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Der Feenteich

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Das Haus war dunkel. Nichts deutete darauf hin, dass Maria Mahler zuhause war. Mein Herz sank mir in die Hose. Ich schalt mich einen Idioten. Es war doch bestimmt schon spät in der Nacht und Maria Mahler ging immer ziemlich früh schlafen. Energisch drückte ich auf die Glocke. Das Geräusch des Gongs drang durch ein gekipptes Fenster zu mir heraus, doch drinnen rührte sich nichts. Ich läutete noch einmal Sturm. Dieses Mal ging Licht im oberen Stockwerk an, dort wo Thomys Mutter ihr Schlafzimmer hatte. Gleich darauf öffnete sich das Fenster und ein Kopf erschien.

»Wer ist da?«, fragte Maria Mahler schlaftrunken.

Ich konnte so etwas wie Hoffnung in ihrer Stimme hören. Sie dachte bestimmt Thomy wäre nach Hause gekommen. Bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich ein fernes Rauschen, das mich erstarren ließ. Der Fetan kam.

»Maria! Ich bin es, Sarah. Lass mich bitte hinein. Bitte! Der Fetan kommt! Bitte!«, rief ich panisch.

Oben schloss sich das Fenster und ich blieb im Licht der Straßenlaternen alleine zurück. Ließ mich Maria etwa im Stich? Das Rauschen kam näher. Ich drückte mich gegen die Eingangstür und versuchte mich klein zu machen. Der Fetan zog Kreise über dem Wald. Vielleicht hatte er meine Witterung noch nicht aufgenommen.

Drinnen drehte der Schlüssel und zu meiner grenzenlosen Erleichterung machte Maria Mahler die Tür auf. Ich schob sie einfach nach innen und machte die Tür schnell wieder zu, dann löschte ich das Licht. »Pst!«, mehr sagte ich nicht. Thomys Mutter konnte es schließlich auch von alleine hören. Der Fetan war über dem Haus und schlug wild mit den Flügeln. Er hatte mich gefunden.

»Was ist das?«, hauchte Maria Mahler mit schreckgeweiteten Augen. Ihr Gesicht sah im Schein der Straßenlaterne, das durch das schmale Fenster im Flur hereindrang, ganz bleich aus.

»Ein Vogeldrachen aus Aremar … Orbis Alius«, flüsterte ich hektisch zurück. Ich hatte keine Zeit mehr ihr mehr zu erklären. Ich musste durch den Tunnel, denn wenn ich weg war, würde der Fetan bestimmt verschwinden. Zumindest redete ich mir das ein. »Maria, ich habe Thomy gesehen. Es geht ihm gut. Ich habe keine Zeit dir alles zu erklären. Ich muss sofort von hier weg. Ist der PC noch an?«

Maria Mahler nickte. Ein freudiges Strahlen war über ihr Gesicht gehuscht, das sofort wieder erlosch. »Du willst doch da nicht hindurch, oder?«

Ich nickte nur und begann sie in Richtung Thomys Zimmer zu ziehen. Der Fetan draußen gebärdete sich wie wild, auf der Suche nach einem größeren Fenster, um in das Haus hinein zu kommen. Irgendetwas zersplitterte draußen. »Maria, wenn ich nicht gehe, dann wird er mich fressen. Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass er mir gefolgt ist. Bitte, lass mich durch den Tunnel gehen.«

Draußen zertrümmerte der Fetan ein paar Blumentöpfe, die krachend auf der Terrasse zerschellten. Maria Mahler zuckte voller Angst zusammen. »Was ist mit mir? Wird er mich auch fressen?«

»Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube nicht. Er ist von den Druiden hiergelassen worden, um mich zu finden. Sie können es sich bestimmt nicht leisten, Menschen zu verletzen. Willst du mitkommen? Es könnte aber dort noch gefährlicher werden als hier.« Wir hatten Thomys Zimmer erreicht und ich stieß die Tür auf. Der Computer war noch an und auf dem Bildschirm blinkte das weiße Licht. Ohne zu Zögern griff ich nach der Maus, doch Maria hielt mich zurück.

»Sarah, das kann ich nicht zulassen«, sagte sie traurig. Ich sah, wie sie eine Pistole aus der Tasche ihres Morgenmantels herauszog und auf mich richtete.

»Maria? Was tust du da?«, rief ich erschrocken.

»Sarah, ich kann nicht anders. Sie waren schon hier, gestern und haben irgendetwas mit mir gemacht.« Maria Mahler zitterte am ganzen Leib, während sie versuchte die Pistole zu entsichern.

Mein Zorn auf Diwezah Brion und ihre Anhänger wuchs mit jeder Minute. »Es tut mir so leid, Maria«, sagte ich und zögerte keinen Augenblick mehr. Ich gab Maria einen leichten Schubs und griff nach der Maus. Reißender Schmerz empfing mich, drehte meine Eingeweide nach außen und verkehrte mein innerstes Ich in alle Richtungen. Ich fiel und fiel und fiel und mir schien, als würde das eine Ewigkeit dauern. Eine dunkle glitzernde Wasserfläche kam auf mich zu und ich klatschte hart auf. Das Wasser war eiskalt. Es nahm die Betäubung von mir fort, die mich während des langen Sturzes ergriffen hatte. Prustend kam ich nach oben. Wo immer ich war, hier war es stockdunkel und ziemlich kalt. Das Wasser war tief, ich konnte nicht stehen, also versuchte ich zu schwimmen, aber ich kam nicht weit, sondern stieß gegen etwas Schlammiges. Erschrocken zog ich meine Hand zurück, um dann vorsichtig erneut zu fühlen, was da war. Kalter Schlamm und Gras berührten meine Finger. Ein Ufer? Ich krallte mich fest und begann mich nach oben zu ziehen, auf trockenes Terrain. Schweratmend legte ich mich am Rand des Gewässers auf den Rücken und versuchte erst einmal zu Atem zu kommen. Am ganzen Körper zitternd vor Kälte schloss ich die Augen, meine Sinne begannen zu schwinden. Die Reise durch den Tunnel hatte mich all meine Kraft gekostet. »Ich werde hier an Schwäche sterben. Dem Fetan entkommen, aber trotzdem tot«, dachte ich traurig. Das Schicksal hat Sinn für Ironie, würde der Tektek-Dämon wohl jetzt sagen. Mir schwanden die Sinne.

Die Sonne schien durch die Bäume auf mich herab. Es musste früh am Morgen sein, denn ich konnte die Vögel singen hören. Ein beruhigendes Geräusch. Vögel sangen immer sehr früh morgens ihr Konzert. Ich schlug die Augen auf und blickte mich auf dem Rücken liegend um. Buchen breiteten über mir ihre Äste aus, filterten das Licht, das grüngoldene Finger zu mir herunterstreckte. Verwirrt richtete ich mich auf. Mein Shirt war immer noch feucht. Nur die Meerdrachenhose war trocken, samt den Stiefeln. Die war wirklich gut. Mein Shirt dagegen klebte unangenehm an meiner Haut. Ich fror und mein Magen protestierte lautstark knurrend. Wo war ich hier? War das Aremar? Es kam mir so bekannt vor. Zu meinen Füßen befand sich ein winziger Teich, bewachsen mit Schilf und Seerosen. War ich etwa in dieser Froschlache gestern Nacht gelandet? Misstrauisch beäugte ich das Gewässer. Es sah aus wie ein verwunschener Feenteich, hübsch anzusehen. Ein Frosch hüpfte am Ufer entlang, fort von mir. Dieser Teich kam mir bekannt vor. Ich stand auf und blickte den Abhang hinauf. Oben war ein breiter Waldweg, stellte ich erstaunt fest und erschrak gleichzeitig fürchterlich. Den kannte ich und den Teich auch. Das war hinter der Federlesmahd, Richtung Siebenmühlental, wenn ich mich nicht irrte. Ich war nicht in Aremar, sondern nur ein paar Kilometer von Stetten weg wieder gelandet. Aber ich war doch in dem Tunnel. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Ich konnte nicht hindurchgehen. Der Tunnel war blockiert worden und ich war daran abgeprallt wie ein Pingpongball auf der Tischplatte. Die Erkenntnis verschaffte mir noch nachträglich einen Schock. Ich hätte getötet werden können. Aber das hieß ja, dass ich immer noch in Gefahr war. Der Fetan würde mich bestimmt irgendwann finden. Warum hatte er das noch nicht getan? Ich roch an mir. Teichwasser. Ich stank nach Teichwasser. Vielleicht war das der Grund. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass Hunde die Spur verloren, wenn das Wild durch einen Bach lief. Vielleicht war das hier auch so. Aber das war trotzdem nicht gut. Ich saß hier fest, wenn ich keinen anderen Weg hinüber fand und das bedeutete, dass sie mich früher oder später erwischen würden. Mutlos sank ich auf den Boden und vergrub den Kopf zwischen meinen Knien. Von fern hörte ich Hundegebell.

Ich war ja so ein Idiot. Der Weg hier war beliebt bei Spaziergängern und Wanderern. Bald würden Leute vorbeikommen und mich hier sitzen sehen. Sie würden sich bestimmt fragen, was ein junges verdrecktes Mädchen alleine im Wald machte. Ich konnte hier nicht bleiben, also stand ich auf und begann den Weg hinaufzulaufen, Richtung Federlesmahd. Dort war die alte Keltenschanze, oder was noch davon übrig war, sie war ja schon vor sehr langer Zeit gebaut worden. Vielleicht gab es dort auch so einen Hain mit Triskelen. Ich hatte zwar noch nie zuvor etwas bemerkt, aber einen Versuch war es wert. Mein Magen knurrte laut. Mir fielen die Brote meiner Mutter ein. Ob die wohl nass geworden waren? Ich zog im Gehen den Rucksack herunter und machte den Reißverschluss auf. Drinnen war es erstaunlicherweise trocken geblieben, trotz meines unfreiwilligen Bades letzte Nacht. Wenigstens etwas Positives. Hungrig verschlang ich eines der Brötchen. Die anderen hob ich mir lieber auf. Wer weiß, wann ich etwas kaufen konnte. Dann nahm ich einen großen Schluck aus der Wasserflasche und musste fast weinen. Meine Mutter hatte an alles gedacht. Ich fragte mich, wo sie wohl jetzt gerade waren. Ich wischte die Tränen fort. Wenn ich ihnen helfen wollte, dann durfte ich nicht aufgeben.

Die Prophezeiung der Eriny

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