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5. Kapitel

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Unter dem Einfluß von Champagner und Restalkohol dämmerte ich unter den einfühlsamen Händen von Serge und dem warmen Licht seines grau und rosa gefliesten Salons langsam wieder hinweg.

»Nicht zu kurz!« befahl ich noch murmelnd, während Cordula sich verabschiedete, um schon einmal in Sachen rote Slingpumps auf Erkundungspirsch zu gehen.

»Gib dein Bestes, Serge«, wies sie den Figaro noch an.

»Ich weiß nicht, was ich versprechen kann. In einer akuten Krise wie dieser bin ich nicht ich selbst.«

»Liebeskummer setzt ungeheure Energien frei. Unglück macht kreativ, mein Lieber. Ich wette, du wirst aus meiner Freundin ein Kunstwerk machen. Tschaui.«

Serge stellte die Kopfdusche an, verrieb rosig und süß duftendes Shampoo in seinen Handflächen und begann 1 mit kummervollem Seufzen mein Haar sanft einzuschäumen.

»Nicht zu kurz!« warf ich noch einmal ein und grunzte \ wohlig unter der Kopfmassage, für die er ungefähr zweiundzwanzig Finger zu benutzen schien.

»Ach, Schätzchen«, wandte sich Serge mir zu, »wenn Sie wüßten, wie es in mir aussieht.«

Er machte eine kurze Pause, eine sehr kurze Pause, um dann zu einer ausführlichen Schilderung seines Innenlebens anzusetzen, die mir freilich entging, da ich mich entschloß, die gute, sanfte, einfühlsame Carolin einfach mal schlafen zu lassen, statt sie zur seelischen Mülltonne eines liebeskranken, überkandidelten Friseurs zu machen.

»Wissen Sie, Schätzchen, die Liebe unter Männern hat ganz andere, tiefere Dimensionen.«

Zeit für meine feuchten Körper und die goldenen Nackenhärchen, Zeit für ein kleines schwüles Filmchen zum Wegdösen.

Die sanfte, liebe Carolin wachte nie wieder auf oder besser: Nach dem Aufwachen verschwand sie für immer aus meinem Leben. Zum Abschied stieß sie nur einen einzigen gellenden Schrei aus, und dann legte die innere Rebellin lauthals los.

»Serge! Sie hypersensibler Volltrottel, Sie weichgespülter Don-Johnson-Imitator, was haben Sie mit meinen Haaren gemacht?«

»Aber erlauben Sie mal.«

»Ich habe gesagt: nicht zu kurz! Wie würden sie diese Zotteln nennen, die sie übriggelassen haben.«

»Très chic, Madame. Es ist eine Kurzhaarfrisur der späten 90er«, gab der beleidigte Friseur affektiert zurück.

»Und dazu ausgerechnet auch noch die blonde Farbe«, meckerte die Rebellin aufgebracht, den Blick fest auf den ovalen Spiegel geheftet, an dessen Seiten künstliche Kerzen in goldenen Wandlüstern flackerten.

»Es entspricht genau Ihrem Typ und läßt Sie jünger erscheinen«, erwiderte der pikierte Serge mit gespitzten Lippen. »Sie könnten glatt als Ende Zwanzig durchgehen.«

»Ende Zwanzig?« brüllte ich das Spiegelbild an. »Verfluchte Scheiße, ich will endlich erwachsen werden und mein Leben nach vorne verändern, und statt dessen sehe ich jetzt aus wie …«

»Jean Sebergh in ›Atemlos‹ oder – ums moderner zu machen – wie Sharon Stone. Meine Güte, Carolin, daß du mehr aus dir machen könntest, habe ich schon immer gewußt, aber daß du … also, wow, echt.«

Cordulas Staunen war nicht gespielt. Ich betrachtete verblüfft ihr Gesicht, das hinter meinem Rücken im Spiegel aufgetaucht war. Ihr leichter Silberblick entglitt zu einer Art betrunkenem Schielen, und durch ihre markante Nase sog sie hörbar und wie unter Atemnot die Luft ein.

»Wahnsinn!« stieß sie hervor. »Wahnsinn!«

Leicht irritiert betrachtete ich den Gegenstand ihrer Bewunderung – also die frischgebackene Kurzhaarblondine – erneut im Spiegel. War das wirklich ich? Hatte ich tatsächlich diese hochstehenden, vielleicht etwas zu markanten Wangenknochen, dieses herausfordernde, kecke Kinn und vor allem diese großen, wachen Augen? Augen, die über einer Stupsnase angeordnet waren. Herrgott ja, die Stupsnase! Und doch wieder nicht dieselbe Stupsnase wie heute morgen. Zwar sah ich nun wirklich jünger aus, aber nicht mehr jung im Sinne von niedlich, sanft und unbedarft. Die Frau, die mich mit zornigem Blick aus dem Spiegel anschaute, war erwachsener, als die liebe, sanfte, langhaarige Carolin je hätte sein können. Diese Blondine hatte Ecken und Kanten, sie sah nach lebendiger Wut aus, aber nicht nach jahrelangem Frust. Ich sah zum erstenmal die Frau, die ich heimlich immer hatte sein wollen. Ich sah die innere Rebellin: klar, kompromißlos und voller Lebensgier. Ein Lächeln stahl sich in mein Gesicht und ließ mich unge wohnt spitzbübisch aussehen.

»Ahhh«, seufzte Serge, »eh voilà.« Mit einem federweichen Rougepinsel und den großartigen Gesten eines Mannes, der sich für Picasso hält, fuhr er durch mein Gesicht, tupfte Lippenstift auf meinen Mund und ließ meinen Blick mit etwas rosafarbenem Lidschatten, grauem Kajal und schwarzer Mascara noch heller strahlen. Dann trat er zurück, legte den Kopf zur Seite und betrachtete mich wie eine frisch bemalte Leinwand. »Perfekt. Ich hoffe, nun würdigen Sie endlich meine Kunst.«

Ich nickte dem Spiegelbild zu.

Serge nickte zurück und seufzte: »Denken Sie an mich, den unglücklichen Serge, wenn Ihr Mann heute abend vor Ihnen auf die Knie sinkt, und schließen Sie mich, den vergeblich Liebenden, in Ihr Nachtgebet ein, wenn Ihr Mann in Ihren Armen den kleinen Tod der Liebe stirbt. Aaaah.«

Wieder Seufzen. Diesmal im Duett. Ich begleitete Serge, während ich in Gedanken die Hand meines Mannes – der sich wieder in Karsten, den Liebestraum – verwandelt hatte, zärtlich durch meine Haare und von dort über den Nacken bis zum Ende meiner Wirbelsäure fahren ließ.

»Karsten«, seufzte ich wohlig und dann – erwachend – in schriller Tonlage. »Meine Güte, mein Mann!« schrie ich dann auf. »Was wird er nur dazu sagen? Er liebt meine langen Haare über alles.«

»Hoffentlich nicht nur deine Haare«, gab Cordula gewohnt sarkastisch zurück und probierte Ohrclipse an mir aus.

»Nein«, behauptete ich mit bitterem Lachen, »Karsten liebt nicht nur meine Haare. Er liebt auch meine Tortillas.«

Der Figaro wirbelte zu uns herum und betrachtete mich mit einem Ausdruck echten Entsetzens. »Ist das ein neues Kosewort für weibliche Brüste?« Voll Abscheu schraubte er Shampooflaschen zu. »Oh, diese Heteros, kein Sinn für die wahre Poesie der Liebe. Tortillas! Selbst wenn ich für die weibliche Anatomie nur wenig erotische Begeisterung entfalten kann, so würde ich doch nie von Tortillas reden. Tztztz.« Mit diesen Worten auf den Lippen und eine Wolke Pfirsichduft hinter sich her ziehend, verschwand der Meister in den Tiefen seines Salons.

Cordula prustete los. »Sagt Karsten wirklich Tortillas zu deinen Brüsten?«

»Quatsch!« sagte ich schroff. »Obwohl es mir egal wäre, wenn er sie so nennen würde, wenn er sie überhaupt irgendwie nennen würde und nicht nur nach Hausmannsart daran herumkneifen. Für die Poesie der Liebe hat er wirklich keinen Sinn mehr. Das Höchste der Gefühle ist eine schnelle Routinenummer. Dem Geschäft gilt seine Leidenschaft.«

»Das werden wir ändern«, meinte Cordula. »Wir werden dein ganzes Leben ändern, bis es zu deiner Frisur paßt. Wirklich erstaunlich, du bist die erste Frau, die es in dieser Reihenfolge macht. Normalerweise ändert sich zunächst etwas im Leben der Frau – Trennung, Scheidung, Tod des Partners, bevor sie die Haare abschneidet.«

»Scheidung?« Ich riß die Augen auf und erinnerte einen Moment lang an Daisy Duck. »Ich will keine Scheidung. Ich will nur ein wenig mehr Freiheit, Lust und Abenteuer in meinem Leben.«

»Na, egal, es wird auch so gehen«, fuhr Cordula ungerührt fort.

Sie hakte mich unternehmungslustig unter und entführte mich ins Bermudadreieck kaufsüchtiger Kö-Schlampen zwischen Schadowstraße, Königsallee und Carsch-Haus. Feindesland sozusagen – Gott, war das ein Genuß! Ich fühlte mich wie ein ungezogenes Kind, daß seine dreckigen kleinen Patschhändchen in die große, verbotene Keksdose steckt.

Vier Stunden tauchten wir ab in Dessous-Shops, Woolford-Strumpfläden, italienische Schuhboutiquen, Designer-Niederlassungen, die Kosmetikabteilung des Carsch-Hauses, Gürtel-, Schmuck- und Hutgeschäfte. Vier Stunden, in denen ich nachholte, was ich noch nie gemacht hatte, wovon ich aber einmal geträumt hatte. Unter Punkt sechs meiner Lebensliste: Shoppingmachen ohne Hemmungen. Und zwar nicht bei Aldi und erst recht keine Brotbackmaschinen.

Umgeben von Tütenbergen aßen wir endlich japanische Nudeln mit kleinen Krebsen, tranken grünen Tee, und ich schwor mir, noch am gleichen Abend meine Jogging-Routine wieder aufzunehmen, um meinen zwar nicht fetten, aber auch nicht fitten und leider schlaffen Body auf Trab zu bringen.

»Ich will eine starke Frau werden, weißt du. Eine mit Muskeln statt Fett in den Oberarmen. So, wie Madonna beim letzten MTV-Preisverleih.«

Cordula nickte. »Cool. Wann hast du denn mit dem Joggen aufgehört?«

»Ähem. So mit... na ja, also mit achtzehn. Aber das macht nichts, jetzt gebe ich richtig Gas.«

Einmal in Fahrt und auf der Spur meiner geheimen Wünsche lotste ich Cordula zum Schluß in ein Reisebüro, das unter anderem einwöchige Kreuzfahrten für 50 000 Mark anbot. Wenn schon, denn schon! dachte ich, die kaum Gereiste. Cordula warf mir anerkennende Blicke zu, bis ich auf freundliche Nachfrage der Reisebürokauffrau meine Wünsche offenbarte.

»Ich möchte gerne eine Reise für zwei Personen buchen. Eine zweite Hochzeitsreise, wissen Sie? Etwas ganz Besonderes.«

Cordula nickte, und die Reisebürokauffrau lächelte aufmunternd.

»Eine Reise nach …« Ich räusperte mich und ließ meinen Blick an den Regalwänden vorübergleiten, auf denen bunte Kataloge in die fernste Ferne lockten. Fernste Fernen, mit denen selbst die blasierteste Kö-Schlampe in ihrem Golfclub für gelangweilte Zahnarztgattinnen noch angeben konnte. ‘Etwa Bora-Bora oder Timbuktu. Ein letztes Räuspern: »Ich möchte nach Mallorca.«

Cordula und die Reisekauffrau rümpften im Gleichtakt die Nasen und lupften die Augenbrauen. Mit einem kurzen Blickwechsel machten sie aus, wer mir diesen Blödsinn ausreden sollte. Sie einigten sich auf Cordula.

»Mallorca? Als Hochzeitsreise? Das ist ungefähr so romantisch wie das Neusser Schützenfest.«

Tapfer und mit vorgerecktem Kinn hielt ich Cordulas tadelnder Miene stand. »Weiter bekomme ich Karsten einfach nicht. Du kennst ihn doch, er wird verrückt, wenn er weiter als zwei Flugstunden von seiner Firma entfernt ist.« An die Reisekauffrau gewandt, fuhr ich fort: »Geben Sie mir bitte einen Katalog mit Mallorcareisen.« Ich blätterte und las, während Cordula wieder einmal meine Erziehungsberechtigte spielte. Sie mußte noch lernen, daß auch diese Zeiten vorbei waren.

»Das wird ein Reinfall!« tönte sie. »Ich warne dich. Wenn du eine Honeymoon-Insel willst, nimm die Karibik oder meinetwegen Bali, die Fidschis, Hawaii, aber nicht Mallorca!«

»Karibik wäre viel zu teuer«, wollte ich sie auf eine falsche Fährte locken.

Cordula verdrehte seufzend die Augen. »Ich dachte, daß i hätten wir endlich durch. Du hast für die Familie dein Studium aufgegeben, du schmeißt den ganzen Haushalt für einen Mini-Etat, bist seine Vorzeigefrau, eine phantastische Gastgeberin, entwirfst Baddesigns, schreibst ihm seine saublöden Pressetexte.«

»Meine saublöden Pressetexte«, unterbrach ich Cordula gekränkt.

Sie schüttelte den Kopf. »Ist das jetzt wieder die Nummer: Ich bin ein armes Aschenputtel, das nix hat und kann? Ich habe mich also getäuscht, du hast dich doch nicht verändert.«

Schon wieder dieser elende Satz. Ich biß mir auf die Lippen, schmeckte den neuen, pfirsichsüßen Lippenstift, der mich laut Hersteller zur achten Todsünde machte.

»Nein, Cordula, du hast dich nicht getäuscht. Ich bin dabei, mich zu ändern, weshalb ich nur noch meinen Instinkten und nicht immer nur deinen Ratschlägen folge.«

»Warum willst du nur nach Mallorca«

»Weil wir uns da verliebt haben. Es war wunderbar, die kleine Bodega in der Altstadtgasse, der Wein, die Musik, die schönen Häuser, die er mir auf die Tischdecke gemalt hat, unsere Pläne.«

»Das ist über fünfzehn Jahre her. Alles wird sich dort verändert haben, und du bist nicht mehr das leicht zu beeindruckende kleine Mädchen und Karsten nicht mehr der Träumer, der dich mit ein paar Tapas und Kritzeleien auf einer Papierserviette abfüttern kann.«

»Es war ein Papiertischtuch«, verbesserte ich sie. »Seine Häuser waren sehr großzügig geplant.« Erwartungsvoll starrte mich die Reiseverkäuferin an. »Ich nehme die Villa Roma bei Andraitx, Honeymoon-Programm mit Candle-Light-Dinner, Mondschein-Picknick, Nachtschwimmen, privatem Yachtausflug.«

»Eine Woche?« unterbrach mich die Angestellte demonstrativ gelangweilt, schließlich kannte sie das Programm, das ich herbetete, aus dem Katalog.

Ich holte tief Luft: »Nein, vier Wochen. Die ganzen Herbstferien und zwei Wochen extra. Meine Schwiegermutter wohnt in der Zeit bei uns. Sie und die Zugehfrau können auf die Kinder aufpassen.« Langsam atmete ich aus, während Cordula einatmete, die Hände hob und mir zunächst langsam, dann schneller werdend Beifall klatschte und die Reisebürokauffrau einen Fisch imitierte – sie schloß und öffnete lautlos ihr Maul, pardon, ihren Mund.

»Das«, lobte Cordula, »nenne ich einen beherzten Entschluß. Vier Wochen in dem so ziemlich teuersten Hotel der Insel, während der Drache Erika endlich mal was für dich tun muß. Wow! Ich nehme alles zurück, das hättest du früher nie gemacht. Glückwunsch, du bist eine Wucht.«

Auf Mallorca liebt sich's besser

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