Читать книгу Die Prophezeiung der Eriny - Lara Elaina Whitman - Страница 10

Ungleicher Kampf

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Es war ein wirklich schöner Morgen und wäre ich nicht so voller Angst gewesen, hätte ich ihn vielleicht auch genießen können. Die Sonne tauchte die Blätter an den Bäumen in ein unwirkliches Licht. Leichter Nebel begann zwischen den Stämmen hindurchzuwehen, je näher ich den keltischen Hügelgräbern und der alten Keltenschanze kam. Den Weg dahin kannte ich genau. Er war Teil des Lehrpfades, der nicht nur die Geologie und Geschichte des Schönbuchs, einem riesigen Waldgebiet südlich von Stuttgart, zeigte, sondern auch zu der Riesenschanze und dem Grabhügelfeld aus der Keltenzeit führte. Thomy und ich waren hier oft gewesen und hatten uns vorgestellt, wie das Leben wohl damals gewesen war. Heute interessierte mich das nicht im Geringsten. Ich lief so schnell ich konnte den breiten Waldweg entlang, da ich wusste, dass weiter vorne der Pfad abzweigte, der zu dem konstruierten Hügelgrab mit den keltischen Stelen führte. Die Stelen waren leider nur Nachbildungen von Grabfunden aus bedeutenden Keltengräbern in Baden-Württemberg, ebenso wie dieser Grabhügel, aber der Obelisk war ja auch nicht von den Kelten gemacht worden und funktionierte trotzdem. Vielleicht gab es doch eine Triskele, auch wenn das Ganze nicht echt war. Außerdem führte der Pfad zur echten Keltenschanze sowieso dort vorbei und ein Blick darauf konnte nicht schaden. Die Ausstellung befand sich auf einer Lichtung mitten im Wald. Der Pfad dahin war schmal und jetzt im Sommer üppig umwachsen. Es war besser als auf dem breiten Waldweg, wo mich der Fetan ganz schnell finden würde, sollte er noch nach mir suchen. Schließlich war es von hier nicht allzu weit zum Haus von Maria Mahler und ich hatte keine Ahnung wie er es anstellte, mich unter all den Gerüchen, die der Wald ausdünstete, zu erkennen. Mit Seitenstechen bog ich in den Pfad ein, der zu den Stelen führte. Er war dunkel, da er von vielen Nadelbäumen überwachsen war. Nebelschwaden zogen auf und umhüllten mich wie eine nasse Decke. Die Feuchtigkeit kondensierte an meinem T-Shirt und sorgte dafür, dass es wieder ganz klamm wurde. Ich fröstelte. In der Ferne hörte ich ein Kreischen. Erschrocken blieb ich stehen und lauschte, aber es war wieder still. Vielleicht ein anderes Tier? Nervös lief ich weiter. Immer wieder sah ich mich um und spähte durch die Baumstämme hindurch. Das Unterholz war dicht mit Blättern bewachsen, so dass ich nicht weit sehen konnte. Ein ungutes Gefühl, nicht zu wissen, was hinter dem nächsten Buschwerk lauerte. Aber, das hieß auch, dass ich genauso wenig zu sehen war. Vielleicht verschaffte mir das einen Vorteil. Unmittelbar vor mir tauchte endlich die Lichtung auf. Die Steinstelen standen wie Mahnmale einer alten Zeit um das nachgebaute Hügelgrab herum und schienen es zu bewachen. Es kam mir ein wenig sinnlos vor. Aber auch diese Krieger hier waren ja nur Nachbildungen und es würde sie dann vermutlich nicht stören, auf etwas Nachgebautes aufzupassen. Den Krieger von Hirschlanden mochte ich besonders gerne. Den fand ich immer schon irgendwie eindrucksvoll. Wie oft hatte ich ihn mir vorgestellt, lebensgroß, in einer Lederrüstung mit dem Goldreif um den Hals, der ihn vor Dämonen schützen sollte. So einen Reif hätte ich jetzt auch brauchen können. Unwillkürlich musste ich an den schwarzen Krieger aus meinen Träumen denken. Er hatte keinen Goldreif getragen. Ich konnte mich aber nicht genau erinnern.

Nebel umwallte die Stelen und sorgte dafür, dass sie plastisch wirkten, so als wären sie lebendig. Ein erneutes Zischen, dieses Mal ganz in der Nähe, ließ mich aufhorchen. Das war der Fetan. Das Zischen war unverkennbar. Kein Tier auf der Erde gab solche Laute von sich. Ich legte noch einmal einen Zahn zu, obwohl ich müde und ausgepowert war. Irgendwo krachte es im Wald. Der Vogeldrachen kam. Er war auf der Suche nach mir. Ich wollte nicht wissen was passierte, wenn er mich zu fassen bekam. Keuchend lief ich den schmalen Pfad entlang, von dem ich wusste, dass er zu der Keltenschanze führte. Immer wieder stolperte ich über Steine, die vom letzten Regen aus dem Boden herausgeschwemmt worden waren. Das Zischen kam näher, über mir tauchte ein riesiger Schatten aus den Nebelschwaden auf. Der nächste Schrei ging mir durch Mark und Bein. Der Fetan war da, aber ich brauchte doch noch ein wenig zu der Schanze! Blätter rieselten auf mich herab, der Vogeldrachen versuchte durch die Bäume herabzustoßen, wurde aber von den Ästen der Buchen behindert. Verzweifelt rannte ich um mein Leben. Hinter mir krachten Äste auf den Boden. Vor mir tauchte die Riesenschanze auf. Die Schanze bestand nur noch aus einer verfallenen, mit Erde bedeckten Grundmauer aus wenigen Steinen, die im Viereck herum angeordnet waren. Recht viel mehr war nicht mehr davon übriggeblieben. Wo sollte ich suchen? Ich hatte keine Zeit mehr. Rasch wagte ich einen Blick nach hinten, was ich besser nicht getan hätte. Der Fetan war irgendwie durch die Baumkronen gekommen. Er hüpfte jetzt mehr zwischen den Stämmen hindurch, als dass er flog. Er war nicht besonders schnell, denn er musste die Stämme auseinanderbiegen, um sich hindurchzwängen zu können. Ich hatte Glück, dass er so groß war, aber bald würde er mich trotzdem eingeholt haben. Panisch sah ich mich um. Auf den ersten Blick war hier nichts. Ich begann auf der Mauer entlangzulaufen, immer den Blick auf den Boden geheftet, ob irgendwo eine Triskelerune zu finden war. Hinter mir rauschte es und dann wurde ich nach vorne geschleudert. Der Fetan hatte nach mir gehackt, war aber von einem der Bäume zurückgehalten worden, die er auseinanderdrücken musste, um an mich heranzukommen. Der Stoß beförderte mich unsanft auf den Boden. Mein Rücken schmerzte von dem Schnabelhieb und meine Knie waren auf den Steinen aufgeschlagen. Das gab bestimmt blaue Flecken. Ich musste mich mit meinen Händen abstützen. Mein Zeichen brannte wie verrückt, als es den Boden berührte. Ich hatte vergessen den Handschuh wieder anzuziehen. Was war, wenn ich mich an der Stelle verletzte, überlegte ich besorgt. Vielleicht funktionierte es dann nicht mehr, bis es abgeheilt war. Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Der Fetan schaffte es erneut zwischen den Bäumen durch und hackte mit seinem krokodilzahnbewehrten Schnabel nach mir. Ich schleuderte einen Ast nach ihm und traf ihn am Kopf. Das Ungeheuer schrie wütend auf und riss den Schnabel weit auf. Die scharfen Zähne waren wirklich beängstigend. Vogelspeichel tropfte auf den Boden herab. Das fremdartige Wesen wollte mich fressen, jetzt war ich mir ganz sicher. Die Druiden wollten mich nicht lebend, soviel stand fest. Das Vogelwesen startete erneut einen Angriff. Ich warf mich zurück, der Schnabel hackte in den Boden. Das nächste Mal würde er mich bekommen, aber hier war keine Triskelerune. Ich konnte nichts finden, keine glitzernden Goldfäden, kein graues Symbol, nichts. Die Verzweiflung begann mich zu lähmen. Mutlosigkeit breitete sich in mir aus, wie Fäulnis in einem Apfel. Ob ich noch einmal den Stein nehmen sollte, auch wenn ich wieder auf der Wiese landete? Besser als hier gefressen zu werden. Mir blieben nur Sekunden. Hektisch griff ich in die Tasche und umschloss den Stein. Über mir sauste der schreckliche Schnabel herab, doch ich wurde in den Tunnel gezogen, bevor er mich erwischte. Keuchend vor Angst blieb ich dieses Mal auf dem glitschigen, schleimbewachsenen Boden in der Dunkelheit liegen. Ich war nicht zurückgeworfen worden wie gestern Nacht und nach ein paar Minuten war ich mir sicher, dass der Fetan mir nicht folgen konnte. Erleichtert setzte ich mich auf. Etwas kroch mein Hosenbein entlang und berührte meine nackte Haut. Es war schleimig. Das gab mir den Rest. Gehetzt sprang ich auf und rannte wie verrückt auf das blinkende Licht zu. Doch bevor ich dort ankam, verschwand es einfach. Verwirrt blieb ich stehen. Das war doch nicht möglich. Um mich herum war nur noch Dunkelheit. Feuchtigkeit tropfte leise von oben herab und nässte mich ein. Und ganz langsam hörte ich ein dumpfes Rascheln um mich herum, begleitet von einem unheimlichen Schmatzen und Wispern. Ich war gefangen in dem Tunnel. Eine tiefsitzende Angst überrollte mich, von der ich gar nicht wusste, dass ich so etwas fühlen konnte, und ich versuchte das bisschen Verstand zusammenzuhalten, das ich noch hatte. Die pechschwarze Finsternis machte mir zu schaffen.

»Bleib ruhig!«, Sarah, sagte ich mir selbst. Das Schmatzen und Rascheln kam näher. Ich versuchte weg zu kommen und tastete mich in die Richtung vorwärts, in der ich das weiße Licht zum letzten Mal gesehen hatte. Schnell fort von dem was da hinter mir herkam. Doch der Tunnel endete urplötzlich an einer Felswand. Hektisch zog ich meinen Rucksack ab und kramte nach meiner Taschenlampe, während ich versuchte die Schleimtiere, die meine Meerdrachenhose enterten, abzustreifen. Vielleicht gab es hier eines dieser grauen Symbole. Mir war mittlerweile klar, dass die grauen Symbole in die Tunnel führten und die goldglitzernden netzartigen Zeichnungen mit der Rune in der Mitte in einen Hain aus Bäumen oder Menhiren. Endlich fand ich die Taschenlampe, doch bevor ich sie anknipsen konnte, hörte ich Stimmen hinter mir, menschliche Stimmen.

»Wo ist sie?«, fragte eine Frau genervt.

Ich erkannte sofort Diwezah Brion in ihr. Entsetzt tastete ich die Wand ab. Hier musste es doch einen Ausgang geben.

»Sie muss hier irgendwo sein. Sie kann nirgendwo hin. Wir haben das Symbol mit einem Zauberbann belegt«, antwortete ein Mann.

»Zauberbann?«, dachte ich panisch. Wie konnte es sein, dass sie in diesem Tunnel waren. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Der Zugang über den Computer von Thomys Vater. Sie mussten einen Weg gefunden haben, hier hinein zu gelangen. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht vor Wut und Frustration laut zu schreien.

Weit hinter mir im Tunnel, dort wo ich noch nie hingegangen war, erklang ein lautes röhrendes Brüllen. Oh Gott, was kam da denn an?

»Was war das?«, hörte ich Diwezah Brion den Mann fragen.

»Keine Ahnung, aber mich hat gerade irgendetwas gebissen. Verdammt, was ist hier in dem Tunnel«, fing der Kerl an zu kreischen.

Irgendwie freute ich mich darüber. Das war zwar gemein, aber ich konnte einfach nicht anders. Diese schrecklichen Menschen wollten mich schließlich töten.

Zu dem röhrenden Brüllen gesellte sich jetzt das Gekreische einer Frau und das Brüllen eines Mannes. Offenbar wurden die beiden gerade von irgendetwas Widerlichem überfallen, ich wollte gar nicht wissen, was das war. Hastig drehte ich mich wieder zu der Wand um und begann sie zu untersuchen. Erst konnte ich nichts ertasten, doch dann war ich mir sicher, dass hier ein Symbol war. Irgendetwas klebte darauf, irgendetwas, das mich zurückzucken ließ. Doch die Schleimbiester versuchten nun auch mich in Massen zu erklettern. Nur meine Meerdrachenhose schützte mich ein wenig vor ihnen. Ich musste hier heraus. Ohne weiter darüber nachzudenken griff ich nach dem etwas, das auf dem Symbol klebte und zog daran. Es gab ein hässliches Geräusch. Ich konnte einen rauen Lappen fühlen. Entsetzt ließ ich ihn fallen. Einhornhaut. Ich war mir hundertprozentig sicher. Wieviel Einhörner sie wohl dafür schon getötet hatten? Es machte mich traurig. Ich musste an Saphirauge denken. Etwas rastete ein und dann erschien ein helles Licht, dass mich ohne Vorwarnung nach draußen Zog. Unsanft landete ich auf der Schafwiese hinter unserem Haus, direkt neben dem Obelisken und über mir erscholl ein triumphierendes Kreischen. Der Fetan kreiste hoch über mir in den Wolken und ich hatte keine Deckung. Doch dann sah ich es. Auf der anderen Seite der Wiese, an der alten Eiche, die da einsam und verlassen am Spazierweg stand, erschien ein goldenes Gitternetz mit einer Rune in der Mitte. Ich war so glücklich, dass ich förmlich über die Wiese flog. Hinter mir rauschte es gewaltig. Der Luftdruck der Schwingen ließ mich taumeln, doch bevor mich der Vogeldrachen mit seinen vorgestreckten Klauenfüßen packen konnte, hatte ich meine Hand mit dem Zeichen auf die Rune gelegt und verschwand. Ich sah nicht mehr, wie der Fetan gegen den Baum krachte, der von dem Aufprall fast aus dem Boden gerissen wurde. Einer der dicken Äste brach ab und krachte auf den Weg herunter.

Die Prophezeiung der Eriny

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