Читать книгу 8 Verse für ein Halleluja - Lars Quittkat - Страница 5

Samstag, 12. Juni, morgens

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Elegant sah sie aus, schlank und von elfenbeinfarbener Farbe war sie. Zärtlich glitt sein Blick über sie hinweg. Unvorstellbar, welches Schicksal ihr ursprünglich hätte bestimmt sein sollen. Wie kann man so eine Schönheit nur derart mit Schmutz besudeln? Doch nun war sie gerettet. Bei ihm war sie sicher; er würde gut auf sie aufpassen.

Sie war ohne Zweifel eine Lady unter ihresgleichen, schlicht und formvollendet. Einziger Schmuck war das rote Ahornblatt in ihrer Mitte und darunter der Aufdruck „Air Canada“. Sanft strichen seine Finger über die glatte, glänzende Beschichtung: Was für eine wundervolle Kotztüte!

Er hatte sie erst heute Morgen geschenkt bekommen. Als er Pohlmanns Edeka gerade mit einer Brötchentüte in der Hand verlassen wollte, schaute der Chef persönlich um die Ecke und winkte ihn nach hinten: „Herr Pastor, hätten Sie einen Augenblick Zeit?”

„Ja, natürlich.” Völlig unerwartet bekam er im Mitarbeiterraum, zwischen Stahlschränken, Kaffeemaschine, Lieferscheinen und Dienstplänen Miss Canada in die Hand gedrückt.

„Ich habe gehört, Sie sammeln so etwas“, hatte Ladenbesitzer Pohlmann gesagt. „Und weil Sie unsere Tochter getraut haben, und den Enkel getauft, und wir diese Reise machen konnten ... Also, da haben wir Ihnen das mal mitgebracht.” Sprachlos hatte Pastor Theo Braun auf das knisternde Geschenk in seiner Hand geschaut.

Dieter Pohlmann war verlegen gewesen. „Ist ja nichts Besonderes. Auch ein bisschen merkwürdig als Geschenk. Ich hab schon zu meiner Frau gesagt: ‚Sollen wir dem Pastor wirklich so etwas mitbringen?‘ Aber sie meinte, Sie würden sich darüber freuen.”

„Das tu ich auch, Herr Pohlmann, ehrlich. Ich bin ganz überrascht und gerührt. Das ist wirklich ein wunderschönes Exemplar, vielen Dank!”

„Sammeln Sie die Dinger wirklich?”

„Ja. Verrückt, nicht wahr?”

„Ein wenig schon.”

„Aber glauben Sie mir, es gibt noch andere Menschen, die so etwas sammeln. Hatten Sie denn eine schöne Reise?”

Herr Pohlmann hatte gestrahlt: „Herrlich! Einfach toll. Wir waren vier Wochen lang drüben, erst bei Verwandten und dann unterwegs mit einem Wohnmobil. Dieses Land ist so riesig – beeindruckend! Und dann mit meiner Frau zusammen, nur wir zwei – wann konnten wir jemals verreisen? Wir mussten ja immer für das Geschäft da sein.”

„Ihre Kinder haben den Laden in der Zeit aber gut in Schwung gehalten, scheint mir“, hatte der Pastor entgegnet.

Herr Pohlmann hatte zustimmend genickt: „Die haben uns ja die Reise geschenkt und alles organisiert. Damit wir auch mal rauskommen… Also, Herr Pastor, ich muss wieder an die Arbeit. Viel Spaß damit“ – ein Kopfnicken zur Tüte – „und viele Grüße an Ihre Frau.”

Jetzt saß Theo Braun an seinem Schreibtisch und konnte sich von dem Anblick der Tüte gar nicht losreißen. Schließlich gab er sich doch einen Ruck und legte sie beiseite, neben die aufgeschlagene Bibel. Es war Arbeit angesagt. Noch einmal las er den Predigttext für morgen, aus dem Alten Testament:

Jesaja 55, 10 und 11:

Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.

‚Schöne Worte und eine große Verheißung‘, dachte Theo. Das Wort Gottes kehrt nicht leer zurück, sondern bewirkt etwas – sehr ermutigend für einen Prediger.

Manchmal zweifelte er an seiner Aufgabe und fragte sich, ob es nicht vergeblich sei, was er tat. Sonntag für Sonntag sandte er in dieser alten Dorfkirche das Wort Gottes aus und immer waren es dieselben Leute, denen er sich gegenüber sah. Änderte das etwas in ihrem Leben? Tröstete es, gab es Wegweisung oder Zuversicht? Theo war sich da nicht sicher. Er hatte nicht das Gefühl, dass irgendetwas zurückkam.

‚Ich würde es gern einmal erleben, dass das Wort der Bibel ein Leben verändert‘, dachte er. Und schon war er mittendrin in seiner Predigtarbeit, der rote Faden war gefunden. Seine Finger klackerten über die Tastatur. Noch ahnte er nicht, dass sein Wunsch bald Wirklichkeit werden sollte – auf ungeahnte Weise.

***

8 Verse für ein Halleluja

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