Читать книгу Auf Mallorca liebt sich's besser - Leonie Bach - Страница 9
6. Kapitel
ОглавлениеDu bist vollkommen verrückt!« befand hingegen mein Mann noch am gleichen Abend. »Haben sie dir mit den Haaren auch den Verstand abgeschnitten? Vier Wochen Mallorca in einem Luxushotel? Wie sollen wir das bezahlen? Und wo soll ich die Zeit hernehmen?« Er verfolgte mich vom Schlafzimmer hinab in die Diele. Ich trug flammneue Shorts, Sweatshirt, Turnschuhe und war wild entschlossen, meine Joggingroutine wieder aufzunehmen. Beherzt riß ich die Haustür auf. »Carolin, ich rede mit dir! Renn jetzt nicht weg.« Er hielt mich beim rechten Arm fest, ich joggte trotzig auf der Stelle.
»Wo, bitte, sollen denn die Kinder während der Zeit bleiben?«
»Janosch kann bei deiner Mutter bleiben, die kommt doch ohnehin, um sich hier vier Wochen einzunisten.«
»Einzu …? Carolin, wie sprichst du von meiner Mutter! Außerdem kannst du ihr das nicht zumuten, nach allem, was sie mit Vater durchgemacht hat, braucht sie Ruhe.«
»Dein Vater wird Tag und Nacht von einer Pflegerin betreut, die du teuer bezahlst. Und für die vier Wochen, in denen wir wegfahren, ist er ohnehin in einem Luxus-Kurheim angemeldet.«
»Du kannst meiner Mutter unmöglich Janosch zumuten!«
Ich wurde wütend, krachwütend. Meine verwitwete Mutter hatte im Gegensatz zu Erika den Anstand besessen, nach Bad Zwischahn überzusiedeln und meine Kinder in den Ferien regelmäßig einige Wochen zu sich zu nehmen. Nie war dabei von einer Zumutung die Rede gewesen, denn meine Mutter war unkompliziert und friedfertig. Genau wie ich es einmal war, dachte ich kampfeslustig.
»Zumuten? Was ist daran eine Zumutung? Unsere Zugehfrau kocht, macht das Haus und hat Janosch ziemlich gut im Griff. Deine Mutter hat praktisch nichts zu tun, außer hier zu schlafen und sich bedienen zu lassen.«
Mein Mann schaute voll strengen Vorwurfs auf mich herab, aber statt den Blick zu senken und meine Wut hinter dem Vorhang meines Haares zu verstecken, reckte ich angriffslustig das Kinn.
»Janosch ist für einen normalen Menschen viel zu anstrengend.«
Mein Gesicht wurde zur kriegerischen Maske. Ich lief nicht mehr auf der Stelle, ich stampfte. »Mein lieber Karsten, ich weiß, wieviel Arbeit Janosch macht. Deshalb brauche ich auch mal Ruhe.«
Mein Mann zuckte ein wenig zurück, er hatte nie mit einem Angriff meinerseits gerechnet, war also unbewaffnet, trotzdem wagte er einen weiteren Vorstoß. »Und was ist mit Zoey?«
»Die kann von mir aus mit Fresse in Urlaub fahren, sie ist fünfzehn Jahre alt. Außerdem ist Cordula auch noch da. Sie hat versprochen, nach dem Rechten zu sehen.« Ich riß meinen Arm und mich selber los.
»Carolin!« Der Schrei meines Mannes verfolgte mich bis zum Ende des Blocks. Egal, ich lief. Ich lief meinem alten Leben davon und einem neuen entgegen, davon war ich fest überzeugt. Mit beherzten Sätzen nahm ich die ansteigende Böschung zum Rhein, erreichte den Kamm der künstlich aufgeschütteten Wälle und rannte den Radweg entlang. Rechts von mir schillerte silbern der Rhein in der Abendsonne. Ein langer, ruhiger Fluß, der mir das Gefühl gab, endlich wieder meinen Lebensfaden aufgegriffen zu haben. Der Rhein schlängelte sich durch mein Leben, seit ich ein kleines Mädchen gewesen war. Hier hatte ich immer wieder zu mir selbst gefunden, Wasserschnecken gesammelt, vorbeituckernde Lastkähne gezählt, Fernweh gepflegt und Liebeskummer verwunden. Warum nur, warum hatte ich so lange damit gewartet, ihn wieder zu einem Teil meines Lebens zu machen, wo er doch praktisch vor meiner Haustür lag?
Ich pumpte meine Lungen mit dem Atem des Flusses voll, mit diesem unnachahmlichen Geruchsgemisch aus feuchtem Stein, Moder und Maschinenöl. Dann lief ich, bis ich den letzten Rest des Alkohols der letzten Tage ausgeschwitzt hatte und betrunken war vor Euphorie und Aufbruchsstimmung. In feinen Rinnsalen rann mir der Schweiß zwischen den Brüsten, meine kurzen Haare blinkten, kleine Tropfen hingen in meinen Augenbrauen – und ich war glücklich.
Mit diesen Gefühlen kehrte ich nach Hause zurück, duschte und tänzelte endlich – mit nichts als einem Handtuch bekleidet – vor dem Spiegel auf und ab. Mich selbst und Madonnas »Ray of Light« – zu deutsch Lichtstrahl – zu genießen.
Mein Mann schmollte in irgendeiner Ecke des Hauses. Ich drehte den CD-Player ein wenig lauter und nibbelte meine Haare trocken. Was für eine Freiheit! Kein Fön mehr, keine lahmen Arme, einfach nur sauberes Haar. Madonna begann laut zu schluchzen! Huch, den Sound kannte ich von ihr doch gar nicht. Er kam ja auch nicht von ihr. Sondern von Zoey, die sich hinter mir auf »Björndal«, das Bett, warf und die Kissen mit heißen Teenie-Tränen durchweichte.
Ich runzelte die Stirn, zog einen Bademantel über und setzte mich zu Zoey aufs Bett. Geduldig wartete ich ab, bis ihre Tränenflut den Höhepunkt erreicht hatte, abebbte und sie ihrer Stimme wieder mächtig war. »Also?« fragte ich.
»F-F-Fresse hat mit mi-mi-mihir Schluß gemacht!« Erneute Tränenfluten. Ich hätte beinahe mitgeweint, vor lauter Erleichterung.
»Das tut mir sehr leid. Ich weiß, wie weh das tut«, sagte ich vorsichtig und streichelte Zoeys Haar. »Wie-wie-weißt du nicht, du hast doch Pa-pa-pa-pa!«
»Na ja, aber vor Papa kannte ich ein paar andere Männer.«
Für die meine Tochter sich nicht die Bohne interessierte. Sie interessierte sich nur für Fresse, der scheint’s wegen einer mehrfach gepiercten, motorradinteressierten Technofee, die zudem überzeugte Fleischesserin war, meine süße, unschuldige Zoey hatte sausen lassen.
»Wirst sehen«, tröstete ich sie wie viele Mütter in diesen Situation mit den beiden klassischen Sätzen: »Irgendwann nimmt der Schmerz ab, und du vergißt den Kerl. Es gibt auch andere Jungs.«
»Und was wird mit Frankreich? Ich will sterben.« Es folgte ein großes Schluchzen. In das mein Mann hineinplatzte.
»Was ist denn hier los?«
»Deine Tochter hat Liebeskummer. Fresse hat sie verlassen.«
Verschwörerisch blinzelte ich meinem Mann zu, überzeugt davon, daß auch ihn diese Nachricht mit Erleichterung erfüllen würde. Statt dessen malten sich Entsetzen, Bestürzung und tiefste Trauer in seinem Gesicht ab. Er setzte sich auf die andere Seite des Bettes. »O mein Gott, Zoey, es tut mir so leid!«
Ein Aufjaulen war die Antwort, dann stürzte sich meine Tochter in die Arme ihres Big Daddy, der vor Glück dahinschmolz.
Klar gefiel es ihm, das Duell mit dem ersten Freund seiner Zoey so mühelos gewonnen zu haben. Weshalb er zu allen Formen der väterlichen Tröstung bereit war, was wiederum meiner Tochter nicht entging.
»Ist es sooo schlimm?« zärtelte Karsten.
Zoey schluchzte und nickte. »Schlimmer!«
»Kann dein Papa irgendwas tun, damit es nicht mehr ganz so schlimm ist.«
Schluchzen, Kopfschütteln. Raffiniert! »Wi-wir wollten nach F-F-Frankreich, jetzt fährt er mit der anderen. Ich will sterben.«
»Nananana!« Zoey wühlte sich in die Brust meines Mannes hinein und durchnäßte sein T-Shirt nach allen Regeln der Kunst. Oh, wie Karsten diese tiefe Zerknirschung seines kleinen Mädchens genoß. Vor allem, nachdem seine sanftmütige Gattin zu einer Art weiblicher Ninja Turtle mutiert war. »Mein Süßes, mein Schätzchen, würde es dir helfen, wenn du einen ganz tollen Urlaub mit uns machen würdest? Auf Mallorca?«
»Mallorca?« fragte Zoey begeistert.
»Mallorca?« bildete ich das entsetzte Echo. Über Zoeys zerwühlten Wuschelkopf hinweg schaute mein Mann mich strahlend an. Ein Blick, der mehr als tausend Wort sprach. Worte wie: Na bin ich nicht ein toller Mann? Du stellst mich vor vollendete, unbezahlbare und unzumutbare Tatsachen, hältst es nicht einmal für nötig, dich nachher zu entschuldigen und ich? Ich bin die Großzügigkeit in Person, gebe nach, ohne Streit, ohne Vorwürfe, ohne. »Bläh, bläh, bläh.« Ich schoß einen Blick zurück, der eine Cruise Missile sein sollte, an meinem Mann aber leider abprallte. Zoey richtete sich auf uns betrachtete ihren Vater mit Stauneblick.
»In den Süden? Da wollt ihr doch nie hin.«
»Ich schon«, sagte ich trocken.
»Mallorca«, wiederholte Zoey noch einmal, zog die Nase hoch und vergaß zu schluchzen. »Mmmh. Mit euch?« Ein Hauch von ihrer alten Muffigkeit war kaum zu überhören, außer für meinen Mann, den stolzen Superdad.
»Genau«, bestätigte er strahlend, »nur mit uns. Deiner Mama und mir. Da hast du uns mal ganz für dich.«
Zoey zuckte mit den Achseln. »Okay. Telefon werden sie da ja wohl haben.« Dann wandte sie sich an mich. »Gibt’s übrigens noch was zu essen? Ich bin am verhungern.«
Am liebsten hätte ich mit »selbst schuld« geantwortet, statt dessen erklärte ich meiner 15jährigen Veganerin zum zweitausendundfünftenmal, wie unser Umluftherd funktionierte, wo die Tiefkühltruhe stand, und daß darin noch zwei Dutzend Reformhaus-Vollwertpizzen für Veganer auf sie warteten.
»Und 1-2-3 Frites von McCain?«
»Die auch«, gab ich genervt zurück und verzog mich ins Bad. Mallorca mit Zoey. Nein, das war nicht das Mallorca, das ich gemeint hatte. Ärgerlich betrachtete ich die roten Satin-Dessous samt Wonderbra, die ich als eine Art Generalprobe heute abend hatte tragen wollen. Mit Zoey auf Mallorca. Nun ja, wenigstens die Nächte würden Karsten und mir gehören.
Ich ließ das Handtuch fallen, schlüpfte in die Pantys und den BH und fühlte mich so sexy und sinnlich, daß ich am liebsten über mich selber hergefallen wäre. Erst recht nachdem ich – aus reinem Übermut – noch die Slingpumps probierte. Wow, es machte Spaß, ein Vollweib zu sein!
Ich zog meinen riesigen Frotteebademantel über und stöckelte durch die Badezimmertür ins Schlafzimmer. Mein Mann saß mit dem Rücken zu mir auf dem Bett und telefonierte. Mit Erika.
»Mallorca, ja, Mutter.« Ich lächelte leise. Irgendwie war er doch ganz süß. Er hatte keine Szene gemacht, er hatte sich abgefunden und sich lediglich – verzeihlicher Schnitzer – von seiner Tochter um den Finger wickeln lassen, aber immerhin, er war Mann’s genug, seiner Mutter sofort alles mitzuteilen. Einer Mutter, die es ihm – wie immer – nicht einfach machte.
»Aber Mutter, wie stellst du dir das vor?« Pause. »Vater? Der ist doch versorgt!« Pause. »Mutter, es geht doch nur darum, daß du vielleicht einmal auf Janosch aufpassen könntest.« Pause. »So schlimm ist er nun auch wieder nicht.« Pause. »Du sprichst schließlich von deinem Enkel, deinem eigenen Fleisch und Blut.« Lange Pause. »Oh, Mutter, nein, reg dich doch nicht so auf. Nimm die Tropfen, ja? Nimm die Tropfen. So ist es gut. Immer mit der Ruhe. Soll ich dir einen Arzt rufen? Ja, Mutter, ist gut. Natürlich finden wir eine Lösung. Sicher. Jaja, dann fahren wir eben nur zwei Wochen, ja, ja. Ist auch billiger. Ja, dann nehmen wir ihn eben mit. Ja, Carolin wird das natürlich verstehen.« Pause.
Ich stieg aus den Slingpumps und wog sie vorsichtig in meiner Hand.
»Gute Nacht, Mutter, schlaf gut.« Mein Mann legte in dem Moment auf, als ihm ein feuerroter Slingpump direkt am ii rechten Ohr vorbeisauste. Mit einem Ausruf des Schreckens fuhr er herum. Ich stemmte die Hände in die Hüften! und holte ganz tief Luft. Der Bademantel öffnete sich plötzlich gegen meinen Willen und gab feuerrote Einsichten frei.
Karsten erbleichte augenblicklich. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht herab zu meinen Tortillas und von dann zum rot versiegelten Garten der Lüste. Ich genoß diesen» Moment des Triumphes wortlos und hörte meinen Mannischlucken.
»Das … das sieht toll aus. Auch mit den Haaren«, sagte er, und diesmal klang es aufrichtig.
Mit einer leichten Schulterdrehung nach hinten ließ ich den neuen Bademantel ganz von meiner Schulter gleiten. Eher beiläufig, so, als bemerkte ich es gar nicht. Dafür bemerkte Karsten mein erstaunliches Dekollete. Es schien ein Schock für ihn zu sein, er starrte mich an, als habe er mich nie zuvor gesehen.
Was mich wiederum so wütend machte, daß ich den Bademantel energisch zusammenzog, zum Bett stapfte und mich darauflegte, um mich demonstrativ in meinen Mallorca-Führer zu vertiefen.
»Carolin«, hauchte mein Mann mit der Stimme des alten Karsten Schaleen. Seine Hand suchte den Eingang zum Frotte-Tunnel.
Ich hob nur kurz den Blick. »Pfoten weg!« schnauzte ich. »Eine Mutter muß sich ausruhen. Kräfte sammeln für zweiwöchigen Familienurlaub.«
Karsten richtete sich auf. »Also, hör mal, du tust ja so, als würden wir auf einen Höllentrip gehen.« Ich grummelte in mich hinein und verschanzte mich tiefer in den Führer. »Du könntest wenigstens dankbar sein, daß ich mich so schnell mit deiner Schnapsidee arrangiert habe.«
»Das war keine Schnapsidee, sondern eine Champagnerlaune. Ich wollte einen Honeymoon mit dir allein. Nur du und ich zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren.«
Mein Mann robbte über das Bett auf mich zu und fahndete weiter nach dem Tunnelzugang, ich kniff die Schenkel fest zusammen, obwohl Flammen an den Innenseiten emporzüngelten.
»Jetzt«, sagte Karsten mit Reibeisenbaß, »sind wir doch alleine. Und du siehst so sexy aus.«
Er lächelte doch tatsächlich sein verfluchtes, altes Lächeln! Und das nur wegen eines Friseurbesuchs und ein paar Dessous. Egal, die Rebellin in mir war zu Abrüstungsverhandlungen bereit. »Muß denn Janosch auch noch mit?«
Karsten schob den rechten Ärmel meines Bademantels hoch und küßte meine Ellbogenbeuge. Dieser Fuchs, er hatte es also doch nicht vergessen. Genau dort lag meine aller-aller-verwundbartse Stelle.
»Und wenn ich Cordula bitte, ihn zu nehmen?«
»Cordula?« fragte mein Mann verdutzt.
»Ja, stell dir vor, sie beneidet uns um Janosch.«
Mein Mann grinste kurz, dann schob er seine Hände tiefer in den Ärmel. »Könntest du dieses Zelt ausziehen«, bat er drängend, »bevor ich explodiere?«
Was er nicht tat, denn in diesem Moment unterbrach ein ohrenbetäubender Knall seine bestrickenden Balzversuche.