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Ursprung und Evolution der Mitochondrien in der Physiologie des Menschen

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„Ohne die Midichlorianer könnte kein Leben existieren, und wir hätten auch keine Kenntnis von der Macht. Ohne Unterlass sprechen sie zu uns. Und teilen uns den Willen der Macht mit. Wenn du gelernt hast, deine Gefühle zum Schweigen zu bringen, wirst du auch hören, was sie sagen.“

STAR WARS: EPISODE I – DIE DUNKLE BEDROHUNG, QUI-GON JINN ZU ANAKIN SKYWALKER

In einer weit entfernten Galaxie existierten einst mikroskopisch kleine, intelligente Lebensformen, die als Midichlorianer bezeichnet wurden. Sie lebten symbiotisch in den Zellen aller Lebewesen. Wenn sie in ausreichender Zahl vorhanden waren, konnte ihr Symbiosewirt das alles durchdringende Energiefeld der Macht entdecken. Das persönliche Machtpotenzial hing mit der Anzahl der Midichlorianer zusammen – bei normalen Menschen waren es 2 500 pro Zelle, bei einem Jedi weitaus mehr. Die höchste je gemessene Midichlorianermenge (mehr als 20 000 pro Zelle) fand man beim Jedi Anakin Skywalker.

Die Midichlorianer liegen unverändert in jeder Lebensform auf jeder Welt vor, die Leben gestattet. Ohne Midichlorianer gäbe es kein Leben. Ab der entsprechenden Menge gestatten die Midichlorianer ihrem Wirtsorganismus die Entdeckung der Macht, und diese Verbindung lässt sich stärken, wenn man seinen Geist zur Ruhe bringt und zulässt, dass die Midichlorianer über ihren Wirt „sprechen“ und den Willen der Macht zum Ausdruck bringen.

Viele, die dieses Buch in der Hand halten, denken jetzt vermutlich: „Was zur … – ist der Autor komplett durchgeknallt?“ Worum es mir hier geht? Science-Fiction-Fans und alle, die mit Star Wars aufgewachsen sind, haben sicher schon gemerkt, dass die Midichlorianer eine Erfindung von George Lucas sind. Aber ist das wahr?

George Lucas ersann die Midichlorianer schon 1977. Damals diktierte er einem Teammitglied diverse Regeln für sein Werk und erläuterte die verschiedenen Konzepte seines Universums, darunter auch eine Erklärung zu den Midichlorianern (wobei Lucas erst 1999 Gelegenheit fand, dieses Konzept in Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung erstmals zu erwähnen.) Die Frage, warum manche für die Macht empfänglich waren, andere hingegen nicht, war seit dem ersten Star-Wars-Film ein ungelöstes Problem.

In Star Wars: Episode 1 – Die dunkle Bedrohung kommt das Thema der Midichlorianer als Teil einer symbiotischen Beziehung den ganzen Film über immer wieder zur Sprache. Das Faszinierende daran ist aus meiner Sicht, dass das Konzept der Midichlorianer lose auf den Mitochondrien basiert, also auf jenen Organellen, die auf unserem sehr realen Planeten ganz ohne Science-Fiction ständig Energie für die Zellen erzeugen. Wie die Midichlorianer werden auch die Mitochondrien als ehemals separate Organismen eingestuft, die lebende Zellen besiedelten und mittlerweile zu einem Teil davon geworden sind. Bis heute agieren Mitochondrien in mancherlei Hinsicht als unabhängige Lebensformen mit einer eigenen DNA.

Die meisten Leserinen und Leser dürften Mitochondrien aus dem Biologieunterricht kennen: Dort werden sie als „Kraftwerke“ der Zelle beschrieben; winzige Generatoren, die in den Zellen leben und nahezu alle Energie erzeugen, die eine Zelle zum Leben benötigt. Je nach Zelltyp gibt es normalerweise Hunderte bis Tausende Mitochondrien pro Zelle. Sie nutzen den Sauerstoff aus der Luft, die wir einatmen, um die Nahrung, die wir zu uns nehmen, zu verwertbarer Energie zu verbrennen. Manche von Ihnen haben vielleicht auch schon einmal von der „mitochondrialen Eva“ gehört. Da die Mitochondrien über die mütterliche Linie vererbt werden, wäre die mitochondriale Eva – wenn wir unsere genetische Herkunft zur Mutter, zur Großmutter mütterlicherseits und so weiter zurückverfolgen könnten – die Urmutter aller Menschen. (Und sie hätte vermutlich vor etwa 170 000 Jahren in Afrika gelebt. Das bedeutet nicht automatisch, dass sie der erste Mensch gewesen wäre, sondern lediglich, dass sie die jüngste Ahnin wäre, die alle heute lebenden Menschen gemeinsam hätten.)

Dass wir unsere Herkunft in dieser Form herleiten können, liegt daran, dass alle Mitochondrien eine eigene DNA (also Gene) besitzen, die normalerweise nur über die weibliche Eizelle an die Kinder weitergegeben werden, nicht über die männliche Samenzelle. Damit wäre die Mitochondrien-DNA (abgekürzt als mtDNA) sozusagen unser genetischer Nachname. Im Gegensatz zur im Westen üblichen Weitergabe des Nachnamens der väterlichen Linie (wodurch sich der Name aus diversen Gründen, beispielsweise durch Heirat, immer wieder ändern kann), ist die mtDNA relativ konstant und unterliegt kaum Veränderungen. So können wir die Abstammung über die mütterliche Linie nachvollziehen. Auf diese Weise lässt sich normalerweise auch eine familiäre Verwandtschaft bestätigen oder widerlegen.

Zugleich ist die mtDNA von großem Nutzen für die Forensik (zur Identifikation von lebenden oder toten Personen). Der Vorteil der mtDNA besteht darin, dass in jeder Zelle jede Menge dieses Genmaterials vorliegt. Denn von unserer menschlichen DNA im Zellkern (die nukleäre DNA, kurz nDNA; die Schaltzentrale der Zelle) liegen nur jeweils zwei Stränge vor, wohingegen jedes Mitochondrium fünf bis zehn Genkopien enthält. Hinzu kommt, dass jede Zelle nur einen Zellkern besitzt, aber zumeist mehrere Hundert und teilweise Tausende von Mitochondrien. Das heißt, in jeder Zelle gibt es mehrere Tausend Kopien derselben mtDNA.

Mediziner interessieren sich besonders für die „Mitochondrientheorie der Alterung“. Auf dieses Thema werde ich später näher eingehen (siehe Seite 65, „Die Mitochondrientheorie der Alterung“). Grundsätzlich postuliert diese Theorie, dass das Altern – und viele damit einhergehende Erkrankungen – auf eine allmähliche Degeneration der Mitochondrienqualität zurückgeht. Der Grund dafür sind reaktive Moleküle, also freie Radikale, die während der normalen Zellatmung entstehen. (Die Zellatmung ist der Prozess, bei dem die Mitochondrien mit dem eingeatmeten Sauerstoff die verzehrte Nahrung verbrennen.) Diese freien Radikale schädigen angrenzende Strukturen, darunter auch die DNA, und zwar sowohl in den Mitochondrien als auch im Zellkern.

In jeder unserer Zellen greifen freie Radikale Zehntausende Male am Tag die DNA an. Die dabei entstehenden Schäden werden durch eine raffinierte Reparaturmaschinerie innerhalb der Zellen zumeist still und leise wieder beseitigt. Mitunter hinterlassen sie aber auch irreversible Schäden in Form von dauerhaften Mutationen der DNA. Da der Angriff der freien Radikale Tag und Nacht weiterläuft, sammeln sich derartige Mutationen im Laufe des Lebens an. Erreicht die Schädigung eine gewisse Schwelle, so stirbt die Zelle ab, und mit jeder sterbenden Zelle degeneriert das Gewebe ein wenig mehr. Diese stetige Erosion ist für viele altersabhängige degenerative Erkrankungen verantwortlich, ja, sogar für den Alterungsprozess an sich.

Auch die Mitochondrien selbst können erkranken, und manche dieser teils angeborenen, teils erworbenen Erkrankungen sind durchaus bekannt. In der Regel beeinträchtigen sie metabolisch aktives Gewebe wie Muskeln, Herz und Gehirn. Je nach Lage des am stärksten betroffenen Gewebes kann die Symptomatik breit gefächert sein.

2015 wurde im Vereinigten Königreich über die Zulassung einer umstrittenen Kinderwunschbehandlung abgestimmt, den nukleären Genomtransfer, also eine Mitochondrien-Ersatztherapie. Bei dieser Form der künstlichen Befruchtung wird der Eizelle (Oozyte) einer gesunden, fruchtbaren Eizellenspenderin der Zellkern (Nukleus) entnommen. Alle anderen Komponenten einschließlich der gesunden Mitochondrien bleiben bestehen. Dann wird der Nukleus des befruchteten Eies (Zygote) der nicht fruchtbaren Frau in das gesunde gespendete Ei übertragen. Aufgrund ethischer und praktischer Bedenken ist diese Vorgehensweise im Rest der Welt bisher nicht zulässig. Das Vereinigte Königreich jedoch treibt die Forschungen voran und gestattet die Geburt von Babys, die genetisch drei Eltern haben (nDNA von Mutter und Vater sowie mtDNA von der Spenderin oder einem dritten Elternteil). Ende 2016 wurde im Vereinigten Königreich die erste Genehmigung ausgestellt, und 2017 sollte das erste offiziell „zugelassene“ Kind zur Welt kommen, bei dem diese Technik eingesetzt wurde. (Inoffiziell wurde diese Technik bereits 2015 in Mexiko erprobt, wo hierzu keine gesetzlichen Vorgaben existierten. Das mexikanische Drei-Eltern-Baby kam 2016 zur Welt.)

Einer der wichtigsten Aspekte der Mitochondrien wurde von den Medien jedoch in den letzten Jahrzehnten kaum beachtet. Es geht dabei um ihre Rolle bei der Apoptose, dem programmierten Zelltod, bei dem die Zelle sich selbst umbringt. Im Zuge der Apoptose sterben einzelne Zellen „freiwillig“ ab, damit der Körper insgesamt weiterleben kann.

Früher glaubte man, die Apoptose würde von Genen im Zellkern gesteuert werden. Mitte der 1990er-Jahre jedoch erfolgte aufgrund bemerkenswerter Erkenntnisse ein Umdenken, denn es stellte sich heraus, dass die Apoptose in Wahrheit von den Mitochondrien ausgeht. Für die Medizin und insbesondere für die Krebsforschung ist das von großer Bedeutung. Zellen unterliegen ständiger Alterung und Angriffen, die ihre DNA mutieren lassen. Wenn bei solchen Mutationen eine Zelle entsteht, die sich unkontrolliert vermehren will, führt das letztlich zu Krebs: Zellen, die nicht auf Anweisung Selbstmord begehen, gelten heute als die eigentliche Ursache von Krebserkrankungen.

Das bedeutet jedoch noch weit mehr. Ohne den programmierten Zelltod hätten komplexe, vielzellige Organismen womöglich nie die nötige Zielrichtung und Organisation erreicht, um sich kontrolliert zu vermehren, und wir würden unsere Welt vermutlich kaum wiedererkennen. Ich weiß, das klingt verwirrend. Leichter nachvollziehbar wird es, sobald Sie den Abschnitt „Die Evolution der eukaryoten Zelle“ (siehe Seite 22) gelesen haben.

Tatsächlich sind Zellen in vielzelligen Organismen (sogenannte eukaryote Zellen) nämlich um ein Vielfaches größer als einzellige Bakterien. Ohne Mitochondrien könnte eine eukaryote Zelle ihren Energiebedarf unmöglich decken, wie Sie gleich sehen werden.

Obwohl ich auf die Evolution der beiden Geschlechter (männlich und weiblich) nicht tiefer eingehen möchte, können Mitochondrien sogar zur Beantwortung der Frage nach dem Sinn und Zweck zweier Geschlechter beitragen. Sexueller Kontakt zwischen Mann und Frau ist für die Beteiligten zwar sehr genussvoll, aber eigentlich eine wenig effiziente Fortpflanzungsmethode. Für ein einziges Kind (jedenfalls meistens) brauchen Menschen zwei Elternteile. Zum Klonen hingegen braucht man nur eine Mutter. Der Vater ist hierbei nicht nur überflüssig, sondern schlichtweg eine Verschwendung von Ressourcen (was ich rein zufällig ausgerechnet am Vatertagswochenende schreibe). Hinzu kommt, dass sich bei zwei Geschlechtern nur die Hälfte der Bevölkerung vermehren kann. Mathematisch betrachtet ist das ineffizient. Es wäre also logischer, wenn wir uns mit jedem anderen Menschen paaren könnten und alle dasselbe Geschlecht hätten oder es eine unendliche Anzahl an Geschlechtern gäbe.

Es gibt jedoch einen Grund dafür, dass wir nur zwei Geschlechter haben, und das sind die Mitochondrien. Inzwischen gelten sie als die wahrscheinlichste Erklärung, denn: Ein Geschlecht spezialisiert sich darauf, seine Mitochondrien an den Nachwuchs weiterzugeben (in den Eiern der Frau). Das andere spezialisiert sich darauf, seine Mitochondrien nicht weiterzugeben (über das Sperma des Mannes). Genaueres zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 2 im Abschnitt „Unfruchtbarkeit und Mitochondrien“ (siehe Seite 143), wo es um Fruchtbarkeit, Unfruchtbarkeit und Empfängnis geht.

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