Читать книгу Auf Mallorca liebt sich's besser - Leonie Bach - Страница 7
4. Kapitel
ОглавлениеDie Sirenen jaulten in meinem Kopf, der zu platzen drohte, dann brüllte jemand mit energischer Stimme: »Aufstehen!« Seltsamerweise tat er das mit der Stimme meines Mannes, und noch seltsamer war die Tatsache, daß aus dem BMW unser Björndal-Bett geworden war.
»Wo bin ich?« stammelte ich verwirrt und kniff die Augen zu, als mein Mann ohne Anzeichen von Erbarmen die Rollos hochschnellen und den Sonnenschein zum Fenster hereinließ.
»Weißt du überhaupt noch, wer du bist?« fragte Karsten zurück.
»Ich glaube, ich habe einen Filmriß, mir fehlen ein paar Minuten des gestrigen Abends.«
Mein Mann suchte sich eine Krawatte aus. »Paar Minuten ist gut. Cordula meinte, du hättest einen Komplettaussetzer vom Neusser Markt bis zu unserer Haustür gehabt. Und wie du aussahst!«
Ich zog die Decke bis unters Kinn und fragte vorsichtig: »Wie sah ich denn aus?«
»Wie ein nasser Straßenköter, der sich im Schlamm gewälzt hat. Einfach furchtbar. Cordula hatte wohl auch ganz schön einen getankt. Bei dem Wetter mit offenem Verdeck zu fahren. Ihr seid völlig verantwortungslos. Unfaßbar.« Karsten legte sich seine sonnengelbe Krawatte um, die er eigentlich nur dann trug, wenn er besonders gut gelaunt war. »Hätte mich nicht gewundert, wenn sie dich gesucht hätten, du sahst ja furchterregend aus, geradezu martialisch.«
Ich runzelte die Stirn und betrachtete ihn genauer. Er sah wirklich sehr fröhlich aus und irgendwie anziehend. Ein Bild flackerte kurz vor meinen Augen auf. Ein ziemlich pornographisches Bild, das mit sehr feuchten Körpern zu tun hatte. Ein sehr appetitanregendes Tagtraumbild, für das ich im Moment aber keine Zeit hatte. Die Wirklichkeit interessierte mich ausnahmsweise brennend, vor allem, weil ich mich partout nicht an sie erinnern konnte.
»Sag mal«, meinte ich vorsichtig, »wenn ich wirklich so furchtbar war gestern abend, warum grinst du dann so?«
Karsten schlenderte augenzwinkernd auf Björndal zu und ließ sich auf der Bettkante nieder. Er lächelte. Dieses alte Lächeln. Die feuchten Körper kletterten wieder in meinen Kopf, bereit, Wirklichkeit zu werden.
»So furchtbar«, raunte Karsten, »warst du gar nicht. Nicht, nachdem ich dich geduscht hatte.« Er beugte sich zu mir herab, biß mir ins Ohrläppchen und flüsterte. »Ich wußte gar nicht, daß du so was so gut kannst. Mal was anderes als die gute alte Hausmannskost.« Ein wenig beleidigt wollte ich protestieren, doch Karsten schwärmte weiter: »Es war fast wie damals auf Mallorca. Himmlisch … göttlich … Könntest du das bald noch mal machen? Vielleicht heute abend?«
Ich schluckte, leider wußte ich von der vorangegangenen Nacht zu wenig, aber mir gefiel der kurze Anflug von Romantik bei Karsten außerordentlich gut. Genau wie die feuchten Körper, die sich immer hemmungsloser in meinem Kopfkino räkelten. Warum nur davon träumen?
»Wenn du möchtest«, hauchte ich und schloß meine Augen zu einem – wie ich hoffte – lasziven Blick, »kann ich es jetzt sofort noch mal machen.«
Karsten runzelte lächelnd die Stirn. »Nee, Liebling, laß mal. So wild bin ich dann auch wieder nicht darauf. Morgens früh? Nee, nee laß mal.«
Enttäuscht richtete ich mich auf. »Damals auf Mallorca konntest du auch morgens nicht genug davon bekommen. Weißt du noch, damals, in dem alten Himmelbett mit den geschnitzten Medusenköpfen.«
Mein Mann runzelte plötzlich die Stirn. »Himmelbett? Nein, du irrst dich, wir haben nie eine Tortilla mit Zwiebeln im Bett gegessen.«
»Tortilla?« fragte ich und. »Zwiebeln?«
»Ja!« sagte mein Mann. »So eine, wie du sie uns gestern noch gezaubert hast. Ratzfatz, ohne großes Rezept. Einen Hunger hattest du! Na ja, kein Wunder bei dem, was du getrunken haben mußt. Okay, Liebes, ich werd’ dann mal.«
»Und nach den Tortillas?« »Nach den Tortillas bist du ins Bett geplumpst und sofort eingeschlafen. Du hast sogar ein wenig geschnarcht.«
Geschnarcht?«
»Klang ziemlich niedlich.«
Was mich nicht tröstete. Mit federnden Schritten durchmaß Karsten unser Schlafzimmer, griff nach seinem Jackett und war verschwunden. Ich blieb zurück, um die Tortillas zu verdauen. So also sahen die »wunderbaren«, die »himmlischen« Erinnerungen meines Mannes an Mallorca aus. Ich Trottel, wie kam ich nur auf feuchte Körper? Herrliche, wohlgeformte, durchtrainierte, animalisch riechende Körper.
Seufzend schloß ich die Augen, um wenigstens diese erotische Privatvorstellung zu genießen. Vergebliche Liebesmüh.
»Mama, wann gibt es endlich Frühstück?« holte mich die Stimme meines Sohnes vor der Schlafzimmertür in die rauhe Welt der Muttis zurück. Und Zoey sorgte mit ihrer anklagenden Muffelmiene am Frühstückstisch für den vollkommenen Rücksturz zur Erde, wie es beim Raumschiff Orion so schön hieß.
»Hast du die Packungsaufschrift hiervon nicht gelesen?« maulte sie.
»Welche Packungsaufschrift?«
Zoey riß eine Zwiebacktüte hoch und drückte sie mir fast ins Gesicht. »Da steht Voll-Ei unter den Zutaten. Voll-Ei?«
»Na und?« fragte ich genervt zurück und ließ ein Aspirin in das Wasserglas vor mir plumpsen.
»Voll-Ei ist eine beschönigende Beschreibung für lebendige Küken. Die machen den Teig für dieses Schweineprodukt mit lebendigen Küken, die vom Förderband in die Tröge fallen und da von den Rührern zerquetscht und …«
»Acht????« tönte Janosch mit einem bedenklichen Glitzern in seinen Hungerleideraugen.
»Bitte, Zoey«, unterbrach ich sie heftig, »muß das sein? Am Frühstückstisch?«
»Das muß sein, wenn du zuwenig Phantasie hast, um dir die Leiden der gequälten Karikaturen …«
»Du meinst Kreaturen.«
»Ist doch egal, du hast jedenfalls null Phantasie und weißt gar nicht, wie die Tiere in den Industrienationen leiden. Nimm Brownie.«
»Wuff, wuff!« meldete sich unser Hund aufs Stichwort und sah irgendwie anklagend aus.
»Apropos Tierquälerei«, sagte ich müde, »hast du Brownie schon gefüttert?«
»Weißt du, wie Tierfutter hergestellt wird?« fragte im Gegenzug Zoey.
»Nein, und ich bin froh darüber, daß ich nicht genügend Phantasie habe, es mir vorzustellen. Janosch, mach voran, dein Bus fährt gleich.« Mit diesen Worten erhob ich mich, um den Hund zu füttern und die Liste meiner Haushaltspflichten abzuarbeiten.
Zuwenig Phantasie, dachte ich schnaubend, als ich eine Viertelstunde später eine gußeiserne Pfanne von den himmlischen Tortillaresten des vergangenen Abends befreite. Zu wenig Phantasie! Das ausgerechnet mir. Das Gegenteil war wahr. Ich hatte eine völlig verdrehte Phantasie, wie mir mein nächtlicher Cabrio-Traum bewiesen hatte. Und die feuchtnassen Körper … Seufzend ließ ich die Pfanne sinken und malte mir einen leicht gebogenen Männernacken aus mit goldenen Härchen, die ich mit der Zungenspitze ganz zart aufrichten könnte.
Nein, nicht jetzt! dachte ich streng. Nicht, bevor du deine Pflichten erfüllt hast. Gerade nach einem Schlampenabend wie gestern mußt du gefälligst erst mal deine Arbeit erledigen, bevor du dich entspannen darfst.
Ich warf einen kurzen Blick auf meine Liste, was mich beruhigte. Spülen stand da, dann Aufräumen und drittens Aldi-Einkauf. Aldi! Himmel, das hatte ich glatt vergessen, heute war ja Mittwoch. Aldi-Tag, ein Höhepunkt meiner Hausfrauenwoche, hemmungsloses Schwelgen in Familiengroßpackungen und Billigluxus.
Was hatten die diese Woche noch im Angebot? Kinderpyjamas, Lady-Shaver, eine Original Gartenkralle? Ich kramte die Anzeige aus der Tageszeitung hervor.
Im nächsten Moment riß mich ein nervenzerfetzendes Geräusch aus meinen einlullenden Einkaufsträumen. Vor der Haustür stand Cordula und klingelte so laut Sturm, daß in meinem Brummschädel wieder die Sirenen aufheulten.
»Na, fertig, gekämmt, gewaschen und gebürstet?« fragte sie strahlend lächelnd und bemerkenswert wach.
»Gebürstet wofür?« fragte ich verwirrt.
»Na, um dein Leben zu verändern.«
»Mein Leben verändern? Warum denn das?«
»Weil du es gestern, nachdem die Bullen an uns vorbeigerast und du Führerscheinentzug, Knast und öffentlicher Schande entronnen bist, vor Gott und allen Feldkaninchen geschworen hast, dein Leben zu verändern, deinen Mann wieder in einen Romantiker zu verwandeln und dich in die umwerfende Klassefrau, die in dir steckt.«
»Das mit den Bullen war echt?«
»Und ob, Baby. Ich nenn’ uns nur noch Thelma und Louise.« Sie drängte sich an mir vorbei in die Diele und riß mir im Vorbeigehen die Schürze herunter. »Nun mach schon, wir haben zu tun. Und zwar reichlich.«
»Ich will mein Leben aber gar nicht verändern. Ich will nur zu Aldi«, wehrte ich ab. »Die haben diese Woche Asterngestecke und Brotbackmaschinen im Angebot.«
»Quatsch, Aldi. Vergiß es. Wir fahren erst zum Friseur.«
»Ich hatte erst gestern meinen monatlichen Termin bei Stupp in Reuschenberg.«
Cordula lief um mich herum, als sei ich der Eiffelturm. »Davon sehe ich aber nichts.«
»Kunststück ich habe den Termin doch auch verpaßt.«
»Gott sei Dank.«
»Wieso Gott sei Dank?«
»Weil Stupp eine so sture Stammkundin wie dich kaum zu einer neuen Frisur überreden würde.« Cordula kramte an der Garderobe nach einem Blazer für mich.
»Ich und stur? Nie.«
»Stur wie ein Panzer, meine Liebe. Du verwendest eine irrsinnige Energie darauf, nichts in deinem Leben zu verändern. Aber damit ist jetzt Schluß.« Cordula betrachtete meine helle Windjacke mit soviel Abscheu wie eine beschmutzte Babywindel.
»Also hör mal!« warf ich ein.
»Glaub ein einziges Mal der Psychologin in mir. Ich meine nicht der, die für die Frauenmagazine arbeitet. Sondern mir! Ich hab’ den Kram schließlich mal studiert. Kein Mensch kann dich dazu zwingen, so zu leben wie du lebst, außer du selber. Carolin, du hast Angst vor Veränderungen. Du hast Angst vor deiner Weiblichkeit. Du hast Angst vor deiner Sexualität.«
Wenn du wüßtest, dachte ich und ließ noch einmal die feuchten Leiber an mir vorbeiziehen. Laut protestierte ich: »Sag mal, spinnst du? Ich habe doch keine Angst vor Sex.
Was ist das überhaupt für ein Thema am frühen Morgen. Ich freue mich wie jede Woche auf meinen Trip zu Aldi, und du, was machst du?«
»Ich ziehe durch, was ich dir gestern versprochen habe.«
»Mir? Versprochen?« Ich kramte in meinem immer noch stark alkoholhaltigen Gedächtnis.
»Ich habe versprochen, dich an deine Träume zu erinnern, an deine Lust, an deine Wünsche. Deshalb habe ich auch einen Termin bei Serge gemacht.«
Ich tastete nach einem Stuhl. »Du meinst diesen Figaro von der Kö? Der ist doch über Wochen ausgebucht!«
»Monate, Schätzchen, Monate; Nur nicht, wenn Cordula, die Psychotante von ›Elle‹, Marie Claire‹ und ›Vogue‹ bei ihm anruft. Und erst recht nicht, wenn sie in dem Moment anruft, in dem er erfahren hat, daß sein Freund …«
»Du meinst Claude Mentoni?«
»Exakt, der Modemacher, ihn betrogen hat. Mit Leonardo …«
»Di Caprio?«
»Nee, so gut ist die Story denn auch wieder nicht, sonst säße ich bereits an meinem Computer und würde mir die Finger wundschreiben. Na, jedenfalls hat Serge Liebeskummer, und Tante Cordula mußte sofort eine hochprofessionelle Krisenintervention durchziehen.«
»Und das hat geholfen?«
»Und wie. Ab zehn Uhr ist er nur für dich da. Deshalb hopp, hopp, zieh diesen Putzlappen über, und dann ab nach Düsseldorf.« Sie warf mir die Windjacke zu und zerrte mich in Richtung Haustür.
»Einen Serge kann ich nicht bezahlen.«
»Serge brauchst du nicht zu bezahlen, der hat schließlich mich umsonst gehabt. Aber die neuen Klamotten …«
»Klamotten?«
»Klaro: Carschhaus, Kö-Galerie, das ist Punkt zwei meiner Liste.«
»Igitt, klingt nach meiner Schwiegermutter. Willst du etwa eine Düsseldorfer Kö-Schlampe aus mir machen?«
Kö-Schlampe war Cordulas treffender Ausdruck für Frauen wie meine Schwiegermutter Erika. Frauen, die viel zu blond, viel zu braun, viel zu goldknopfbeladen, viel zu geschminkt und für all das zusammen viel zu alt waren. Wie etwa Erika, die rüstige zweiundsiebzig Lenze zählte und dank jahrelangem Mißbrauch der Sonnenbank wie ein doppelt so alter Lederschuh oder eine Winnetou-Imitatorin aussah. Kö-Schlampen waren außerdem Frauen, die sich für Gottes größtes Geschenk an die männliche Menschheit hielten und andere Frauen für unnötige Zuchtexperimente. Zwischen Cordula und mir bestand Einigkeit, daß es nichts Peinlicheres als diese Modeopfer von der Düsseldorfer Königsallee gab.
Meine Freundin schüttelte entnervt den Kopf und zog mich aus dem Haus. »Baby«, erklärte sie streng, »eine Kö-Schlampe ist man von Natur aus, du bist es nicht. Du mußt dir endlich mal deinen Schneewittchenkomplex abgewöhnen.«
»Was ist denn das schon wieder?«
»Meine Story für nächste Woche.«
»Verschon mich!«
»Nee, weil sie nämlich ausnahmsweise auf dich paßt. Hör zu. Schneewittchen war siebenmal schöner als die Königin – ihre Stiefmutti –, was sie in tödliche Gefahr brachte. Schneewittchen durfte also nicht älter, schöner und reifer werden, weshalb sie sich ins Land der sieben Zwerge zurückzog.«
»Ich kenne das Märchen, wenn auch nicht in deiner Version«, stöhnte ich. »Wann kommt der schmutzige Psychologenteil mit dem Sexkomplex?«
Cordula schüttelte den Kopf. »Ausnahmsweise gar nicht. Du denkst über dein Äußeres nur genau wie Schneewittchen. Du hältst deine Schönheit für gefährlich, weshalb du auf alles, was dich hübscher und echt sexy machen könnte, verzichtest. Könnte ja sein, daß du dann Konkurrenzsituatuionen erleben mußt oder den Neid anderer Frauen auf dich ziehst. Und davor hast du Angst. Geht übrigens vielen feministisch vorgeschädigten Frauen so.«
»Du weißt ja überhaupt nicht, wie sexy ich sein kann.«
»In deiner Phantasie vielleicht«, gab Cordula trocken zurück. »Was ist, willst du ans Steuer?« Wir standen vor ihrem Cabrio und ich wurde so rot wie sein Lack.
»Ich hab’ das Ding beinahe zu Schrott gefahren.«
»Hauptsache, es hat bei dir da oben endlich Klick gemacht.«
»Du bist komplett durchgeknallt.«
»Kann sein, also – hast du Geld und Kreditkarten in deiner Jackentasche?«
»Geld habe ich nur für Aldi, und die Kreditkarten gehören Karsten, die kann ich nicht für irgendwelchen Schnickschnack benutzen.«
Cordula öffnete mir die Wagentür – die eine deutliche Delle aufwies. Ich schluckte kurz und dachte, daß Cordula wirklich eine Freundin war, wenn sie über eine Delle wie diese großzügig hinwegging. Meine wirkliche Freundin stieß mich roh ins Auto, während sie mir weiter die Leviten las.
»Wie bitte? Du hast doch wohl Kontovollmacht.«
»Klar.«
»Na also.«
»Karsten tickt aus, du weißt, wie sparsam er ist, wegen der Firmenschulden, die sein Vater ihm hinterlassen hat und überhaupt. Er hält nichts von Verschwendung.«
Cordula startete seufzend das Auto und ließ einen Blicke über meine Windjacke streifen. »Das ist unübersehbar.«
»Na also.«
»Nix na also. Die Schulden sind doch längst passé. Er muß inzwischen ein Vermögen verdient haben.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Lebst du noch im 19. Jahrhundert? Denk doch nur mal an den Bauboom Ost in den frühen 90ern. Da hat er doch gleich drei neue Niederlassungen für Bauzubehörhandel gegründet.«
»Von denen er eine bald wieder zumachen muß, der Boom ist vorbei.«
Elegant lenkte Cordula den Wagen aus der Einfahrt und lächelte hoheitsvoll meiner Nachbarin zu, die kurz davor schien, sich zu verbeugen. Ich feixte ein bißchen, Cordula fuhr in ihrer Strafpredigt fort.
»Toiletten sind wie Särge, die braucht man immer, hast du selbst gesagt. Außerdem ist der wechselnde Geschäftserfolg von Karsten kein Grund dafür, daß du dir noch nie in deinem Leben mal ein schickes Teil gekauft hast, ein paar schöne Dessous, rote Slingpumps.«
Vor uns ratterte ein Traktor auf die Straße, das ausladende Hinterteil des Bauern hopste im sattelförmigen Sitz auf und ab. Dieser Anblick ländlicher Idylle ließ mir Cordulas Ideen noch absurder erscheinen.
»Rote Slingpumps? Was soll ich denn damit, die kann ich doch zu nichts tragen.«
Cordula setzte zum Überholmanöver an und gab so heftig Gas, daß es mich in den Ledersitz preßte und dem Bauern den Hut vom Kopf riß.
»Eben. Das macht ja den Reiz roter Slingpumps aus. Sie sind unnütz, teuer und absolut hinreißend. Außerdem zwingen sie einen dazu, ein passendes Kleid dazu zu kaufen.«
Fünf Minuten später fuhren wir über die elegant geschwungene Fleher Brücke in Richtung Düsseldorf und in einen frischen Spätsommermorgen hinein, der mich wider Willen in Champagnerlaune versetzte. Vielleicht lag das auch an der ordentlichen Portion Restalkohol in meinem Blut.
»Sag mal, warum tust du das alles für mich?« fragte ich Cordula, als wir durch die warme, abgasschwangere Luft des Carsch-Haus-Parkhauses Richtung Ausgang marschierten.
»Weil wir eine entscheidende Sache gemeinsam haben, Süße.«
Ich riß den Mund auf und schluckte Bleischwaden. »Gemeinsam? Wir?«
Cordula zog sich mit den Zähnen ihre Cabrio-Handschuhe aus und nickte herzhaft. »Klar, wir haben beide das Gefühl, im Leben nicht das bekommen zu haben, was wir eigentlich wollten.«
Wir betraten den Fahrstuhl, ich schaute Cordula unverwandt an, während sie im rauchglasfarbenen Spiegel ihre Haare mit eleganten Handbewegungen und voll echter weiblicher Hingabe sortierte. Als sie noch die Puderdose hervorzauberte und sich die Lippen zärtlich mit der Zungenspitze befeuchtete, streifte ein Mann in Armanizwirn sie mit schmachtendem Blick. Kein Wunder, sie atmete aus jeder Pore verruchte, verführerische, selbstverliebte Weiblichkeit, während ich daneben aussah wie die letzte Übriggebliebene der Neusser Friedensbewegung kurz nach einer Demo in Brokdorf. Meine langen Haare hingen zerzaust und wirr vor meinem Gesicht, meine Stupsnase blinkte wie frischpoliert. Ich sah aus wie gesunde, frische Landluft.
Mit einem »Pling« öffnete sich die Fahrstuhltür. Cordula lotste mich zum Champagnerstand im Basement des Kaufhauses. Champagnerstände ersetzen in Düsseldorf die Würstchenbuden, es gibt sie überall, sogar im Hauptbahnhof. Cordula orderte zwei Gläser.
»Erinnerst du dich an den jungen evangelischen Pfarrer von Neuss-Selikum?« fragte sie unvermittelt. Ich ließ den Champagner zusammen mit dem Restalkohol wirken und fragte beschwingt zurück: »Den mit den Walle-Walle-Locken, den Sandalen und dem leuchtenden Peace-Blick?«
»Genau den.« Cordula nickte und kippte ihr Glas mit einem Zug, als handele es sich um Tequilla. »Den wollte ich heiraten, fünf bis zehn Kinder zeugen, mich um das benachteiligte Gesocks im Viertel kümmern und ansonsten die Apfelbäume im Pfarrgarten pflegen.«
«Nein«, entfuhr es mir. »Du wolltest Muttertier werden?«
»Mit diesem Mann schon«, gab Cordula zurück. »Aber natürlich war ich ihm viel zu wild und ungezogen, weshalb ich geworden bin, was ich bin. Was meinst du, wie ich dich manchmal um deine Idylle beneide? Um Zoey.« Ich schnaubte. »Um Janosch.« Ich schnaubte wieder. Cordula seufzte. »Das werde ich mit meinen 37 Jahren wohl kaum noch hinkriegen. Schon gar nicht ohne Mann.«
»Aber Männer hast du doch ständig.«
»Ja, nur keine potentiellen Väter. Ich bin da altmodisch, zu einem Kind hätte ich auch gern den passenden Mann. Soviel jedenfalls zu verlorenen Träumen. Jetzt kümmern wir uns darum, daß wenigstens du deine wiederfindest.« Sie zahlte, und wir eilten zu meinem Friseurtermin.