Читать книгу Selbst im Traum werde ich reicher - Leonille Gottschick - Страница 16

Die Damen, die frühmorgens nach Hause wollen und von niemandem begleitet werden. Ich meide sie wie die Pest, ein Bienenstich ist gegen sie wie eine sanfte Frühlingsbrise. Bei diesen Damen ist irgendwas schiefgelaufen, sie haben etwas nicht bekommen, etwas nicht geschafft, weshalb sie dahin gegangen sind und ihre Wut jetzt an mir ablassen. Wenn ich merke, dass so eine Frau auf mich wartet, schließe ich die Türen im Taxi, lasse die Fensterscheibe vorne rechts runter und sage, dass ich sie nicht mitnehmen kann, weil ich eine andere Adresse anfahren muss. Dann fahre ich weiter und bestelle ein anderes Taxi an diese Adresse. So kann ich einer Drachenkönigin als Fahrgast entkommen. Wer von einem Mann hinausbegleitet und geküsst wird, so zusammenklebend, dass ich nicht weiß, ob sie eine oder doch zwei Personen sind. Da schalte ich das Licht aus Feingefühl nicht an. Sie sind nette Kunden. Diese Damen sagen mir, ohne danach zu fragen, was ich bereits lange weiß. Wenn die Fahrt lang genug ist, kommt sie sogar auf ihre erste Liebe zu sprechen. Natürlich spare ich auch nicht mit Geschichten. Den besserwisserischen Teenagern kann ich auch Paroli bieten. Sie sind auch keine guten Kunden. Das meiste Trinkgeld, 500 Euro, habe ich von einem 20-jährigen jungen Mann erhalten. Ich habe dafür nur Ratschläge gegeben. Einige geben nichts, dabei beteuern sie, dass ich sie gerettet hätte. Es gab auch Kunden, die am Ziel aus dem Auto gesprungen sind, ohne zu zahlen. Dabei gibt es in Deutschland ein Gesetz – wie für alles –, dass man sich strafbar macht, wenn man sich als Fahrgast ohne Geld in ein Taxi setzt. Es gab auch Fahrgäste, die nicht aussteigen wollten. Ich musste mit ihnen in Nürnberg Runden drehen, weil herzzerreißende ungarische Lieder in meinem Taxi liefen und sie in Erinnerungen schwelgten. Die französischen Kunden lieben Jo Dassin: Champs Elysees. Die Russen mögen Nikolai Baskow Dorogoj dlinnoju. Ungarn aus Siebenbürgen und der Slowakei mögen Geigenmusik. Für die Harley Davidson Fahrer lege ich von John Fogerthy „Bad moon rising“ auf. Ich behaupte, dass Kunden mit jedem erdenklichen Beruf neben mir oder hinter mir gesessen sind. Ich habe Fürsten, Fürstinnen, Prinzen, Prinzessinnen, Grafen, Gräfinnen, aus der Faber-Castell Bleistiftfabrik in Stein, die im Besitz des Grafen ist, Ministerin und Minister befördert. Oberbürgermeister. Botschafter. Die Mittelschicht und auch Obdachlose. Harz IV-Empfänger. Einfache Arbeiter. Geschäftsleute. Leiter von Weltkonzernen, Manager. Viele haben nicht mitgeteilt, was ihr Beruf ist. Und, und, und …

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König Kunde bereist alle acht Kontinente, Europa, Asien, Afrika, Australien, Inseln im Pazifik, Nordamerika, Mittelamerika, Südamerika, aber den Kofferraum eines Mercedes können sie nicht zumachen. Eigentlich ist es auch nicht ihre Aufgabe, sondern meine. Aber oft wollen sie es machen. Da der Knopf zum Verschließen des Kofferraumes auf der rechten Seite ist, strecke ich mich nicht, sondern sage ihnen, dass sie bitte einsteigen sollen, ich kann von innen den Kofferraum zumachen. Das kann ich in vier Sprachen sagen. Viele wollen nicht einsteigen, weil der Kofferraum offen ist. Dann wird mir klar, dass die Kunden dumm sind. Sie können sich nicht einmal vorstellen, dass sich im 21. Jahrhundert Kofferräume automatisch schließen. Ich sage ihnen dann, dass ich so dumm sei, mit offenem Kofferraum zu fahren. Entsprechend sitzen alle mit offenem Mund im Taxi, blicken nach hinten, ihre Augen, ihr Hals und ihr Kopf komplett verdreht, damit sie sehen können, wie sich der Kofferraum automatisch schließt. „Wieeee? So etwas haben wir noch nie gesehen.“

Selbst im Traum werde ich reicher

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