Читать книгу Anna Karenina, 1. Band - Лев Толстой, Лев Николаевич Толстой, Leo Tolstoy - Страница 16

Erster Teil
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Nachdem der Abend sein Ende erreicht hatte, erzählte Kity der Mutter von ihrem Gespräch mit Lewin, und sie freute sich, ungeachtet alles Mitleids, das sie für Lewin empfand, in dem Gedanken, daß ihr doch ein „Antrag“ gemacht worden war.

Es bestand für sie kein Zweifel, daß sie gehandelt hatte, wie es ihr zukam. Aber noch im Bett vermochte sie lange Zeit den Schlaf nicht zu finden.

Ein bestimmter Eindruck verfolgte sie unablässig, es war das Antlitz Lewins mit den zusammengezogenen Brauen und den finster traurig unter ihnen hervorblickenden guten Augen, wie er stand, ihrem Vater zuhörend und nach ihr hinüberblickend und nach Wronskiy. Sie empfand so viel Mitleid mit ihm, daß Thränen in ihr Auge traten, doch sie vergegenwärtigte sich sogleich, für wen sie ihn eintauschte. Lebhaft stellte sie sich jenes männliche, feste Antlitz vor Augen, das mit so edler Ruhe und in einer so aus allem hervorleuchtenden Güte jedermann entgegenblickte. Sie vergegenwärtigte sich die Liebe dessen, den sie selbst liebte, es wurde ihr wieder fröhlich ums Herz, und mit einem Lächeln des Glückes legte sie sich endlich wieder auf ihr Kissen.

„Schade, schade, aber was ist zu thun? Ich habe keine Schuld,“ sprach sie zu sich selbst, eine innere Stimme aber sprach noch anders. Ob in derselben die Reue lag darüber, daß sie Lewin hierher gezogen, oder darüber, daß sie ihm eine Absage gegeben hatte – sie wußte es selbst nicht. Ihr Glück wurde von Zweifeln vergiftet. „Herr Gott erbarme dich, erbarme dich,“ betete sie für sich selbst, indem sie einschlummerte.

Zur nämlichen Stunde spielte sich unten in dem kleinen Kabinett des Fürsten eine jener so häufig zwischen den Gatten sich wiederholenden Scenen ab, betreffs der Lieblingstochter.

„Wie? Da hast du es!“ rief der Fürst, mit den Händen fuchtelnd, und dann seinen Pelz von weißem Eichhorn zusammennehmend, „da habt Ihr es, daß Ihr weder Stolz noch Würde besitzt, die Tochter mit dieser niedrigen, albernen Freiwerbung kompromittiert und unglücklich macht!“

„Aber um Gottes willen, Fürst, was habe ich gethan,“ antwortete die Fürstin, fast weinend.

Sie war so glücklich und zufrieden nach dem Gespräch mit ihrer Tochter gewesen, war jetzt nach ihrer Gewohnheit zum Fürsten gekommen, um diesem gute Nacht zu wünschen und hatte, ohne die Absicht ihm von Lewins Antrag zu erzählen oder von Kitys Absage, ihrem Gatten nur angedeutet, daß ihr die Angelegenheit mit Wronskiy völlig sicher zu stehen scheine, daß sich dieselbe entscheiden werde, sobald dessen Mutter angekommen sein würde – da, bei diesen Worten, war der Fürst plötzlich aufgefahren und hatte ihr die härtesten Worte zugerufen.

„Was Ihr gethan habt? Ihr sollt es wissen: Erstens lockt Ihr einen Bräutigam an, ganz Moskau wird davon reden, und mit Recht. Wenn Ihr Abendcirkel haltet, so ladet jedermann ein, nicht aber nur die heiratslustigen jungen Männer. Ladet dann alle jungen Leute in Moskau ein und laßt sie tanzen, aber nicht nur, wie heute, die Bräutigams die Ihr mit unserer Tochter zusammenbringt. Das zu sehen, ist entehrend für mich und Ihr habt es so weit gebracht, dem Kinde den Kopf zu verdrehen. Lewin ist ein tausendmal besserer Mensch! Jener Petersburger Fant hingegen ist einer wie in der Maschine gemacht; diese Leute sind alle nach einem Schlag, sind alle Nichts. Wäre er selbst ein Prinz von Geblüt, meine Tochter braucht niemanden!“

„Aber was habe ich gethan?“

„Nun,“ rief der Fürst ingrimmig.

„Ich erkenne das Eine, daß, wenn es nach dir geht,“ unterbrach ihn die Fürstin, „wir niemals unsere Tochter verheiraten werden. Wenn dem so ist, dann können wir nur auf das Dorf gehen.“

„Es wäre auch besser so.“

„Halt ein. Suche ich denn nach jemand? Durchaus nicht! Ein junger Mann von angenehmen Wesen hat sich in sie verliebt, und sie, scheint es – “

„Ah, da scheint Euch etwas! Wie denn nun, wenn sie sich thatsächlich verliebt hat, er aber ebensowenig gewillt wäre, sie zu heiraten, wie ich es etwa bin? O, der Spiritualismus, o, das Nizza, ach, der Ball,“ – der Fürst, sich stellend, als ahme er sein Weib nach, knixte mit jedem dieser Worte. „Dies ist der Weg, auf dem wir die Katinka unglücklich machen, auf dem sie sich in der That etwas in den Kopf setzen kann.“

„Aber aus welchem Grunde denkst du denn?“ —

„Ich denke gar nichts; ich weiß nur: dafür haben wir Augen, die Weiber aber nicht. Ich sehe mir den Mann an, welcher ernste Absichten hat, dies ist Lewin; ich sehe aber auch die Wachtel, den Zungendrescher, der sich nur zerstreuen will.“

„Ah, das setzest du dir doch auch nur in den Kopf.“

„Nun, entsinnest du dich, – jetzt ist es freilich zu spät – wie es mit der Dolly war?“

„Genug, genug, wir wollen nicht weiter davon reden,“ hemmte die Fürstin seinen Redefluß, der unglücklichen Dolly gedenkend.

„Laß gut sein; schlaf wohl!“

Sie bekreuzten beide einander und küßten sich; dann verließen sich die Gatten im Gefühl, daß jeder von ihnen bei seiner eigenen Meinung blieb.

Die Fürstin war anfänglich fest überzeugt gewesen, daß der heutige Abend über das Schicksal Kitys entschieden habe und daß kein Zweifel über die Absichten Wronskiys mehr obwalten könne, aber die Worte des Gatten beunruhigten sie jetzt, und als sie in ihren Gemächern angelangt war, wiederholte sie ganz ebenso wie Kity voll Schrecken vor der verborgenen Zukunft mehrmals in ihrem Innern die Worte: „O Gott erbarme dich, erbarme dich!“

Anna Karenina, 1. Band

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