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Wilde Flucht

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Fast gleichzeitig sprangen Kadmus Kentrendan und ich von unseren Sitzen hoch. Mein Vater und meine Mutter lauschten verwirrt, doch meine Großmutter war ebenfalls aufgestanden und zum Wohnzimmerschrank gegangen.

»Schscht!«, sagte sie und bedeutete uns allen von den Fenstern weg zu bleiben. Dann zog sie ein kleines Säckchen aus einer der Schubladen des Schranks und öffnete es. Mit ernstem Blick sah sie uns an.

»Die haben einen Fetan dabei. Einen vierfüßigen Drachen mit spitzem Schnabel, messerscharfen Zähnen und roten Augen. Er ist enorm gefährlich. Außerdem kann er fliegen und gut riechen, aber er hört nicht gut. Seid leise.«

»Was?«, mehr bekam ich nicht über die Lippen. Kadmus Kentrendan zerrte mich von den Fenstern weg, da ich unbedingt hinausspähen wollte. Ich musste wissen, wie das Ding aussah, das uns fressen wollte.

Meine Großmutter warf mir einen beunruhigten Blick zu und bedeutete uns noch einmal still zu sein. Dann ging sie zur Terrassentür und schlüpfte hinaus.

»Oma!«, murmelte ich entsetzt.

Durch das Fenster sah ich einen grellen Blitz in die Höhe schießen und Stimmen schrien laut durcheinander. Ich konnte die Stimme meiner Großmutter heraushören. Bevor ich schreien konnte, legte mir mein Vater eine Hand auf den Mund. Wenig später wankte meine Großmutter zur Terrassentür herein. Sie war über und über mit einer roten Farbe besudelt. Meine Mutter sah sie verstört an.

»Nur rotes Pulver! Keine Sorge!«, krächzte meine Großmutter leise. Ein Hustenanfall schüttelte sie. »Wasser!«

Meine Mutter stürzte zum Tisch und schenkte ihr ein Glas voll ein. Meine Großmutter trank in gierigen Schlucken. Endlich hatte mein Vater meinen Mund wieder freigegeben. Draußen war es totenstill.

»Ihr habt nur ein paar Minuten. Ihr müsst verschwinden«, sagte meine Großmutter schwach.

»Was? Wohin?«, fragte ich entgeistert.

»Marlies, pack zusammen. Du hast fünf Minuten, dann müsst ihr draußen sein. Solange hält die Betäubung. Das Notfallset ist im Keller.« Meine Großmutter sank erschöpft in ihrem Stuhl zusammen. Sie sah um Jahre gealtert aus.

»Wir können doch nicht einfach von hier abhauen«, protestierte mein Vater schwach.

Ich verstand ihn. Er hatte einen Job und konnte dort nicht einfach wegbleiben. Meine Großmutter sah ihn bitter an. »Die Welt verändert sich«, flüsterte sie und schloss die Augen.

Mir lief eine Gänsehaut. Es erinnerte mich an meinen Traum, nur, dass ich da nicht in unserem Wohnzimmer war, sondern in einem düsteren, finsteren, verdreckten Kerker.

Meine Mutter, die getan hatte was meine Großmutter verlangt hatte, kam mit einem kleinen Rucksack zurück und gab ihn mir. »Hier, ein paar Sachen für dich, Sarah. Das Nötigste, ein wenig Geld, Ausweis, Notrationen. Wir bleiben hier. Großmutter wird das nicht schaffen.« Ich griff mechanisch nach dem Rucksack und hängte ihn mir auf den Rücken. Sie nahm mich in den Arm. »Es tut mir leid, dass wir dir nicht alles erzählt haben und jetzt haben wir keine Zeit mehr. Du musst fort von hier. Ich will, dass du in Sicherheit bist. Sie werden uns nicht töten.«

»Maman!«, stammelte ich. Tränen rannen über meine Wangen hinunter. »Sie werden euch böse Dinge antun. Ich gehe nicht ohne euch.«

Kadmus Kentrendan berührte mich an der Schulter. »Ich werde sie aufhalten. Geht wohin auch immer ihr gehen wollt, nur nicht nach Aremar.«

Dafür, dass er eben noch steif und fest behauptet hatte, dass er nicht an Magie glaubte, war er ziemlich ruhig. Offenbar waren ihm solche Monster nicht fremd. Vermutlich hatte er auch dafür eine natürliche Erklärung parat. Immerhin sah er jetzt mit eigenen Augen, wozu Diwezah Brion fähig war. Dann musste er mir doch glauben oder etwa nicht? Leider hatte ich keine Gelegenheit ein paar Fragen los zu werden.

Meine Großmutter erhob sich mühsam. »Ich danke Euch, Hoheit. Unterschätzt sie nicht.«

»Aber wo sollen wir denn hin?«, fragte mein Vater noch einmal bestürzt. Er konnte immer noch nicht fassen, was da gerade geschah. »Nach Aremar dürfen wir nicht. Dort wären wir allerdings sowieso nicht sicher.«

»Wir haben doch letztes Jahr das Haus in Irland gekauft. Lass uns dort hinfahren.« Meine Mutter sah meinen Vater fragend an.

Ich wurde immer nervöser. Die fünf Minuten waren längst um. Worauf warteten die denn? Meine Fantasie ging mit mir durch. Ich blinzelte zweimal um sicher zu sein, dass ich mich nicht geirrt hatte. Ein riesiger Schatten erschien am großen Panoramafenster des Wohnzimmers. Bevor ich etwas sagen konnte, zischte es zornig und das Fenster zersplitterte in tausend kleine Stücke. Dem Zischen folgte ein ohrenbetäubendes Jaulen. Ich hielt mir vor Schreck die Ohren zu. Der Fetan war wieder erwacht. Wir waren zu zögerlich gewesen.

Kadmus Kentrendan schrie etwas, das ich nicht verstand, da ich mich auf das Ungeheuer konzentrierte, das vor dem Wohnzimmerfenster einen Tobsuchtsanfall zu haben schien. Der Triskelewächter rannte zur Haustür, meine Eltern und meine Großmutter gingen hinter dem Sofa in Deckung. Ich stand wie angegossen in der Mitte des Raumes und konnte mich vor Angst nicht mehr rühren. Mit großen Augen sah ich, wie sich ein riesiger Schnabel durch das kaputte Fenster hereinschob. Er gehörte zu einem klobigen Kopf, der über und über mit einer Art braungrauer langer Wolle bedeckt war und in einen langen Hals mündete. Entgeistert starrte ich auf die Kreatur. Ich hätte fast geschrien, als sie ihren Schnabel öffnete und eine Reihe entsetzlich spitzer krokodilartiger Zähne sehen ließ. Der Fetan gab ein schauriges Zischen von sich, als er mich erblickte. Mein Glück war, dass er nicht durch das Fenster hindurch passte. Ich stolperte rückwärts und flüchtete in Panik aus dem Wohnzimmer hinaus und die Treppe hinauf.

Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Kadmus Kentrendan in der offenen Haustür stand und wütend auf einen Mann einredete, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Mitten im Schritt erstarrte ich, denn hinter dem Mann blockierte eine schwarze Limousine die Auffahrt. Ich erkannte sie sofort, nicht nur, weil Diwezah Brion gerade das Fenster herunterließ und mich triumphierend anblickte. Ich wusste, ich hatte keine Zeit mehr. Meine Knie wurden weich und ich stolperte mehr die Treppe hinauf, als dass ich lief. Aber was machte ich hier oben eigentlich? Hier konnte ich nirgendwo hin? Verzweifelt drehte ich mich im Kreis. Mir fiel nichts ein. Unten hörte ich die Stimme der Obermagierin, kalt wie Eiswasser und dann kam sie ins Haus. Kadmus Kentrendan hatte sie nicht aufhalten können. Mit Tränen in den Augen dachte ich an meine Eltern. Würde sie sie ebenfalls in Skoffs verwandeln oder gar noch schrecklichere Dinge mit ihnen tun? Vielleicht war es gut, dass der Prinz hier war. Möglicherweise hielt sie sich deshalb ein wenig zurück. Ich konnte ihre fürchterliche Aura bis nach oben spüren. Den einzigen Weg, der mir jetzt noch blieb um von hier wegzukommen, hatte ich noch nie ausprobiert. Der Tektek-Dämon war der Überzeugung, dass es mich töten würde. Vielleicht hatte er recht, aber ich war lieber tot, als dass ich dieser grausamen Hexe in die Hände fallen würde. Rasch zog ich meinen Handschuh aus, griff nach dem Stein des Tektek-Dämon in meiner Hosentasche und legte ihn auf meine Handfläche, in der das Zeichen der Eriny wieder sanft leuchtete. Fest schloss ich meine Finger um ihn. Ein weißes Glühen hüllte mich ein, dann wurde es Nacht um mich herum.

Die Prophezeiung der Eriny

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