Читать книгу Ullisten Getrillum - Lara Elaina Whitman - Страница 10
Freundliche Dilastiken
ОглавлениеUllisten Getrillum erinnerte sich an Harkmeniis Schlachtschiff. Es war ein wirklich majestätisches Stück Metall gewesen, das die Shirag da gebaut hatten. Nie im Leben hätte er geglaubt, dass er eines Tages eines der in den Algolkriegen so gefürchteten Schiffe dieser Spezies sehen würde, geschweige denn es betreten würde. Das Raumschiff war genauso seltsam wie seine Eigentümer. Das Metall der Wände war so glatt wie die Oberfläche gefrorenen Wassers. Boden und Decke waren nur unmerklich heller gefärbt, zumindest für seine Augen. Alles war grau und irgendwie konturlos. Es war für ihn schwer gewesen, sich darin zurechtzufinden. Er hätte sich in dem Gewirr aus Gängen fast verlaufen, die das Schiff in einem verwirrenden Muster durchzogen, hatte aber die riesige Kommandobrücke doch irgendwann gefunden. Er hatte es nicht gewagt, andere, die ihm auf seinem Weg dahin begegnet waren, zu fragen. Einige der Spezies, die das Raumschiff bevölkerten und bei seiner Zerstörung durch die Adschirr´arr gestorben waren, hatte er noch nie zuvor gesehen, obwohl er in der Galaxie schon sehr viel herumgekommen war. Es gab Söldner, bewaffnet bis an die Zähne und muskelbepackt von oben bis unten. Ihre Waffensysteme waren weitentwickelt, soweit er das auf den ersten Blick hatte erkennen können. Manche dieser Waffen hatte er zum ersten Mal gesehen. Zu gerne hätte er den einen oder anderen angesprochen, um sich das Equipment näher anzuschauen, doch das war natürlich nicht möglich. Die Waffen eines Kriegers waren sein Heiligtum. Jetzt war es dafür zu spät. Nur er hatte es geschafft, dem Inferno zu entkommen.
Im Nachhinein fand er es immer noch erstaunlich, dass es ausschließlich Dilastiken gegeben hatte, keine Therapoden und schon gar keine Arachniden. Letztere besaßen ohnehin nur Intelligenz, wenn sie technisch aufgerüstet wurden. Er wusste von einigen Völkern, die das eklige Pack für Schaukämpfe oder im Krieg einsetzten. Bei so vielen Beinen konnte einfach nicht viel für andere Funktionen außer Fressen, Paarung und Laufen übrigbleiben. Er hasste diese Dinger. Für ihn waren sie Ungeziefer.
Mit den Therapoden sah es da schon anders aus. Es gab einige Welten, auf denen sie eine bemerkenswerte Zivilisation hervorgebracht hatten, aber er konnte die Dreizeher mit ihrer schuppigen Haut genauso wenig leiden. Irgendwie rochen die unangenehm für ihn, so wie diese kleinen Vogelartigen, die in dem engen Käfig traurig vor sich hingackerten, den die alte Frau neben ihm umklammerte, als wäre er aus Gold.
Die Luft in dem Bus wurde immer stickiger, trotz der Klimaanlage, die leise vor sich hinächzte. Es roch nach menschlichem Schweiß, diversen süßlichen Düften und anderen kuriosen Dingen. Ullisten Getrillum betrachtete neugierig das Sammelsurium aus Taschen, Koffern, Körben, Käfigen und buntbekleideten, langberockten alten Weiblein, bärtigen Männern in abgetragenen Hosen. Dazwischen saßen vereinzelt glutäugige junge Mädchen mit langen, dunklen Haaren und langen Beinen. Sie lachten und unterhielten sich miteinander, oft aber sprachen sie auch nur in ein seltsames kleines Gerät, dass sie in der Hand hielten. Musik drang aus den Lautsprechern, die in der Decke des Busses eingelassen waren. Sie war melodiös, fremdartig, mit vielen kurzen, in rascher Folge gespielten Tönen. Ullisten Getrillum konnte verschiedene Instrumente heraushören. Manchmal sang jemand in einem leicht leiernden Singsang, es war nicht unangenehm für sein Gehör. Dazwischen gab es offenbar so etwas wie Berichte. Ullisten Getrillum erkannte das daran, dass die Musikeinlagen nur kurz waren. Er verstand fast kein Wort davon.
Überhaupt saß er stumm und steif auf der Rückbank und versuchte so wenig wie möglich Aufmerksamkeit zu erregen, was einfach unmöglich war. Alle Insassen des Busses glotzten ihn unentwegt an. Manche unauffällig, manche ein wenig verschämt und manche ganz offen. Die Mädchen tuschelten immer wieder und richteten ihre kleinen Geräte auf ihn. Ullisten Getrillum war das nicht recht. Was taten die da? War es falsch gewesen, in dieses Transportgefährt zu steigen? Er hatte praktisch keine andere Wahl gehabt. Der Wirt des Gasthauses, in dem er übernachtet hatte, nachdem er das Siegelstück in dem alten Gebäude oben auf dem Berg versteckt hatte, hatte ihn praktisch mit Gewalt in den Bus hineingeschoben. Ullisten Getrillum hatte den Wirt in Verdacht, dass der ihn so schnell wie möglich loswerden wollte. Der Goldcredit, den er ihm gegeben hatte, überstieg das zugegeben hervorragende Abendmahl und Frühstück um ein Vielfaches an Wert. Der erste grobe Fehler, der ihm auf dieser Welt passiert war. Hoffentlich hatte das keine bösen Folgen für ihn. Aber was hätte er sonst tun sollen? Verhungern oder erfrieren war keine Option gewesen und so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als in das Gasthaus zu gehen, wenn er überleben wollte.
Ullisten Getrillum war klar, dass er in Zukunft vorsichtiger mit seinen knappen Ressourcen umgehen musste. Wer weiß, ob und wann er Arbeit finden würde und wie groß sein Bedarf an finanziellen Mitteln noch werden würde, wenn er erst einmal in eine ihrer Städte kam. Aus Erfahrung wusste er , dass es in Städten immer teurer war, als auf dem Land. Vielleicht sollte er sich einen einsamen Ort suchen, an dem er die Wartezeit verbringen konnte. Allerdings würden ihn dort auch die Adschirr´arr schneller aufspüren können. Die Ausdünstungen der Menschenmassen würden seine Spur ein wenig verwischen. Wie auch immer er es drehte und wendete, er saß ziemlich in der Patsche.
Das letzte Gespräch mit seinem Kommandanten hatte er geführt, als er noch auf dem Mond gewesen war. Noch ein Problem, das ihm großes Kopfzerbrechen bereitete. Wie sollte er ohne seinen Zweimanngleiter seine Leute kontaktieren? Sein Kommandant hatte ihm zwar versprochen so schnell wie möglich zu kommen, aber sie mussten erst einen Weg durch das Gewirr der Sterne und möglichen Sprungpunkte bis in dieses abgelegene Sternensystem finden. Ullisten Getrillum war es unverständlich warum die Shirag ihnen die Koordinaten nicht einfach gaben. Das passte irgendwie nicht zu dem an sich freundlichen Volk, es war seltsam, verdächtig und beunruhigend.
Etwas musste passiert sein, ein Machtwechsel vielleicht? Das wäre großes Pech für ihn und für die Shirag selber auch. Ullisten Getrillum war überzeugt davon, dass die Adschirr´arr mit dem Siegelstück nichts Gutes im Schilde führten. Es durfte einfach nicht in deren Hände gelangen. Ullisten Getrillum seufzte schwer.
Die alte Frau neben ihm lächelte ihn zaghaft an, was er mit einem zurückhaltenden Lächeln beantwortete. Sie hielt ihm eine Schüssel unter die Nase, in der verschiedene Stücke eines Gebäckes verstaut waren. Aufmunternd blickte sie ihn an. Ullisten Getrillum sog den appetitlichen Geruch der Nahrung ein. Er hatte nicht viel Hunger, da er vor ein paar Stunden ziemlich gut gegessen hatte, aber er konnte nicht wissen, wann er wieder etwas bekam und so griff er zu. Freundlich lächelnd nahm er vorsichtig ein Stück für sich aus der Schale heraus und führte es unter den neugierigen Blicken der zahnlosen Frau zum Mund. Er biss hinein. Es schmeckte salzig, nicht süß, so wie er eigentlich nach dem Aussehen des Stückes erwartet hatte, nach irgendeinem Käse von einem in Fett gebackenen Teig ummantelt. Es war köstlich!
Die Frau, die sein Gesicht beobachtet hatte, lachte zufrieden und drängte ihm noch ein Stück auf. Ullisten Getrillum bedankte sich mit einem Kopfnicken und verschlang die beiden Teilchen. Das war der Startschuss für alle anderen, ihn mit ihren selbstgemachten Nahrungsmitteln zu traktieren und ihn vollzuschwatzen. Nach einer weiteren Stunde war Ullisten Getrillum so satt, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Auch wenn er sich nur über Zeichen und Gesten mit den Leuten unterhalten konnte, hatte er trotzdem viel von ihrer Sprache lernen können. In seinem Kopf summte und brummte es vor lauter Wörtern, die seine Picolangs eifrig verarbeiteten. Diese Spezies schien wirklich freundlich, ziemlich geschwätzig und unterhaltsam zu sein und hatte trotz ihrer kriegerischen Lebensweise eine erstaunlich altruistische Veranlagung Fremden gegenüber. Ullisten Getrillum war grenzenlos erleichtert. Langsam entspannte er sich, während ihn der Bus über die holperige Autobahn unaufhaltsam der Hauptstadt Armeniens, Jerewan, entgegenbrachte.