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Die Bindung der Eltern an das Kind beginnt schon während der Schwangerschaft

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Das Bindungsverhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern ist nicht so bedingungs- und vorbehaltlos wie dasjenige der Kinder gegenüber ihren Eltern. Die Entwicklung einer Bindung von Mutter und Vater zu ihrem Kind beginnt bereits während der Schwangerschaft, wenn sich die werdenden Eltern emotional auf es einlassen.

So muss sich die Mutter etwa damit vertraut machen, dass sie in einigen Monaten ein Kind zur Welt bringen wird und sie dann eine große Verantwortung für es zu tragen hat. Sie stellt sich auch viele Fragen: Wie wird sich das Kind entwickeln? Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Ist es gesund oder krank? Wird sie alles richtig machen, wenn es auf der Welt ist? Wie verändert sich die Partnerschaft, wenn das Kind erst einmal da ist? Hunderte von Fragen tauchen während einer Schwangerschaft auf – nicht nur bei der Mutter, sondern auch beim Vater. Und bereits diese Fragen – ob mit einem negativen oder einem positiven Gefühl belegt – wirken sich auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind aus. So betont auch Remo Largo: «Wiederkehrende Ängste und Zweifel bei den Eltern gehören, genauso wie freudige Erwartungen, zu jeder Schwangerschaft. Sie sind Ausdruck der großen inneren Umstellung, die angehende Eltern gedanklich und gefühlsmäßig zu bewältigen haben.»13

In den letzten Monaten der Schwangerschaft, wenn die Eltern das heranwachsende Wesen spüren können und die Geburt immer näher rückt, beginnen sie, sich immer mehr an ihr Kind zu binden; sie versuchen, sich das Wesen des Kindes vorzustellen, sie überlegen sich schon Namen für ihren Sohn oder für ihre Tochter, malen sich aus, wie das Leben mit dem Kind wird, und beginnen, ihm bestimmte Charakterzüge zuzuschreiben. Sie lassen das Kind in ihrer Fantasie lebendig werden.14

Während der Schwangerschaft bilden sich bei der Frau verstärkt emotionale Reaktionen. Man könnte sagen: Es entwickelt sich ein gewisser «Mutterinstinkt»,15 der dafür sorgt, dass sich die Mutter nach der Geburt emotional auf das Kind einlassen kann. Aber dieses Aufkommen des Mutterinstinktes und die innere Vorbereitung auf das Muttersein veranlassen die Frau häufig auch zu einer Rückbesinnung auf die eigene Kindheit und die Beziehung zur eigenen Mutter. «Diese Erfahrungen», führen Gerald Hüther und Ingeborg Weser aus, «sind in ihrem Körper und ihrer Psyche gespeichert und beeinflussen in vieler Hinsicht die Art und Weise, wie sie mit dem eigenen Kind umgeht. So kann es Frauen, die als Baby keinen liebevollen Körperkontakt erlebt haben, bisweilen schwerfallen, dem eigenen Kind mit körperlicher Nähe zu begegnen.»16

Selbstverständlich kann diese Form der Rückbesinnung und der inneren Auseinandersetzung mit den erlebten Beziehungserfahrungen aus der eigenen Kindheit, wenn sie positiv waren, durchaus eine große Unterstützung und eine Hilfe darstellen, sich auf das Muttersein und den zukünftigen Bindungsaufbau zum Kind besser einzulassen. Hat die werdende Mutter das Verhalten ihrer eigenen Eltern während ihrer Kindheit als liebevoll und feinfühlig empfunden, ist dieses Erlebnis für sie eine wichtige Ressource für ihre künftige Rolle.

Die Beziehungsfähigkeit der Mutter ist nicht automatisch gegeben. Beim Beziehungsaufbau zwischen ihr und dem Kind sind viele Faktoren, äußere wie innere, von Bedeutung. Körperliche und seelische Aspekte wirken sich auf ihr Bindungsverhalten zum Kind aus und können es beeinflussen. Es hängt beispielsweise von folgenden Gesichtspunkten ab: Welches Bindungsmuster hat die Mutter? In welchen Lebensumständen befindet sie sich zurzeit? Wie ist es um die Partnerschaft bestellt? Ist das Kind gewollt? Wie geht das Umfeld mit den jungen Eltern um?

Auch für die Bindung zwischen Vater und Kind spielen solche Fragen eine Rolle, wenn auch nicht in demselben Maße, da der Beziehungsaufbau zwischen den beiden in den ersten zwei Lebensjahren meistens eher sekundär ist.17

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