Читать книгу Ceras Abenteuer - Das Geheimnis der schwarzen Stute - Lena Wege - Страница 7
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Prolog
Sie rannte um ihr Leben. Sie übersprang tückische Wurzeln, die gefährlich aus dem dunklen Waldboden ragten, mit Leichtigkeit. Sie durchquerte einen von den Felsen herabdonnernden Fluss mit glitschigen Steinen und überwand eine kleine Schneise im Unterholz. Dort vorne, zwischen den Bäumen, im Schutz der Dunkelheit, fand sich vermutlich ein ruhiges Plätzchen zum Verschnaufen. Sie schleppte sich unter eine schützende Felswand und sank in sich zusammen. Ihre Beine schmerzten vom Weglaufen und die Dornen in ihrer linken Schulter brannten wie Feuer. Einen Moment lang musste sie sich ausruhen, dann würde sie trinken.
Mühsam erhob sie sich und streckte kurz den Kopf in die Nacht empor, die sich schwarz und unendlich über sie und den Wald wölbte. Sie ließ das Mondlicht ihr Gesicht überfluten und es spiegelte sich in ihren Augen wider wie in Teichen voll purem, zerflossenem Silber. Dann atmete sie aus und beobachtete die weißen Wolken, die sich vor ihrer Nase zusammenballten. Die Grillen an diesem Abend zirpten beruhigend und hinter sich hörte sie das Rauschen der Bäume und des Wassers. Sie drehte sich langsam um und stieg vorsichtig über die rutschigen Steine zum Bach hinunter.
Das zerstäubte Pyrit im Flussbett schimmerte wunderschön wie Gold, und mit dem ganzen Grün um sie herum konnte sie fast denken, dass dies hier ein friedlicher Ort sei. Sie hatte es zwar geschafft, auch wenn sie nur knapp mit dem Leben davongekommen war, aber sie musste dennoch auf der Hut sein. Er konnte sie jederzeit aufspüren, er suchte bestimmt längst nach ihr. Schon allein durch den Gedanken an ihn begann sie zu zittern. Sie versuchte, sich zu beruhigen, indem sie an ihre frühen, glücklichen Tage in Freiheit dachte. Sie senkte den Kopf hinunter zum Wasser und trank, ließ das eiskalte Wasser in sich hineinlaufen. Nach ein paar Augenblicken fühlte sie sich wieder gestärkt und beinahe aufbruchbereit. Sie würde gleich weiterziehen, um einen Schutz für die Nacht zu finden, nur noch einen Augenblick Ruhe musste sie sich gönnen. Sie stieg in den Fluss, ließ das Wasser ihre wunden Füße umspielen. Jeder Tropfen davon stach wie Eis auf sie ein, aber es tat gut.
Doch dann, ganz plötzlich, zerriss ein Laut die Stille. Ihr Kopf fuhr herum, sofort war sie aus dem Wasser heraus. Ihr langes Haar klebte schweißnass an ihrem Hals, ihre dunklen Augen waren weit aufgerissen. Er war hier. Er beobachtete sie, das wusste sie genau. Er würde sie holen, gefangen halten, quälen und bestrafen. Für etwas, das außerhalb ihres Vermögens lag, das sie niemals würde tun können. Sofort drängten sich unheimliche Bilder in ihr Bewusstsein. Die dunkle Zelle, die ständige Finsternis, der Gestank, der Hunger wie ein dumpfes Loch im Bauch. Und dann noch die Schläge, die Schmerzen und die ständige Ungewissheit, ob man jemals wieder das Tageslicht erblicken würde.
Sie war entkommen, und nun schienen alle ihre Bemühungen umsonst gewesen zu sein. Jeder Muskel ihres Körpers zuckte vor Anstrengung und war zur Flucht bereit. Ihre Augen suchten hektisch die Umgebung ab, doch die Dunkelheit ließ Vegetation und Hintergrund miteinander verschmelzen. Alles wurde zur gewittrigen Sommernacht.
Dann griff er von hinten an. Sie wand sich, wehrte sich, schnappte nach ihm und versuchte, ihn zu beißen, doch es half alles nichts. Er war übermächtig, er besiegte alle und alles. Ihre Schreie erfüllten die Nacht, Angst und Verzweiflung hallten von den Felswänden wider. Doch keiner hörte sie. Es war zwecklos. Sie wurde in ein dunkles Loch gestoßen, etwas knallte und surrte, dann bewegte sich der Boden unter ihren Füßen. Sie wurde fortgetragen, weit, weit weg in die Ferne, dorthin zurück, wovor sie geflohen war. Als alles Schreien und Treten nichts mehr half, weil ihr kaltes Gefängnis in tausend Jahren nicht nachgeben würde, sank sie erschöpft an der Wand zusammen. Die Augen fielen ihr zu.
Sie träumte etwas Sonderbares. Feuer. Sie träumte von Feuer, von züngelnden orangefarbenen und tiefroten Flammen. Sie hüllten sie ein und leckten warm an ihren Füßen empor. Doch es war sonderbar, vor diesem Feuer fürchtete sie sich gar nicht. Im Gegenteil, es war angenehm warm, spendete ihr Geborgenheit. Während sie noch tiefer in das Reich der Träume getragen wurde, hatte das Schicksal schon längst entschieden, dieses Feuer bald zu ihr zu führen. Auf den Tag genau vierzehn Jahre lang sollte jenes Feuer dann schon gebrannt haben.