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Ein Unwetter

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Auch in Eulalia wurde immer deutlicher, dass das, was sich an Unruhe dort zusammengebraut hatte immer stärker wurde. Seit mehreren Tagen schon herrschte in der Luft diese eigenartige Spannung, die nicht erklärbar war, auch nicht damit, dass man eifrig für den Silvesterabend vorbereitete. Trotz leichten Schneefalls herrschte auf den Straßen großes Gewimmel. Die dünne Schneeschicht lag nur ganz eben auf den Gehwegen und hüllte die Stadt ein, sodass man das Gefühl hatte, mitten in einem Traum zu sein. Alles in den Schaufenstern war herrlich bunt geschmückt. Girlanden, Luftschlangen, Lampions und Lichterketten, die aufblinkten, luden zum Einkaufen ein.

Die Stadtbewohner waren natürlich schon fleißig am Werkeln. Viele Mütter und Omas fingen schon vormittags wunderbar zu backen an, sodass aus allen Londoner Schornsteinen helle Rauchschwaden quollen. Durch die Kälte schienen sie besonders dicht, fast wie Watte. Dem leckeren Duft von Krapfen und Zuckergebäck konnten auch die Katzen nicht widerstehen. Bei dem Aroma spazierten sie umso lieber auf den Dächern und Schornsteinblechen hin und her, um sich ihre kalten feuchten Tatzen aufzuwärmen. Außerdem konnte man von hier oben prima beobachten, wie die Menschen sich auf den Weg machten, um ihre letzten Erledigungen für den Silvesterabend vorzunehmen. Vom Tischfeuerwerk bis zu laut tosenden Knallern und Raketen wurde einfach alles gekauft. Die Eulalen konnten ja nicht wissen, dass der Brauch, das neue Jahr mit Krach und viel Getöse einzuleiten, um böse Geister zu vertreiben, totaler Irrglaube war.

Eigentlich lief bis ungefähr 14 Uhr des Silvestertages noch alles ganz normal, als sich plötzlich am Himmel etwas Unvorhergesehenes abspielte. Der Mond schob sich vor die Sonne und verdunkelte alles. Die Katzen in den Gassen und auf den Dächern hörten zu maunzen auf. Menschen blieben auf den Straßen stehen und wunderten sich, warum es ganz plötzlich so dunkel geworden war, liefen dann aber zu ihren Häusern, um dort weiterzumachen, wo sie stehen geblieben waren. Kurzum störten sie sich nicht weiter an diesem Phänomen. So auch der Bonbonhersteller Appelquee. Er produzierte noch die letzte Spezialmischung Silvesterkaramellen für seine Familie und der Zauberwarenhändler Dudemaker erprobte für die Feier zu Hause einige spaßige Artikel seines Sortiments. Der Buchhändler Prittel jedoch dachte nicht daran an Silvester zu lange zu arbeiten und schloss schon um 16 Uhr seinen Laden, um seiner hochschwangeren Frau noch die gewünschten sauren Gurken und einen riesigen Korb mit Süßigkeiten für zwischendurch zu besorgen. Er selbst gönnte sich noch ein paar Manschettenknöpfe aus reinem Sterlingsilber. Ja, Mr. Prittel wusste, was gut aussah und man kann sagen, dass er ein richtiges Faible für Schmuck hatte und ihn sehr gerne trug. Er selbst behauptet von sich, es unterstreiche seinen Typ, was auch immer das bedeuten sollte. Zum romantischen Silvesteressen zu zweit gehörte es für ihn außerdem einfach dazu, sich in Schale zu werfen.

Stunden vergingen, mittlerweile war es 21 Uhr abends und die Gassen waren wie leer gefegt. Wenn man von außen in die Fenster schaute, sah man schon viele Familien an ihren Tischen sitzen, in der Erwartung, dass die Mütter das leckere Essen anrichten würden. Von gebratenen Enten mit Rotkohl und Kartoffelklößen bis hin zu flambierten Pfannkuchen gab es einfach alles, was das Herz begehrt, sogar Erdbeereisbomben mit Wunderkerzen. Andere Familien wiederum waren schon mit dem Essen fertig und fingen mit einem kleinen Tischfeuerwerk oder Gesellschaftsspielchen an. Wenn man gemeinsam gemütlich zusammensaß und einen Blick durch das Fenster warf, bemerkte man in dem Lichte der Straßenlaternen, wie sich draußen ein leichtes Schneewehen anbahnte.

Auch Mr. und Mrs. Prittel saßen in Ihrem Esszimmer. Beide hatten sich ihre beste Abendrobe angezogen. Er trug einen schicken, schwarz-rot karierten Anzug mit den neuen Manschettenknöpfen und sie ein original Designer Schwangerschaftskleid von Prölle und Knöppke aus grünem Samt.

>>Schatz, du siehst ja richtig bezaubernd aus<<, staunte Mr. Prittel, der gar nicht damit gerechnet hatte, dass seine hochschwangere Frau, die mittlerweile die Figur einer trächtigen Kuh hatte, in das Kleid passen würde.

>>Was soll denn das heißen Robert?<<, sagte sie entrüstet und bekam von jetzt auf gleich einen puterroten Wutkopf. Seine überraschten Blicke waren wohl zu eindeutig.

>>Bin ich dir im hochschwangeren Zustand etwa nicht mehr hübsch genug? Nur weil ich schwanger bin, heißt das noch lange nicht, dass man in grobem Sackleinen herumlaufen muss. Du tust ja geradeso, als würde ich nichts anderes mehr tragen können<<, meckerte sie und warf ihr schwarzes lockiges Haar schnippisch über die Schulter.

>>Außer, dass ich beim Duschen nicht mehr meine Füße sehen und mir nicht mehr alleine die Schnürsenkel zubinden kann, hat sich an mir definitiv nichts verändert<<, zickte sie herum. Das war eine klare Ansage. Mr. Prittel traute sich deshalb schon fast gar nicht mehr einen Laut von sich zu geben, tat es aber dann doch, damit der Abend noch ein nettes Ende nehmen würde.

>>So war das doch gar nicht gemeint, mein Schatz<<, sprach er mit ruhiger Stimme.

>>Wie denn sonst?<<, schnaubte sie. Jetzt durfte er kein verkehrtes Wort mehr in den Mund nehmen, sonst wäre seine Frau explodiert. Seit sie schwanger war, hatte sie nämlich solche unberechenbaren Launen, dass selbst ihre Schüler in der Schule darunter zu leiden hatten. Letztes Mal in der Schule, als die Klasse nicht ruhig war, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Erst flogen kleine Kreidestücke und dann ein Schlüsselbund. Zum Glück wurde kein Kind getroffen! Aber es kam noch schlimmer. Bei Schülern, die herum kippelten, nahm sie die Heißklebepistole und fixierte den Stuhl am Boden. Wippten sie dann immer noch auf ihm herum, nietete sie in ihrem Brass die Hosen der Zappelphilipps mit einem Tacker fest. Das ging natürlich gar nicht und so hatte der Schulleiter ihr verständnisvoller Weise umgehend bis zur Entbindung freigegeben. Jetzt kann man sich ungefähr vorstellen, warum Mr. Prittel so vorsichtig sein musste, wenn er den Abend noch friedlich verbringen wollte.

>>Roisin, meine Prinzessin, beruhige dich doch! Du hast mich völlig falsch verstanden. Ich finde dich nach wie vor bezaubernd und alle anderen Männer würden mich beneiden, wenn sie sehen würden, wie sehr dieser grüne Samt deine Schönheit unterstreicht und sowieso ist Grün ja absolut deine Farbe. Hätte ich gewusst, wie unglaublich gut sie dir zu Gesicht steht, hätte ich dir noch einen smaragdgrünen Ring geschenkt. Das werde ich nach Silvester natürlich umgehend nachholen<<, schmeichelte er ihr.

Genau diese wohltuenden Worte brauchte sie jetzt und siehe da, von jetzt auf gleich war sie sofort wieder gut gelaunt. Völlig zufrieden mit Roberts Antwort drückte sie sich schnell noch ein paar von den leckeren sauren Gurken in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Das erinnerte ihn ganz stark an etwas.

>>Muuh<<, sagte Mr. Prittel und räusperte sich.

>>Hä?<<

>>Ich wollte sagen Muuhtti wirst du ja schon bald!<<

>>Also Schatz, dass ich dich immer so missverstehe<<, brabbelte sie mit vollem Mund und lächelte so merkwürdig, dass man die einzelnen grünen Stückchen sehen konnte. Unglaublich diese Parallelen zur Tierwelt, dachte er sich und beobachtete, wie sie kaute. Das sah fast aus wie Gras zwischen Mahlzähnen. Nur noch das Wiederkäuen fehlte, was hoffentlich ausblieb.

>>Ach Schatz, wie kommt es eigentlich, dass ich immer so ein komisches Zeug denke?<<, sprach sie laut vor sich her und drückte sich ein Gürkchen nach dem anderen zwischen die Mundwinkel.

>>Entschuldige, dass ich immer so ungehalten bin, aber ich kann da eigentlich gar nichts für. Du weißt ja, die Hormone spielen verrückt<<, sagte sie, rülpste ungehalten, fächerte sich mit einer Serviette Luft zu und stand dann auf.

>>Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen<<, antwortete er und musste sich dabei kräftig auf die Zunge beißen, um nicht lauthals loslachen zu müssen, denn so ein unkultiviertes Verhalten hatte seine Frau noch nie an den Tag gelegt.

>>Schatz, wie wäre es, wenn wir mit dem Essen beginnen würden, denn wie ich sehe, ist der Tisch gedeckt.<<

>>Das ist eine gute Idee, ich habe auch schon richtig Hunger<<, sagte sie, verschwand kurz in der Küche und rollte mit einem Handwagen das Menü ins Zimmer. Bei diesem Schmaus hatte sie sich mit ihren Kochkünsten selbst übertroffen! Sogar der Nachtisch war selbst gemacht.

Es wurde gegessen und gegessen, bis die beiden vom Essen so müde waren, das sie sich überlegten vor dem eigentlichen Feuerwerk noch ein kleines Verdauungsnickerchen zu machen.

Kurz vor 24 Uhr bauten die Leute der Nachbarschaft das Feuerwerk auf um das neue Jahr zu begrüßen und da geschah etwas sonderbar Unvorhergesehenes. Die Wolken verdichteten sich direkt über einem alten Haus in der Square Stone Gasse. Es war das Haus der Prittels. Fledermäuse flatterten erschreckt und nervös aus dem Dach hervor, sie waren die Ersten, die mitbekommen hatten, dass bei Mrs. Prittel nach dem Genuss der reichhaltigen Mahlzeit plötzlich die Wehen einsetzten und aus dem Verdauungsschläfchen eine Geburt werden sollte. Auch den Raben blieb das Schmerzgestöhne von Mrs. Prittel nicht verborgen und so erreichte auch sie die Nachricht der bevorstehenden Geburt. Als die Glocke der Kirche dann Mitternacht schlug und die Raketen flogen, geschah es. Larris Prittel erblickte das Licht der Welt. Im gleichen Augenblick schlug aus dem Nichts der Blitz in das Haus ein. Irritiert von dem lauten Knall sprang Mr. Prittel verschreckt von der Bettkante seiner Frau hoch, an der er noch eben völlig überraschend die Hebamme spielen musste.

>>Es wird doch wohl nicht der Heizkessel im Keller gewesen sein, der explodiert ist, Robert?<<, röchelte sie erschöpft.

>>Hoffentlich nicht Roisin, hoffentlich nicht<<, wiederholte er unruhig und zögerte seiner Frau von der Seite zu weichen.

>>Schau bitte nach, ich komme hier schon alleine klar!<<, sagte sie und wickelte ihren Spross in das Handtuch.

Wie von der Tarantel gestochen rannte Robert die Treppe hinunter. Unten angekommen stieg ihm ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase.

>>Hier riechts wirklich seltsam, aber kein Grund zur Unruhe. Bleib bloß liegen! Kümmere dich um unseren Sohn und reg dich nicht auf! Bin gleich wieder da<<, rief er zu Roisin die Treppe hoch.

>>Alles in Ordnung da unten? Kannst du irgendetwas sehen?<<, schallte es lauthals aus dem obersten Stock herunter.

>>Bislang habe ich nichts gefunden<<, drang nicht mehr zu ihr vor, denn der Kleine hatte sich von der Lautstärke ihres Rufens fürchterlich erschreckt und brüllte nun wie am Spieß. Die Farbe seines Kopfes glich der einer reifen roten Tomate. Mrs. Prittel wurde angst und bange, dass ihrem Neugeborenen von seinem Geschrei womöglich noch eine Ader im Kopf platzen könnte und so versuchte sie ihn durch sanftes Hin- und Herwiegen zu beruhigen.

In der Zwischenzeit durchstöberte Mr. Prittel konzentriert die Räume und führte dabei Selbstgespräche.

>>Merkwürdig, merkwürdig<<, grummelte er vor sich her. So etwas hatte er in seinem Haus nie zuvor gerochen, schon gar nicht im Keller bei der Heizung. Eine Kesselexplosion, wie die vor fünf Jahren, wird es also nicht gewesen sein. Der Geruch ähnelte einer Mischung aus verbranntem Holz, Feuerstein und süßlichem Puddingpulver. Sehr ungewöhnlich, aber doch so vertraut wie aus der Kindheit. Neugierig und zugleich mit allem rechnend ging er der Geruchsspur nach. Sie kam aus dem Wohnzimmer, da war sie am stärksten und dort wurde er auch prompt fündig.

>>Unglaublich!<<, dachte er laut. Eine geheimnisvoll zackig geschwungene Gravur zierte den marmornen Fußboden. Sie war wie von Geisterhand ins Gestein gemeißelt, aber ihre Bedeutung war nicht verständlich. Alles andere im Zimmer schien vom Blitz verschont worden zu sein. Der Tisch und die Stühle standen wie eh und je. Selbst die Vorhänge waren tipptopp in Schuss. Wie in Trance bückte sich Mr. Prittel ungläubig und berührte die Schrift, um festzustellen, ob nicht wirklich alles bloß ein Traum sei und er sich das alles einbildete. Aber nein, es war echt, die Schrift war sogar noch warm und mit einem nie gesehenen weißen Ruß benetzt. Als er sich wieder aufrichtete, erstarrte er, denn neben ihm auf dem Tisch lag plötzlich ein Amulett aus reinem Silber in dessen Mitte ein kleiner granatroter Stein steckte. So etwas Kostbares hatte er noch nie gesehen, geschweige denn in der Hand gehalten oder selbst getragen. In seinem Schmuckkästchen lagen zwar allerhand Umhängsel, doch keins davon war so wunderschön wie dies hier.

>>Wer macht mir denn solche teuren Geschenke, dass ist ja fantastisch. Wieder ein neues Exklusivstück in meiner Sammlung<<, jauchzte er ergötzt und nahm den kostbaren Fund an sich, um ihn seiner Frau zu zeigen. Erst jetzt, wo er nach oben zurückgehen wollte, bemerkte er, dass sein Sohn ruhig geworden war und nicht mehr schrie. Für den Bruchteil von Sekunden stutzte er, denn plötzlich war es still und zwar ungewöhnlich still. Mit dem Amulett in der Hand machte er sich auf den Weg zur Treppe und durchquerte einen langen schmalen Flur, an dessen Gangende ein zwei Meter hoher Spiegel stand. Natürlich konnte Mr. Prittel nicht einfach so an ihm vorbeigehen, ohne sich nicht wenigstens einmal anzuschauen, wie sich der kostbare Fund wohl an seinem Hals machen würde. Mit diesem edlen Accessoire würde man sich bestimmt wie ein König fühlen, dachte er sich. Als er die Kette anlegte und den Verschluss des wertvollen Stücks schloss, traute er seinen Augen kaum. Die eben noch völlig feste Silberkette zerfloss wie Wachs. Entsetzt starrte er vor seine Füße und sah, wie die dort auftreffenden Tropfen wieder fest zu einem Amulett zusammenliefen.

>>Was passiert hier eigentlich?<<, sprach er völlig baff, trat einen Schritt zurück und hob es irritiert auf. Ungläubig betrachtete er sein Spiegelbild und bemerkte, dass die Oberfläche wellig zerrann. Ein grollendes Geräusch wie das eines Donners wurde hörbar. Nach und nach wurde es immer heller, bis plötzlich der ganze Gang in ein gleißendes Licht getaucht war. Es schien aus dem Innersten des Spiegels zu kommen. Gelähmt stand er da und sah, wie sich der Schatten einer riesigen Gestalt vor das Licht schob. Unheimlich! Zuerst kam die Hand, dann folgte der Rest des Körpers, bis dieses Etwas völlig aus dem Spiegel herausgetreten war und die Umrisse einer Lichtgestalt deutlich wurde.

>>Du willst wissen, was hier geschieht, dann höre gut zu!<<, murmelte ihm merkwürdigerweise von hinten eine hohe Stimme ins Ohr. Ihm standen die Haare zu Berge und es verschlug ihm die Sprache. Weit und breit war niemand Weiteres als die Lichtgestalt zu sehen, doch die stand unmittelbar vor ihm. Das Etwas, was ihn dort von hinten ansprach, war wie ein dunkler Schatten, der einen in der Nacht verfolgt, aber nichts Böses will.

>>Ich bin Sistan, der Geist der Geburt aus dem Reich Miramahelia. Ich habe die Aufgabe dir eine Botschaft zu überbringen. Nun höre gut zu, merke dir jedes Wort und vergesse nicht ein einziges! Dieses Amulett gehört nicht dir, es ist allein für deinen Sohn bestimmt. Lege es ihm an! Es wird ihn schützen und mit ihm und seinen Aufgaben wachsen. Sobald du es verschlossen hast, wird es für dich und andere nicht mehr sichtbar sein. Dein Sohn wird nicht spüren oder sehen, dass etwas um seinen Hals hängt. Genauso unsichtbar, wie dieses Amulett sein wird, erscheint er den Mächten der Unterwelt Miramahelias, das aber nur so lange, wie er sich hier und nicht dort aufhält. In Miramahelia wird er Amulus sehen können. Man wird versuchen es ihm zu entreißen, um ihn zu schwächen und auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen. Hüte dich davor, auch nur ein Sterbenswort darüber mit irgendjemandem zu sprechen, auch nicht mit deiner Frau! Verschriftliche niemals Gedanken, die dich beschäftigen! Die Feinde lauern überall und auch jetzt in dieser Sekunde wissen sie schon, dass mit ihm eine neue Hoffnung geboren wurde. Sie können aber noch nicht orten, wo er zu finden ist. Wir müssen schneller sein, denn man wird versuchen aus dem Reich der Menschen zu berichten. Deshalb erteile ich dir den Befehl dich sofort nach oben zu deinem Sohn zu begeben und ihm Amulus anzulegen! Deine Frau schläft tief und fest und wird nichts davon bemerken. Denke daran niemals zu niemandem ein Wort zu sagen und nun verabschiede ich mich!<<

Die Gestalt trat so in den Spiegel zurück, wie sie herausgekommen war. Das Licht verschwand und nichts deutete mehr daraufhin, dass sich jemals etwas Merkwürdiges im Haus der Prittels abgespielt hatte. Überwältigt und verängstigt von den Dingen, die die Lichtgestalt gesagt hatte, rannte Robert Prittel die Treppe hinauf, wo seine Frau mit dem Baby im Arm vor Erschöpfung eingeschlafen auf dem Bett lag. Vorsichtig nahm er seinen Sohn, gab ihm einen Kuss, dann öffnete er das Handtuch indem er eingewickelt war und tat all das, was ihm aufgetragen wurde. Tatsächlich wurde das Amulett unsichtbar, als er es verschloss und es war unmöglich es zu ertasten. Nichts ahnend erwachte zwei Minuten später seine Frau.

>>Was war da unten eigentlich los und warum hat das alles so lange gedauert?<<

>>Mach dir keine Sorgen Schatz, es ist nichts passiert! Bei uns im Wohnzimmer hat lediglich der Blitz eingeschlagen und eine zackig geschwungene Einbuchtung im Marmor hinterlassen!<<

>>Was hast du da gesagt? Ein Blitzeinschlag im Winter? Dabei kannst du so ruhig bleiben<<, quäkte sie ihm mit einem entsetzten Blick leicht hysterisch entgegen.

>>Selbstverständlich bleibe ich ruhig, denn es ist ja nicht wirklich etwas Schlimmes passiert. Du wirst lachen, die vom Blitz erzeugte Einbuchtung sieht irgendwie sogar richtig gut aus, fast wie eine Gravur. Andere Leute müssten für so ein Design richtig Geld zahlen und uns hat alles der Himmel geschenkt.<< Mrs. Prittel konnte ihren verdutzten Gesichtsausdruck kaum verbergen und sich trotz der beruhigenden Worte einen Spruch nicht verkneifen.

>>Na ja, wers glaubt wird selig, dann bin ich ja mal gespannt, was mich tatsächlich erwartet, wenn ich mir morgen das Zimmer anschaue. Jetzt bin ich dazu zu müde<<, sagte sie, nahm den kleinen Larris neben sich aufs große Bett und schlief vor Erschöpfung sofort ein.

Am nächsten Morgen des neuen Jahres war alles ruhig. Auf den Straßen lag der Rest der Silvesterböller und in der Luft stand immer noch der Geruch des verbrannten Schwarzpulvers. In den angrenzenden Häusern schliefen alle tief und fest, nur bei den Prittels ging es rund. Larris hatte Hunger und brüllte, dass die Wände wackelten. Selbstverständlich konnte man unter solchen Bedingungen nicht weiterschlafen und so gingen Roisin und Robert unfreiwillig nach unten in die Küche, um zu frühstücken. Während er alles vorbereitete taperte Roisin mit Larris auf dem Arm in das Wohnzimmer, um sich den Boden anzuschauen. Bei seinem Anblick verschlug es ihr gänzlich die Sprache und auch Larris schien beeindruckt, denn ihm fiel zeitgleich der Schnuller aus dem Mund. Ihr Mann hatte nicht übertrieben. Dass, was der Blitz gemacht hatte, sah wirklich aus wie ein gemeißeltes Kunstwerk, dachte sie und ging zurück in die Küche.

>>Du hattest recht!<<, plinkerte sie mit ihren lang bewimperten Augen.

>>Es sieht grandios aus. So etwas Einmaliges sollte man lieber vor des Nachbars Augen verstecken, sonst wird man uns noch unterstellen, wir hätten in der Lotterie gewonnen<<, faselte sie euphorisch und wippte aufgeregt hin und her.

>>Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich habe auch keine Lust auf das Getuschel. Du weißt doch, wie es ist. Hier in der Square Stone Gasse haben die Wände Ohren. Kriegt die schrumpelige alte Griselda Milford das spitz, werden wir zum Stadtgespräch von London und das geht rucki zucki!<<

Die Milford von der Mr. Prittel sprach, war die Mutter des unsympathischen Versicherungsfritzen in der Trichester Street. Ein knauseriger Kerl mit der Frisur einer explodierten Klobürste und einem Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte. Es war lutschpastillenförmig und extrem pickelig, aber das war noch nicht alles! Seine Figur glich der eines durchtrainierten Koteletts mit O-Beinen. Schlimm war, dass er durch seinen schlechten Kleidungsstil, seine leicht verblödete Erscheinung unfreiwillig betonte. Unter seiner Kleidung lugte nämlich immer ein hautfarbener Ganzkörperstretchbody hervor, der schwabbelige Stellen, wie seinen Hängebauch wegdrückte und den Po in Form brachte. Herausgekommen war das alles durch eine Krankenschwester aus dem Pökelmanns Hospital. Sie musste Mr. Milford aus der Kleidung und einem seiner Stretchanzüge schneiden, als er sich durch das Rauchen im Bett Verbrennungen dritten Grades zugezogen hatte. Aber mal ehrlich, wer ist denn auch schon so dämlich und raucht im Bett und schläft dann auch noch mit einer brennenden Zigarette ein? In so einem Fall sollte man wenigstens einen Feuerlöscher neben sich stehen haben. Würden die Prittels nun ihren entstandenen Schaden, der ja nun so ziemlich gar nichts von einem Blitzeinschlag hatte, bei Mr. Milford melden, würde die Gerüchteküche brodeln. George Milford erzählte nämlich immer alles seiner Mama, zum Beispiel, wenn die Geschäfte mal wieder schlecht liefen oder ihn mal wieder eine Frau hat abblitzen lassen. Immer dann lag er bei seiner Mutti heulend in den Armen. Ein richtiges Muttersöhnchen und das mit 55 Jahren. Selbst die Unterhosen bügelt sie ihm noch, das stelle man sich mal vor! Das Merkwürdige daran war aber, dass Griselda auch noch mit solchen Details herum prahlte. Das Letzte, was sie mit ihrer lockeren Zunge verbreitet hatte, war, dass ihr Sohn jede Nacht wohl immer unter schweren Albträumen leiden würde und sie mittlerweile nicht mehr wüsste, wie sie die Flecken aus der Wäsche herausbekommen soll. Für die Dunkleren hatte sie mittlerweile eine Lösung gefunden, nachdem sie in der ganzen Nachbarschaft von ihrem Problem berichtet hatte. Etwas Gebissreiniger kombiniert mit Wasserstoffperoxid und drei Löffeln Stärke vermengen, dick auftragen und anschließend im Vorwaschgang einweichen bis die letzten Schatten beseitigt sind. Erst dann zum Hauptwaschgang übergehen.

Wie man merkt ist das ein sehr peinliches Detail, was sich sogar über die Grenzen von London hinweg verbreitet hat. Gar nicht auszudenken was passieren würde, wenn sie etwas über den Blitzeinschlag spitzkriegen würden. Genau das war auch der Grund dafür, dass die Prittels sich dagegen entschieden, den entstandenen Schaden der Versicherung zu melden. Es musste also eine andere Lösung dafür her, da die Inschrift direkt in der Mitte des schönen Wohnzimmers sofort jedem ins Auge gefallen wäre. Sie war gar nicht so schwer zu finden.

Miramahelia

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