone aus der Hand. »Das nehme ich besser mal wieder zurück.«

»Äh … Ja, klar. Ich bin sowieso fertig.« Mit Schweißperlen auf der Stirn erkläre ich ihr nervös, wie die App funktioniert.

»Und wie kann Cara das mit ihrem Handy steuern?«

Ich ziehe mein eigenes aus der Tasche und kopple es mit den Lautsprechern. »Aber pass auf. Sobald jemand anderes seins mit den Boxen koppelt, trennt es die erste Verbindung und der, der sich neu eingeklinkt hat, kann die Lieder auswählen.«

»Tausend Dank, Adam. Das ist einfach so cool.« Sie verbindet ihr Telefon wieder und beendet somit meine Kopplung.

»Sieh es als Gegenleistung für das kostenlose Frühstück heute Morgen.«

»Hey!« Sie boxt mir gegen den Arm. »Ich weiß, unser Essen ist nicht gerade billig, aber so teuer nun auch wieder nicht. Apropos Essen.« Emilia holt meine Bestellung hinter der Theke hervor.

»Oh, Ed bringt mich um, wenn ich mit einer Plastiktüte nach Hause komme.«

»Bioplastiktüte«, meint sie, als sie mir diese reicht.

Das wird trotzdem eine Debatte geben, doch das sage ich Emilia nicht. »Was bekommst du dafür?«

»Geht aufs Haus, das ist für die Boxen das Mindeste. Wir dürfen das nur nicht zur Gewohnheit werden lassen.« Sie schenkt mir ein Lächeln, das jedoch von einer Sekunde auf die andere einem strengen Blick Platz macht. »So. Und jetzt sprechen wir mal kurz darüber, dass du Caras Nachricht gelesen hast.« Sie legt ihr Handy auf die Küchentheke, als wolle sie mich mit einem Beweis konfrontieren.

Ich könnte schwören, dass eine der Lampen über mir stärker als die anderen brennt und mich in ihrem Licht schuldig aussehen lässt, was ich ja schließlich bin. »Also … Ich …«, stottere ich. »Es … es hat die Nachricht … einfach angezeigt.«

»Du hättest es mir auch sofort wiedergeben können, ohne darauf zu starren.«

»Es tut mir leid. Aufrichtig.« Ich lasse die Schultern hängen und sehe sie mit meinem Welpenblick an.

»Nenn mir einen Grund, warum ich Cara nicht ermutigen soll, das Date mit dir tatsächlich abzusagen.«

»Weil …« Ich atme tief durch. »Weil ich sie wirklich kennenlernen will. Ich bekomme sie nicht mehr aus meinem Kopf. Sie ist etwas Besonderes.«

Ihre Miene bleibt finster.

»Und ich habe das Gefühl, dass ich ihr guttun könnte. Ich weiß, wie Menschen aussehen, die sich in die Arbeit flüchten. Da ich selbst an diesem Punkt war, möchte ich ihr zeigen, dass es neben der Arbeit so viel mehr gibt.«

»Ich habe dich im Blick. Und wenn du noch einmal meine Nachrichten liest, bist du ein toter Mann«, sagt sie mit so einer zuckersüßen Stimme, dass ich die Worte nie wieder aus meinem Kopf bekomme.

Mit dir oder ohne dich

Подняться наверх