Читать книгу Selbst im Traum werde ich reicher - Leonille Gottschick - Страница 10

Nach meiner Erfahrung kann man auf sechs Arten sicher und auf ehrlichem Wege reich werden. 1. Man lernt das Geldverdienen mit der Muttermilch. Eltern bringen es dem Kind bei. 2. Erben. 3. Man kommt selber drauf, wie man Geld verdient, und macht selber ein Vermögen. Wie ich, recherchieren, lesen, sich weiterbilden. Gut investieren. Läuft dem Geld nicht hinterher, sondern ist vor ihm, ihm gegenüber. 4. Man lernt über Geld. Von seiner Geburt bis zum heutigen Tage, aus wirtschaftlicher Sicht. 5. Man bekommt vom Staat kostenlos einen Palast, Häuser, eine zugrunde gerichtete Fabrik, Firmen, Wälder, Ländereien und geht mit dem Glück aus heiterem Himmel gut um. Es wird zum Erfolg. Beispiel dafür ist Ungarn. 1990 – in den Jahren nach der „Wende“. Ich nenne dieses Jahr „Die plötzliche Freiheit“. 6. Heiratet in eine reiche Familie. Nicht Sie, sondern Ihre Frau oder Ihr Ehemann ist reich. Hier muss man beweisen, dass man zum Vermögenmachen fähig ist. Nach einer gewissen Zeit wird man besser als der Geschäftspartner, der Partner, der Ehepartner. Dadurch erhält man einen Platz in der neuen Familie. Ich erinnere mich sehr mit viel Liebe an die Kost meiner Mutter und an unsere Tanya. Wenn man eine Autobiographie schreibt, muss man in die „Ich-Rolle“ schlüpfen, obwohl allseits bekannt ist, dass es um „uns“ geht. Jeder hat ein Leben – es kann kurz, genug oder lang sein. Mit jedem passiert etwas, auch wenn man es nicht in einer Autobiographie zusammenfasst oder niemand darüber einen Roman schreibt. Meine Autobiographie begann mit dem Leben auf dem ungarischen Bauernhof, Tanya genannt – in Mezőberény, Kereki war mein Weg zum Wohlstand sehr beschwerlich. Das Leben auf der Tanya war hart, aber ich erinnere mich gerne daran. An die heißen Sommer. Für mich waren die Kis Sózug und die Nagy Sózug die Riviera. Das waren jeweils Sandbänke am Treffpunkt der zwei Körös-Flüsse – Fehér (Weiße) Körös und Fekete (Schwarze) Körös –, wo wir jeden Sommer badeten, schwammen, ohne Eintritt zu bezahlen. In Kereki erinnere ich mich nur an Düfte, der Gestank hat uns verschont. Der Wind hat den Gestank vom Misthaufen nicht in unsere Richtung geweht und den Duft des Grases in der Morgendämmerung, im Frühling und im Sommer nicht übertroffen. Ich liebte es zu der Zeit in die Puszta auszureiten. Ich war neugierig, was sich hinter dem Horizont verbirgt. Ein weiterer Horizont. Auf den Duft des grünen Weizens und des Heus. Auf die gelben Weizenfelder mit blauen Kornblumen. Auf den Duft der weißen Blüten der Akazie. Auf die Maikäfer. Auf die Flieder bei unserem Zaun. Auf die Schneeballbüsche. Auf den abendlichen Duft unseres Blumengartens. Auf den blauen Sternenhimmel. Auf die reine Luft. Auf das Wasser unseres Schaduffs mit dem Geschmack und der Reinheit eines Quellwassers. Ich habe aus mehreren Quellen in der Welt getrunken und einige haben mich an das Wasser aus dem Ziehbrunnen in Kereki erinnert. Auf unsere Petroleumlampen. Auf den großen Schnee. Auf die Pferdeschlitten. Vor allem an die Gerichte, die Braten und Kuchen meiner Mutter; „Na ja, diese Speise ist wohl nichts geworden“, kam nie auf unseren Tisch. Sie hat es auch nicht den Katzen oder den Hunden gegeben, weil sie einfach kein Gericht verdorben hatte. Sie hat genau gewusst, wie viel Garbe, Getreide, Sonnenblumenstängel, Körbe geriebene Maiskolben, Stunk Maisstroh und Holz sie benötigt, um die richtige Hitze im Ofen zu erzeugen, damit alles gar wird, was sie in den Ofen gelegt hat. Oder der „kateszter“ Quark-, Apfel-, Weichsel- und Pflaumenfladen. Es gab so viel, dass wir ihre Größe so ausdrückten. Wir haben das ganze Jahr Apfel- und Quarkfladen gegessen, die Weisel- und Pflaumenfladen waren saisonal. – Die kataster Yugada ist eine geographische Maßeinheit, 0,57 Hektar. – Die Kürbiskernstrudel. Maultasche mit Marmelade. Geröstete Lebbensuppe, geröstete Eiergraupensuppe. Opekance. Dampfknödel. Enten- und Gänsegrammelpüree. Raderkuchen. Vanilleschnecken. Kaiserschmarrn. Kleine Buchteln aus Brotteig mit Wurst gefüllt, die gerade dann fertig gebacken wurden, bis wir in die Schule gingen. Unsere Mutter hat den Brotteig am Abend mit Sauerteig eingemacht. In den Morgenstunden ist er aufgegangen, im Weidenkorb bearbeitet, noch ein wenig gehen lassen und dann in den Ofen gelegt. Ich habe nicht auf beiden Seiten meines Brotes Butter gehabt. Zum Kochen und für Kuchen haben wir immer reichlich gehabt. Abends haben wir gebuttert. Wir haben den Sauerrahm in Fünf-Liter-Gläser gefüllt, abgeschlossen und so lange geschüttelt, bis Butter daraus wurde. Wir saßen im Kreis und haben das Glas immer weitergegeben, wenn unsere Hände müde wurden. Wir haben meistens Butterbrot gegessen, wenn die Mezőberényer sie nicht gekauft haben und Mutter sie vom Markt zurückbrachte. Aber umso dicker war Sauerrahm auf unseren Broten. Die Brotscheiben waren 35 cm lang und 25 cm breit. Das musste man in zwei oder drei Teile schneiden, weil wir sie wegen des Belags sonst nicht halten konnten. Mein Mann erzählt noch heute davon, wie er uns auf der Tanya besucht hatte – damals hat er noch um mich geworben –, es gab Brot mit Sauerrahm zum Abendessen. Sauerrahm war genauso hoch wie die Brotscheibe, 2 cm.

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Die Krüge wurden auf dem Krugbaum gelagert. Das war ein künstlicher Baum mit vielen Ästen, neben der Sommerküche unter freiem Himmel. In diesen Krügen haben wir die Pflaumenmarmelade gehalten und die Milch gären lassen. Man musste sie mit kleinen Tontellern abdecken, damit die Katzen nicht die Sahne oder den Rahm ablecken. Auf der einen Tag alten Sauermilch befindet sich die Sahne. Wenn wir das nicht entfernen, wird es in den nächsten Tagen sauer und zu Sauerrahm. Aus Sauerrahm wird die Butter. Die Sauermilch muss aufgewärmt, in ein großes Tuch gelegt, die vier Ecken müssen zusammengebunden und im Anschluss aufgehängt werden, damit die Molke abtropfen kann. Daraus wird dann Quark. Wenn der Quark, stellen Sie sich einen halben Fußball vor, ins Freie an die Sonne gestellt wird, dann wird daraus Handkäse. Wenn wir ihn noch weiter reifen lassen, dann wird daraus Käse. Heute hat sich die Technologie schon verändert, ich habe nur skizziert, wie wir es gemacht haben. Wir hatten Milch, Sahne, Sauerrahm, Butter, Quark, Handkäse, Käse – ohne dass wir die Farm verlassen hätten. Einer der Nachbarfamilien liebte die Molke, die von dem Quark abtropfte. Sie nannten sie „Ziger“. Wir haben es den Schweinen gegeben.

Selbst im Traum werde ich reicher

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