Читать книгу Ullisten Getrillum - Lara Elaina Whitman - Страница 9
Verdächtiges Zahlungsmittel
ОглавлениеDer Metropolitos der Diözese Sjunik saß in seinem Büro in Tatew und überprüfte zusammen mit dem Buchhalter der Gemeinde, Hakob Azatyan, die Einnahmen aus den Spenden der letzten Sammelaktion, als das Telefon läutete. Irritiert starrte er auf das Display. Es war noch früh am Morgen, die Messe war gelesen und normalerweise störte ihn um diese Zeit niemand, doch der Anrufer wollte nicht aufgeben. Seine Haushälterin war nicht im Haus und so war er gezwungen selber ans Telefon zu gehen. Es war eine Nummer aus Tatew, sie kam ihm irgendwie bekannt vor.
»Barev dzez.«
»Barev dzez, Herr Erzbischof«, meldete sich der Anrufer mit tiefer, rauchiger Stimme. »Herr Erzbischof, ich muss Sie dringend sprechen. Es ist wichtig.«
»Nun, mein Sohn, dann sprich.« Der Erzbischof erkannte Grigor Tumanyan, den Wirt des Astvatsatsin, des kleinen Gasthauses am zentralen Platz des Dorfes.
»Nicht am Telefon, Exzellenz. Kann ich vorbeikommen? Ich muss Ihnen dringend etwas zeigen.« Die Stimme des Mannes überschlug sich fast vor Aufregung.
»Gerne mein Sohn, warte«, der Geistliche blätterte durch seinen Terminkalender in seinem PAD», übermorgen Mittag habe ich noch eine Stunde Zeit für dich, da bin ich erneut in Tatew.«
»Das ist zu spät, Euer bischöfliche Gnaden. Es muss gleich sein. Ich komme sofort.« Der Anrufer legte auf ohne auf eine Antwort zu warten und ließ einen völlig verdattert dreinblickenden Kirchenmann zurück.
»Was soll das denn?«, mehr konnte er nicht mehr sagen, als es auch schon an der Tür des Nebengebäudes klopfte, in dem der Erzbischof sein Büro hatte, wenn er in Tatew weilte. Der Buchhalter Hakob Azatyan, der auch gleichzeitig der Priester der Gemeinde Tatew war, und der Erzbischof sahen sich verdutzt an. Der Wirt musste gerannt sein, weil er so schnell da war.
»Mach ihm auf, Hakob, wenn es denn sein muss. Ich bin neugierig, was so dringend ist, dass es nicht warten kann.«
Hakob Azatyan stand widerwillig auf. War er jetzt schon der Türöffner? Wo war denn die Haushälterin schon wieder? Er wollte endlich fertig werden. Seine Familie wartete bereits auf ihn. Verärgert lief er hinunter zum Haupteingang und öffnete die Tür. Vor ihm stand ein völlig verwirrter Wirt.
»Herrgott nochmal, was ist denn in dich gefahren, Grigor?«
»Lass mich rein, ich muss dringend mit Ihrer Exzellenz sprechen.«
Hakob Azatyan machte ihm Platz. »Bitte, aber beeil dich, ich will zum Mittagessen pünktlich zuhause sein.«
Der Wirt hastete an ihm vorbei, die Treppe hinauf und warf dem verdutzten Buchhalter die Tür zum Büro des Bischofs vor der Nase zu. Der Kirchenmann sah ihm stirnrunzelnd entgegen. Er fand das Gebaren des Wirtes mehr als merkwürdig.
»Übertreibst du nicht ein wenig mein Sohn? Die Seelsorgestunden sind am Samstag nach der Messe. Dort kannst du gerne dein Gewissen erleichtern.«
Der Wirt setzte sich schweißüberströmt, mit einem hochroten Kopf auf den Platz, an dem vorher Hakob Azatyan gesessen hatte, atmete ein paarmal schwer durch, bevor er in seine Jackentasche griff. Er zog eine rote Serviette heraus und legte sie mit einem satten Plopp dem Geistlichen auf den Schreibtisch, mitten auf die Belege der Abrechnungen und Einnahmen. Der Erzbischof von Sjunik blickte verblüfft auf das Papiertuch.
»Was soll ich damit?«, fragte er unwirsch.
»Ah, Entschuldigung!« Der Wirt griff über den Tisch und nestelte die Serviette auf. Zum Vorschein kam ein ziemlich großes münzartiges Goldstück mit einer unbekannten, fremdartig aussehenden Prägung. Der Geistliche begriff immer noch nicht, warum der Wirt um das Gold so viel Aufhebens machte. Zugegeben, es sah recht wertvoll aus.
Hakob Azatyan, der erstens neugierig war und zweitens keine Lust mehr hatte vor der Tür zu warten, betrat den Raum. Der Wirt wollte ihn wieder hinausscheuchen, aber der Erzbischof hielt ihn zurück.
»Mein Sohn, wenn du das der Kirche spenden willst, dann muss Hakob das sowieso wissen.«
Dem Wirt entglitten kurzzeitig seine Gesichtszüge, denn er hatte nicht die Absicht gehabt das Goldstück zu spenden, das war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, schließlich hatte er den Fremden bewirtet und der hatte eine Menge gegessen.
Deshalb sagte er rasch, »ah, nein, so war das aber gar nicht gemeint. Das hier hat mir heute Morgen ein Gast gegeben. Er hat damit das Essen und die Übernachtung bezahlt. Er hatte kein Gepäck dabei und sprach gestern Abend noch kein Wort Armenisch. Heute Morgen konnte er sich schon mit mir etwas unterhalten. Das ist doch alles recht merkwürdig, oder nicht?«
Hakob Azatyan nahm das Goldstück hoch und wog es in der Hand. »Das ist aber schwer für eine einfache Münze. Die wiegt ja mindestens ein Kilogramm. Da hat er aber wirklich zu viel bezahlt, wenn das tatsächlich reines Gold sein sollte. Das müssten etwas über dreißig Unzen sein.
»Das ist in der Tat ungewöhnlich, aber noch lange kein Grund sich so aufzuregen«, sagte der Metropolitos streng zu seinem Gemeindemitglied.
Hakob Azatyan war da anderer Meinung. »Also seltsam ist das schon, Exzellenz. Ich habe noch nie so eine Münze gesehen, mit so einer Prägung und der Reinheitsgrad scheint enorm hoch zu sein. Wer macht so etwas? Das muss doch ein kompletter Vollidiot gewesen sein, damit ein Essen und eine Übernachtung zu bezahlen.«
»Ja, genau, das haben wir auch gedacht, anfangs. Aber der Kerl war so … anders. Er sprach am Abend zuvor kein einziges Wort Armenisch, aber dann hat er mit seiner komischen Brille die Zeitung gescannt und danach konnte er schon ein paar Brocken unserer Sprache verstehen. Und er hat etwas von dem Bier, das ich ihm gebracht habe, auf ein Gerät am Handgelenk geträufelt. Er hat geglaubt, dass ich das nicht gesehen habe, aber ich sehe alles! Außerdem hat er die Matratze aus dem Bett geholt und auf dem Boden geschlafen.« Der Wirt hatte sich in Rage geredet.
Hakob Azatyan und der Erzbischof sahen sich ratlos an.
»Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte Hakob Azatyan schließlich.
»Zunächst, wo ist der Fremde jetzt?« Der Metropolitos von Sjunik wollte das Thema strukturierter angehen, als seine beiden Gemeindemitglieder.
»Ich habe ihn vorhin in den Bus nach Jerewan gesetzt. Er wollte dahin.«
»So, so, hmmm … daran lässt sich wohl nichts mehr ändern. Mit dem können wir dann wohl nicht mehr sprechen. Das Goldstück hier, das schicken wir ins Labor und lassen es untersuchen, dann sehen wir weiter.« Der Geistliche wickelte das Goldstück wieder ein und steckte es in einen Behälter, den er mit einem Wachssiegel verschloss.
Der Wirt zögerte, er hatte nicht bedacht, bevor er hierherkam, dass der Bischof sein Goldstück behalten würde. »Aber, aber … und wer zahlt jetzt die Kosten, die der Kerl verursacht hat?«, protestierte er lautstark gegen die Vorgehensweise.
Der Erzbischof sah ihn verärgert an. »Erstens, hast du sowieso zu viel genommen und zweitens ist das hier vielleicht Teufelszeug und bringt dir Unglück. Sei froh, dass du das los bist, mein Sohn.«
So schnell gab der Wirt aber nicht nach. »Es ist mein Eigentum. Wenn Sie das behalten wollen, Exzellenz, dann müssen Sie mir wenigstens meine Auslagen ersetzen.« Er verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust und setzte eine finstere Miene auf .
»So viel Gier in deiner Seele, mein Sohn. Das ist nicht gut. Schicke Hakob die Rechnung und wehe du schlägst zu viel auf. Und … kein Wort zu irgendjemandem, vor allem nicht zu deiner Frau, verstanden?«
Grigor Tumanyan nickte. Der Erzbischof gab Hakob Azatyan einen Wink, den Wirt nach draußen zu begleiten. In der Zwischenzeit wählte der Erzbischof die Rufnummer des Katholikos der armenisch-apostolischen Kirche in Echmiadzin, der glücklicherweise ein guter Freund von ihm war. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Sekretär des Kirchenoberhauptes der armenisch-apostolischen Kirche, wurde er durchgestellt. Der Katholikos versprach, sich um den Fall zu kümmern und das Goldstück untersuchen zu lassen. Der Erzbischof der Provinz Sjunik legte auf, aber ganz wollte er es nicht seinem Kirchenobersten überlassen. Er würde eigene Ermittlungen anstellen und er hatte seine speziellen Wege dafür. Beruhigt packte er den versiegelten Behälter in eine Versandbox und rief den Paketdienst an.
Als Hakob Azatyan zurückkam, hatte er alles Wesentliche schon erledigt. Die innerkirchlichen Angelegenheiten mussten vertraulich behandelt werden.