Читать книгу Echte Golfer weinen nicht - Kurt W. Zimmermann - Страница 11
ОглавлениеAls ehrenwerter Gast eines ehrenwerten Mitglieds
Zu Besuch in den letzten Refugien des Golf-Snobismus
Herb Wakabayashi müsste jeder Bewohner eines Wintersportlandes eigentlich kennen. Herb Wakabayashi ist der größte Eishockeyspieler, den Japan je hervorgebracht hat. Bei den Olympischen Spielen in Lake Placid war er der Fahnenträger der japanischen Delegation. Dann begann er Golf zu spielen. Dann lernten wir uns kennen.
Nun stehen also Wakabayashi-San und Zimmermann-San am ersten Abschlag des Kasugai-Club bei Nagoya. Es ist ein schöner Golfplatz, das Clubhouse riesig und distinguiert, davor ein Karpfenteich, und für Nichtmitglieder strikt gesperrt. Spielen darf hier nur, wer von einem ehrenwerten Mitglied persönlich eingeladen und eingeführt wird.
Wakabayashi hat mir versprochen, mir die letzten Refugien des wahren Snobismus im Golfsport zu zeigen. Wer über wahren GolfSnobismus schreiben will, der muss nach Japan.
Außerhalb Japans hat Golf ja seinen ehemalig-exklusiven Status längst verloren. Die sozialen Schranken sind gefallen, es spielen inzwischen allerorten der Baggerführer und die Friseuse. Jeder Amateurgolfer kann auf den besten Courses dieser Erde spielen, wenn er dafür zahlt. Geld hat Golf radikal demokratisiert, wenngleich die klassenlose Gesellschaft – auch dies ein Merkmal der fortgeschrittenen Demokratie – für das Individuum tüchtig ins Geld gehen kann. Eine einzelne Runde kostet in Golf-Dorados wie dem kalifornischen Pebble Beach pro Person 395 Dollar, im schottischen St. Andrews sind es 115 Pfund, im spanischen Valderrama 350 Euro – aber die Kreditkarte ebnet heute jedem den Weg auf die exklusivsten Fairways und Greens. Man kann überall spielen.
In Japan nicht. Hier ist das doch noch ein bisschen anders. In Japan gibt es noch diese Golf-Geheimlogen, wo auf privaten Plätzen nur die Auserwählten, also die Mitglieder und die auserwählten Gäste der auserwählten Mitglieder spielen. Wer sich hier als unbedarfter Tourist für eine Runde anmelden möchte, bekommt nur freundlich-japanisches Hohngelächter zu hören, wobei wir der Korrektheit halber sagen müssen, dass es häufig nicht einmal zum Hohngelächter kommt, weil sie an der Rezeption des Clubs sowieso kein Englisch verstehen.
Ich wollte also in einen dieser Golf-Tempel und wandte mich daher an meinen Bekannten Herb Wakabayashi. Ich benutzte, um ihn kooperativ zu stimmen, mein bestes japanisches Idiom. »Oh mächtiger Meister der gebogenen Eishockey-Kelle«, sagte ich, »könntest du nicht im blütenduftenden Morgentau, wenn im Wind das Schilf sich biegt, könntest du nicht dann eine edle Golfrunde organisieren, wobei es eine Golfrunde auf einem erwählten Platz sein müsste, denn dies ist der erlesene Wunsch des erhabenen Zimmermann-San.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, knurrte Herb. Aber ein paar Wochen später stehen wir auf dem Platz bei Nagoya.
Es ist ziemlich beeindruckend. Nachdem wir Blumenallee und Karpfenteich hinter uns haben, begrüßt uns der Empfangsmensch mit tiefer Verbeugung – »Welcome, Mistel Kult W. Zimmelmann« – und führt uns dann in die Umkleidezone. Mein Garderobekästchen hat die Ausmaße einer Einzimmerwohnung, und alles ist wohl sortiert da: Kamm aus Teakholz, Kleiderbügel aus Teakholz, Schuhlöffel aus Teakholz, Shampoo und Bademantel.
Das beste Stück aber steht unten auf dem geheizten Boden meiner Einzimmerwohnung. Sauber ausgerichtet, empfangen mich zwei rosarote Seidenpantöffelchen, in denen ich später die zehn Meter zur Teakholz gefassten Dusche watscheln werde, und auf den zwei Seidenpantöffelchen steht in japanischen Lettern der Name des Gastes: »Kult W. Zimmelmann«.
Auf dem Kurs sind wir dann fast allein, nur begleitet von den Mädchen, die als Caddies unsere Golftaschen transportieren. Das muss so sein. Auf den japanischen Privatplätzen nämlich laden die auserwählten Mitglieder jeweils ihre auserwählten Geschäftsfreunde ein – und sie tun es mit machohafter Präpotenz. Man muss unter sich sein und alles muss teuer sein, vom Restaurant bis zu Greenfee und Caddie-Fee. Man stelle sich vor, der Toyota-Finanzchef lädt den Mitsubishi-Marketingchef zum Golfen ein und das Greenfee kostet nur schlappe 400 Dollar – peinlich so was.
Nach neun Löchern heißt Golfkollege Wakabayashi die Mädchen stillzustehen. Wir biegen in Richtung des Clubrestaurants ab. Drei bis vier Gänge nach der Hälfte der Runde ist es in Japan Pflicht etwas zu sich zu nehmen: eine leichte Nudelsuppe zu Beginn vielleicht, dann etwas Fisch, dann etwas Beef und dazu Bier.
Bis zu 500 000 Dollar kostet immer noch eine Mitgliedschaft in den Top-Resorts wie dem Katayamazu Golf Club in Ishikawa oder dem Yomiuri bei Tokio. Zum Trost für Minderbemittelte sei angefügt: In den Achtzigerjahren, bevor Rezession und Börsenbaisse das Land nach unten rissen, waren die Aufnahmegebühren pro Kopf noch einiges höher. Damals kostete es 800 000 Dollar.
Dafür sind in der Jahresgebühr die Onsen inbegriffen. Onsen sind die luxuriösen japanischen Heißwasser-Quellen, die auf den Nobelplätzen eingebaut sind. Wenn man nach einer Runde Golf mit dem Glas in der Hand hier im Dampfe sitzt, dann begreift man automatisch, was Victor de Kowa mit seiner bis heute gültigen Snobismus-Definition meinte: »Snobismus ist die Fähigkeit, sich als Original zu fühlen, auch wenn man nur ein Kopie ist.«