Читать книгу Die Prophezeiung der Eriny - Lara Elaina Whitman - Страница 13
Der Spähtrupp
ОглавлениеLeises Flüstern und ein seltsames Klackern weckten mich auf. Ich konnte mich nicht bewegen, da ich gefesselt kopfüber über dem Rücken eines Tieres hing, dessen Geruch mir vertraut vorkam. Das Tier roch nach Aas. Benommen versuchte ich den Kopf soweit zu heben, damit ich das Geschöpf besser betrachten konnte. Es war ein Einhorn, aber nicht so eines wie Saphirauge, sondern kleiner und gedrungener. Es hatte sogar Fell und keine Schuppen, aber nicht wie ein Pferd, sondern eher wie der Vogeldrachen. Seine vier Beine endeten in paarigen, breiten, krallenbewehrten Zehen und sein Kopf war länglich und hatte einen dicken Schnabel. Auf dem Kopf hatte es ein kurzes gewundenes Horn, nicht länger als fünfzig Zentimeter. Es trampelte unruhig auf der Stelle. Offenbar passte ihm die Last auf dem Rücken nicht, denn es versuchte mich an einem Baumstamm abzustreifen. Zum Glück stand der Sattel soweit ab, dass es nicht an mich herankam, egal wie sehr es sich bemühte. Es hätte mich ansonsten bestimmt erdrückt. Langsam begriff ich, dass ich gefangen war. Jemand hatte mich auf den Kopf geschlagen und zu Boden geworfen. Ich hatte davon heftige Kopfschmerzen und meine hängende Lage machte das nicht besser. Mühsam drehte ich den Hals auf die andere Seite in Richtung des Flüsterns, damit ich wenigstens sehen konnte wer mich gefangen genommen hatte. Die Fesseln, mit denen man mir Hände und Füße zusammengebunden hatte, schnitten mich bei jeder Bewegung ins Fleisch. Ich stöhnte leise. Alles tat mir weh. Ich wollte sehen, welchen Rohlingen ich in die Hände gefallen war.
Einer der Männer kam herüber und fasste in mein Haar. Er zog meinen Kopf in den Nacken. Ich schrie vor Schmerz auf.
»Du wagst es hierher zurück zu kommen, Hexe!«, Sartyr Hoagot ließ meine Haare wieder los.
Mein Kopf fiel gegen die Flanke des Einhorns. Das Tier grummelte unruhig. Von allen Menschen, denen ich in Aremar hätte begegnen wollen, war er der letzte.
»Du brauchst keine Hoffnung zu haben. Niemand wird dich dieses Mal retten, Hexe. Ich liefere dich aus. Auf deinen Kopf ist ein hoher Preis ausgesetzt. Jetzt wirst du deine gerechte Strafe bekommen«, sagte er mit vor Zufriedenheit triefender Stimme.
Ich ersparte mir eine Antwort. Verzweiflung übermannte mich und ich begann leise zu weinen. Der Triskelewächter würde seine Worte in die Tat umsetzen. Ich hatte von ihm keine Gnade zu erwarten.
Die Nacht verbrachte ich in der unbequemen Haltung auf dem Einhorn. Ebenso den nächsten Tag. Mein Kopf schien dabei um das doppelte anzuwachsen. Das Blut konnte nicht richtig abfließen. Mir wurde immer schwindeliger und übler. Ich war mir sicher, dass er mich damit schwächen wollte, aus Furcht ich könnte ihn verhexen. Irgendwann sah er jedoch ein, dass ich den Transport in dieser Lage nicht überleben würde und zog mich unsanft von dem Reittier herunter. Die folgenden Nächte ließen sie mich angekettet an einen Baum neben den Einhörnern schlafen, während sie sich in den Schutz ihrer Zelte zurückzogen. Offenbar dachten sie, dass eine Hexe von nichts gefressen wurde. Wären die Einhörner nicht gewesen, dann hätte ich bestimmt als Futter in irgendeinem Magen irgendeines Untieres geendet. Ich fühlte mich hundeelend, zerstochen von all dem Ungeziefer, das zwischen den Blättern hauste und mich nachts auszusaugen schien. Tagsüber wurde ich wieder auf die gleiche grobe Art und Weise transportiert, verschnürt wie ein Paket. Mittlerweile war ich nicht einmal mehr in der Lage von alleine zu stehen. Jedes Mal, wenn sie mich vom Einhorn herunterzogen, fiel ich einfach um wie ein nasser Sack.
Der Trupp bestand aus fünf Männern, die sich mehr oder weniger durch den Wald schlichen. Die Männer hatten Angst, das stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie waren sehr nervös und schossen immer wieder Pfeile in den Wald ab, obwohl dort bestimmt nichts war. Allmählich jedoch veränderte sich die Landschaft. Der Wald wich Feldern und Wiesen, die Männer wurden selbstsicherer und begannen über mich zu spotten. Ich bekam fast nichts davon mit. Meine Kräfte schwanden und ich fiel in eine Art Delirium. Mehr tot als lebendig kamen wir irgendwann in einer großen Festung an. Der Exerzierplatz vor dem hohen Gebäude füllte sich mit Soldaten. Es erinnerte mich an das erste Mal, als ich in so eine Kaserne geführt worden war. Mir schien es, als wäre das Jahrhunderte her. Ich wurde vorgeführt wie eine Siegestrophäe. Jemand zerrte mich vom Einhorn und schleifte mich in ein Gebäude, dann eine Menge Treppen hinunter in einen dunklen Kerker. Ich war zu schwach mich zu wehren.
»Dieses Mal wirst du nicht ausbrechen«, sagte eine mir bekannte Stimme in dem dunklen Verlies. Adraboran Fremont war hier und ich wusste, dass er es ernst meinte. Sie ließen mich gefesselt und banden mich an eine Art Pfahl. Mir war schlecht und ich hätte mich übergeben, wäre etwas in meinem Magen gewesen. Wenigstens hatten sie mir meinen Handschuh nicht ausgezogen, aber der Stein des Tektek-Dämons war fort. Sie hatten mir alles weggenommen und mir eine Art Sack übergestreift. Nur meine Meerdrachenhose und die Stiefel hatten sie nicht angetastet. Die Tür schloss sich und es wurde dunkel in dem feuchten Loch. Meine Knie sackten weg, Ohnmacht hüllte mich ein.
Jemand schüttelte mich und klatschte mir irgendetwas ins Gesicht. Es war kalt und nass. Ich riss die Augen auf, konnte sie aber kaum offenhalten.
»Was habt ihr mit ihr gemacht? So ist sie wertlos«, sagte eine Frauenstimme, die ich nicht kannte.
»Nichts, wir haben nichts gemacht. Sie kam schon so an.« In Adraboran Fremonts Stimme konnte ich so etwas wie Furcht hören. Irgendwie freute ich mich darüber.
»Die Trottel, die sie gefangen haben, sollen dafür bestraft werden. Gebt ihr zu essen und zu trinken. Schickt Mägde, die sie waschen und neu einkleiden. Bindet sie danach wieder an, solange ich nicht weiß wie gefährlich sie ist. Mir scheint aber Diwezah Brion hat recht. Das Mädchen ist unbedeutend, zu schwächlich. Ihr Zeichen ist kaum zu erkennen. Damit hat sie nie und nimmer einen Tunnel geöffnet. Los geh schon! Sie sollen sich beeilen. Ich möchte die Dirne hier bei Kräften sehen, wenn ich das nächste Mal wiederkomme.«
Die Frau ging. Ihre Gewänder rauschten wie Blätter im Wind. Adraboran Fremont war schon davon geeilt wie ein geprügelter Hund. Wenigstens hatten sie eine Kerze zurückgelassen. In ihrem Schatten bewegte sich etwas. Eine Kette rasselte leise.
»Sarah! Oh, Sarah. Du bist wach! Es tut mir so leid«, hörte ich eine bekannte Stimme sagen.
Ich hob den Kopf, ungläubig darüber wen ich da einige Meter entfernt vorfand.
»Kadmus? Bist du das?« Ich erkannte die zerlumpte Gestalt kaum wieder.
»Ja, ich bin es. Warum bist du wieder nach Aremar gekommen?«, fragte er traurig.
»Ich hatte keine Wahl. Sie haben einen Fetan hinter mir hergejagt. Was machst du hier? Wo sind meine Eltern?« Mit Entsetzen fiel mir ein, dass Kadmus Kentrendan derjenige war, der versprochen hatte sich um sie zu kümmern.
»Sarah, das habe ich nicht gewollt, du musst mir das glauben. Ich weiß nicht was sie mit ihnen gemacht haben. Sie haben sie mitgenommen. Ich konnte nichts dagegen tun, jedenfalls nicht auf der Erde. Also habe ich einen Weg gesucht, wieder nach Aremar zu kommen, was gar nicht so einfach war. Die Triskelepfade spielen verrückt. Doch hier fand ich mich plötzlich mitten in einem Putsch. Du hast Recht gehabt, Sarah. Der Hexenzirkel hat die Regentschaft gestürzt und eure Oberdruiden haben dabei mitgemacht. Jetzt haben sie allerdings nicht mehr viel zu sagen, wie du eben bemerkt hast.« Verbitterung lag in der Stimme von Kadmus Kentrendan.
»Das ist ja furchtbar, Kadmus. Wo ist dein Vater?« Ich erinnerte mich, dass Nominor Lescan, König der Venetaner in Aremar, den Ausschlag für meine Freilassung gegeben hatte. Doch Kadmus Kentrendan schüttelte nur traurig den Kopf. Ich wusste auch so, was er mir damit sagen wollte. Vermutlich saß er ebenfalls in irgendeinem dunklen Loch.
Die Kerkertür ging erneut auf. Ein paar Frauen kamen herein, sahen sich verschreckt um. Vorsichtig näherten sie sich mir. Eine von ihnen hatte doch tatsächlich eine Art Waffe in der Hand. Sie sprachen nicht, sondern banden mich los, während sie die Waffe auf mich richteten. Ich hätte fast gelacht. Was immer man ihnen erzählt hatte, es war kompletter Blödsinn. Sie wuschen mich. Als sie meine Wunden sahen, flammte so etwas wie Mitleid in ihren Augen auf. Wenigstens gingen sie vorsichtig mit mir um und versuchten mir nicht weh zu tun. Dann flößten sie mir eine Art Suppe ein. Als sie fertig waren kamen Wachen und banden mich wieder an den Pfahl. Ich hing mehr, als dass ich stehen konnte. Die Frauen liefen rasch davon. Es würde mehr brauchen als ein paar Löffel Suppe, um mich wieder auf Vordermann zu bringen. Im Augenblick war ich fast froh darüber. Sollte diese fremde Frau feststellen, dass mein Zeichen nicht mächtig genug war, blieb mir wenigstens eine grausame Amputation erspart. Ich war mir sicher, dass sie meine Hand einfach abhacken würden.
»Kadmus? Wer sind diese Leute?«, flüsterte ich nach einer Weile.
»Magisterin Alastora Elez, Sie ist eine unserer Oberdruidinnen und leitet offenbar auch noch einen geheimen Hexenzirkel. Sie strebt die Königswürde an und bezeichnet sich selbst als Rig. Das ist ein sehr alter Titel, den wir eigentlich schon lange nicht mehr benutzen. Wir wussten, dass der Zirkel existierte, haben aber nicht geglaubt, dass er jemals so mächtig werden könnte. Sie wollen Aremar für sich alleine und auch die Erde zurückerobern. Sie haben den Krieg mit den Eriny angefangen. Davon wussten wir lange nichts. Sie waren sehr geschickt. Alastora Elez hat es geschafft unter der Bevölkerung einen Haufen Ambacti, Gefolgsleute, für ihre Sache zu begeistern.« Kadmus Kentrendan nestelte an seinen Ketten, während er mir das erzählte, aber es war ein fruchtloser Versuch. Die Ketten leuchteten bläulich.
»Kannst du dich befreien?«, fragte ich, aber ich wusste auch so, dass ihm das nicht gelingen würde. Die Sache mit dem Umsturz musste ich erst einmal begreifen. Was bedeutete das für Thomy … und Wrehs? Mein Herz wurde noch banger, als es ohnehin schon war. Ich wollte nicht, dass ihnen etwas passierte.
»Ich fürchte nein. Ich bekomme sie nicht auf. Die haben irgendetwas damit gemacht. Normalerweise bin ich gut in solchen Dingen.« Kadmus Kentrendan lehnte sich erschöpft zurück. Er sah müde aus. Niemand hatte ihm etwas zu essen gebracht. Wollten die ihn etwa verhungern lassen?
Plötzlich wurde mir klar, warum Kadmus seine Fesseln nicht aufbekam. »Sie haben einen Bann darauf gelegt. Das machen sie mit Einhornhaut. Vielleicht ist dort auch irgendwo ein Stück davon.«
Kadmus Kentrendan hob den Kopf und sah mich skeptisch an. Dann widmete er sich noch einmal dem Kettenschloss an seinem Handgelenk. Nach einer Weile sagte er, »Sarah, ich glaube du hast recht. Da steckt etwas Gräuliches fest, aber ich bekomme es nicht heraus.«
»Einhornhaut! Sie können nicht anders zaubern, nur damit«, flüsterte ich erschöpft und schlief wieder ein.