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In einer fremden Stadt

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Ullisten Getrillum döste vor sich hin. Die reichliche Nahrung und das viele Sprechen unter Zuhilfenahme seiner Hände und Füße, hatten ihn ermüdet. Er war eingenickt und saß zusammengesunken, mit geschlossenen Augen, zwischen den Menschen auf der Rückbank des Autobusses.

Er träumte an Bord von Harkmeniis Raumschiff zu sein. Er saß auf dem Platz, den ihm Harkmenii auf der Brücke zugewiesen hatte, kurz bevor sie den Sprung in dieses Sternensystem vorgenommen hatten. Der Sitz sah so unbequem aus, doch als er sich darauf setzte, legte sich das Material zu seiner Überraschung weich und bequem um seinen Körper, so als hätte er auf einem weichen Diwan Platz genommen. Die Betriebsamkeit auf der Brücke nahm zu. Ein tiefes Brummen, verursacht von dem größten Interuniverssprung, den er jemals mitgemacht hatte, stieg aus dem Inneren des Schiffes hoch und füllte die Brücke mit dröhnendem Lärm. Ullisten Getrillum wachte auf.

Verwirrt blickte er sich um. Der Bus hatte angehalten. Er war in Jerewan. Die Leute drängten sich durch den schmalen Ausstieg aus dem Gefährt hinaus, quollen in einer unförmigen lärmenden Masse auf einen großen Platz, ihr Gepäck und ihre Käfig hinter sich herziehend. Ullisten Getrillum wartete, bis alle ausgestiegen waren und verließ als letzter den Bus. Suchend sah er sich um.

Auf dem großen Platz gab es viele Busse, die fast alle genauso marode aussahen, wie der Überlandbus mit dem er aus dem Süden Armeniens gekommen war. Aber es gab auch neuere Exemplare. Auch ein Teil der Leute sah hier etwas anders aus. Sie trugen andere Kleidung, irgendwie moderner, als die der Landbewohner. Ullisten Getrillum setzte sich in Bewegung, er sollte nicht allzu lange an diesem Ort bleiben. Es war bereits später Nachmittag, aber es war hier noch erheblich wärmer, als in den Bergen. Die Fahrt von Tatew nach Jerewan hatte ziemlich lange gedauert. Das Dorf lag im Süden Armeniens in der Provinz Sjunik. Es hatte den gleichen Namen wie das Wehrkloster, das bereits im vierten Jahrhundert gebaut worden war und wie ein Krähennest auf der Kante des Vorotan Canyon hockte. Dort hatte er das Siegelstück, das wertvolle Kultobjekt der Shirag, versteckt, nachdem er die Signatur mit einem Eindämmungsfeld versehen hatte. Dieses alte Gemäuer war in einem so schlechten Zustand und wurde bestimmt kaum noch benutzt. Ullisten Getrillum konnte sich zumindest nicht vorstellen, dass dort noch viele Menschen hingingen. Die Adschirr´arr würden es jedenfalls niemals finden, es sei denn sie fanden ihn und das musste er verhindern. Unglücklicherweise hatte er nur einen Minikonverter gehabt, der die Energie für das Eindämmungsfeld liefern konnte und die jetzige Ladung würde nicht ganz reichen, bis seine Leute in diesem Sternensystem eintreffen würden. Das hieß, er musste in etwa zwei Umläufen dieses Planeten um seine Sonne noch einmal hierherkommen, um den Konverter zu füttern und das war mit ziemlicher Sicherheit gefährlich für ihn. Der Gedanke gefiel Ullisten Getrillum nicht, das Risiko war unkalkulierbar.

Diese verdammten Adschirr´arr! Mit Sicherheit kannten die die METs, die in dieses Sternensystem führten. Sie waren bestimmt schon dabei neue Stationen auf den Hyperstreams aufzubauen, die dieses Sternensystem mit der Liga verbinden würde. Die Metauniversalen Transition Points, ein Netzwerk aus Sprungpunkten im „Raum“ zwischen den Universen, hauptsächlich an deren Lagrangepunkten, waren nur über die Hyperstreams zu erreichen. Der Übergang erfolgte quasi in Nullzeit. Im Prinzip konnte jeder Punkt auf den Hyperstreams dazu benutzt werden in das Interuniversale Medium zu gelangen, aber das war ziemlich riskant, da es zwischen den einzelnen Universen Berührungspunkte gab, an denen keine Zeitblase aufrecht erhalten werden konnte, vor allem nicht in der Nähe von Sternen, Pulsaren und Quasaren. Die Liste für die Sprungpunkte wurde von den Adschirr´arr regelmäßig überarbeitet und gegen teure Lizenzgebühren an die Verbraucher verkauft. Ein lukratives Geschäft für diese Gierschlunde. Damit waren sie reich geworden, damit und mit anderen technologischen Gütern. Die ganze Liga war von denen abhängig, selbst die UCEG musste auf den Globus Galacticus zurückgreifen. An diesem Punkt angelangt gab Ullisten Getrillum es auf, darüber nachzudenken. Er hatte Wichtigeres zu tun. Die Nacht würde bald hereinbrechen und es wurde empfindlich kalt in diesem Land, dessen tiefste Stellen bereits auf eintausend Höhenmetern lagen.

Ullisten Getrillum drehte sich um und warf einen kurzen Blick über den Platz zurück. Seine Augen blieben an einer großen, dunkelhaarigen Frau mittleren Alters hängen, die rasch wegblickte, als er sie ansah. Ullisten Getrillum stutzte kurz. Was war das denn? Ein Zufall oder hatte die Frau ihn beobachtet. Gut, er fiel ein wenig auf, wegen seiner Größe und seiner düsteren Kleidung. Sein Mantel, der der Haut eines irdischen Tieres täuschend ähnlich sah, war wohl doch ein wenig zu martialisch und sein kurzer Bürstenhaarschnitt tat noch ein übriges dazu. Er wirkte damit wie ein getarnter Krieger und letztendlich war er das ja auch. Er war ein Krieger der UCEG, ein Soldat der für die Armen und Schwachen sein Leben aufs Spiel setzte und das seit bereits fünfzig Ligastandardjahren. Zivile Kleidung war wie eine Maskerade, da änderte auch der Rucksack nichts daran, der so gar nicht zu dem Stil passen wollte. Sie konnten sein wahres Wesen nicht verbergen. Er warf noch einmal einen raschen Blick auf die Menschenfrau, die sich aber in die andere Richtung entfernte. So wie sie sich bewegte, war sie eindeutig ein Mensch, kein Adschirr´arr. Beruhigt setzte er seinen Weg fort, warum auch sollten die Menschen ihm gefährlich werden, sie wussten nichts von ihm und sie hatten bis jetzt noch nicht einmal erkannt, dass er kein Mensch war, also noch ein Grund weniger ihm nachzustellen. Trotzdem waren sie sehr neugierig und er musste Acht geben, dass er sich nicht verriet. Ullisten Getrillum warf einen Blick auf seine Hände, deren Haut nach der Behandlung durch sein Med-Programm dunkler getönt war, als sie von Natur aus war. Die Fingernägel hatten die Farbe von blassrosa Fleisch mit weißen Rändern. Sein Med-Programm hatte gute Arbeit geleistet. Es gab eine Menge Menschen, die die gleiche Hautfarbe hatten, das dürfte zu keinem Problem für ihn werden. Mit den zahlreichen Überwachungskameras sah das schon etwas anders aus. Überall wo er bisher gewesen war, hatte es welche gegeben und das konnte nur bedeuten, dass es so etwas wie einen Geheimdienst gab. Denen würde er besser nicht in die Finger fallen. Soweit er verstanden hatte, hatten die Menschen noch keinen Kontakt mit anderen Spezies gehabt und sie schienen auch nicht zu glauben, dass es andere Wesen dort draußen gab, die intelligent waren und ohne große Mühe zwischen den Sternen herumfliegen konnten, aber sie führten eine Menge Kriege untereinander, waren sich also gegenseitig nicht besonders grün. Trotzdem war Ullisten Getrillum mit seiner jetzigen Situation einigermaßen zufrieden. Es hätte schlimmer kommen können.

Er hatte verdammtes Glück gehabt, dass der dritte Planet so wasserreich war. Seine Überlebenschancen waren noch gestiegen, als er herausfand, dass es Dilastiken waren, die diese Welt bevölkerten, keine Therapoden und schon gar keine halbintelligenten Arachniden. Der Gedanke an Letztere jagte ihm einen Schauer den Rücken hinunter. Es wurde ihm allerdings auch schnell klar, dass der Entwicklungsstand der Spezies auf dem dritten Planeten dieses Sternensystems nicht sehr hoch war, vor allem in Bezug auf ihre technischen Möglichkeiten. Schon als er sich im Orbit des roten Planeten versteckt hatte, hatte er keinerlei Spuren einer Besiedelung gefunden. Nur ein paar primitive Robotersonden betrieben offenbar Bergbau. Doch ganz sicher war er sich da noch nicht gewesen. Vielleicht waren die Bewohner unter die Oberfläche geflüchtet, schließlich war der Planet nicht gerade ein wirtlicher Ort für Lebewesen. Doch nachdem er auf die Nachtseite gekommen war, war alles klar – da war gar nichts. Jede Zivilisation verriet ihre Anwesenheit in der Nacht. Die Erbauer dieser primitiven Roboter hatte er dann schnell gefunden, als er begann, auf primitiven Radiofrequenzen zu suchen. Jetzt war er hier, auf dem dritten Planeten, der mit dem vielen Wasser, der der sich in der Lebenszone des gelben G-Sterns befand. Diese Welt hatte eine dichte Atmosphäre aus Sauerstoff, Stickstoff und ein paar Edelgasen, also durchaus auch für ihn atembar, wenn auch das Verhältnis von Methan und etwas erhöhter Radioaktivität nicht ganz dazu passte. Und er war sich fast sofort sicher, auf eine neue Spezies gestoßen zu sein, die sich gerade anschickte den Weltraum zu erobern. Was für eine Sensation in der Liga! Es war Jahrhunderte her, dass die Liga im Bereich des Cher Orionii auf eine neue Zivilisation gestoßen war. Das würde wieder einmal beweisen, dass all die klugen Wissenschaftler mit ihren Suchalgorithmen keine Ahnung hatten. Und noch dazu in unmittelbarer Nähe zu den Zentralwelten der Liga. Er würde sich tot lachen. Welche Blamage für die Cepharianer mit ihren Vorschriften und Anträgen.

Aber, er sollte sich nicht zu früh freuen. Auch die Adschirr´arr, die ihm auf den Fersen waren, würden das erkennen und als erstes die Welten dieses Sternensystems ausplündern, noch bevor auf Ceutuum Primarum ein Jurist überhaupt den ersten Buchstaben ausgesprochen hatte. Ein Grund mehr sich schnell einen sicheren Ort zu suchen, an dem er abwarten konnte und ein guter Grund so schnell wie möglich diesen Planeten wieder zu verlassen.

Noch vor ein paar Tagen war er sich nicht sicher gewesen, ob die Menschen ihn entdecken würden, schließlich sprachen sie miteinander, dass der ganze Planet summte wie ein ganzer Schwarm Assila. Aber sie schienen nicht über die wesentlichen Dinge miteinander zu sprechen und wenn doch, taten sie es offenbar auf die falsche Weise, die zu keiner Einigung führte und nichts veränderte, sonst gäbe es nicht so viele Kriege auf dieser Welt. Die Bilder davon, die er auf dem kleinen Bildschirm im Bus gesehen hatte, sprachen Bände. Ullisten Getrillum beschloss diese Kriegsherde zu umgehen. Als erstes musste er diese gestaltwandlerischen Schleimbeutel von Adschirr´arr abhängen, dann konnte er Informationen über diese Welt sammeln. Plötzlich freute er sich über diesen Einsatz. Endlich konnte er etwas Bedeutenderes tun, als ein religiöses Kultobjekt für die Shirag zu suchen, auch wenn es angeblich die schrecklichste Waffe im ganzen Universum sein sollte, was er nicht ganz glaubte. Die Shirag hatten manchmal eine seltsame Art von Humor und ihn oft genug auf den Arm genommen. Er würde diesen Planeten erkunden, Verbündete unter den Menschen suchen und es sich eine Weile gut gehen lassen, sobald er den Adschirr´arr entkommen war. Hier gab es Nahrung und Frauen im Überfluss und es gab Freiheit und die wollte er unbedingt behalten. Ullisten Getrillum setzte sich in Bewegung, fest entschlossen seinem Verfolger zu entkommen.

Ullisten Getrillum

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