Читать книгу Wunder - Kurt Erlemann - Страница 79
2.6 Ergebnis: Die historische Plausibilität der Wunder Jesu
ОглавлениеJesus von Nazareth war eine schillernde Figur. Seine Außenwahrnehmung oszillierte, er ließ sich nicht eindeutig einer bestimmten Gruppe zuordnen. Einige Wunder hatten magische Züge. Teilweise erinnerte Jesus an atl. und frühjüdische Wunderpropheten, teilweise war er als Halbgott oder menschlicher Wundertäer hell. Couleur wahrzunehmen. Sein Eigenprofil besteht in der Verbindung von Wundertaten und Reich-Gottes-Botschaft. In den Wundertaten wird punktuell und anfanghaft sichtbar und spürbar, was von Gottes Herrschaft zu erwarten ist: das Ende von Unrecht, Ausgrenzung, Krankheit, Leid, existenzieller Not und Tod. Die Wundertaten und -texte machen Gott in seiner Schöpfermacht, aber auch in seiner umfassenden Gerechtigkeit und Güte publik.
Diese Botschaft provoziert und polarisiert. Gesellschaftlich Etablierte in Machtpositionen fühlen sich angegriffen und reagieren mit Widerstand, die Marginalisierten begegnen Jesus mit Hoffnung und Glauben. Mit ihrer polarisierenden Wirkung befördern die Wunder die eschatologische Scheidung (gr. krísis) zwischen Glaubenden und Unglaubenden. Der esoterische Zug im Wirken Jesu (vgl. die mk. Schweigegebote und die ‚Parabeltheorie‘ Mk 4,10–13parr.) unterstreicht das apokalytisch gefärbte Geschichtsbild, in welches das Wirken des erinnerten Jesus eingezeichnet wird. In diesem Rahmen appellieren die Wundertexte an die Leserschaft, Jesu Vollmacht anzuerkennen und zu Insidern zu werden.
Die Historizität der Wunder ist nicht beweisbar. Wunder als Facette des Charismas Jesu gehören jedoch zu den plausiblen Wirkursachen für den sich entwickelnden Christusglauben. Reale Erfahrungen und Begegnungen der Menschen mit dem Charisma Jesu und mit der Präsenz des Auferstandenen erklären, wie sich der Christusglaube trotz des Traumas von Karfreitag fortsetzen und durchsetzen konnte. Nicht verbürgt die historische Wahrheit der Wunder die Glaubwürdigkeit des Evangeliums, sondern umgekehrt verbürgen historisch plausible Begegnungen und Erfahrungen die Wahrheit des Christusglaubens und der Wunder. Nicht verbürgt die historische Wahrheit des leeren Grabes die Glaubwürdigkeit der Auferstehung Jesu, sondern umgekehrt verbürgen historisch plausible Erfahrungen des Jüngerkreises die Wahrheit des Osterglaubens.
Zur Genese des christlichen Wunderglaubens