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Die zweite Beichte

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Die Schritte des Geistlichen weckten mich aus meinem Sinnen.

»Guten Tag«, sagte er, mit der Hand über sein greises Haar fahrend, »was wünschen Sie?«

Ich bat um seinen Segen und küßte mit besonderem Vergnügen seine kleine, gelbliche Hand.

Als ich ihm meine Bitte vorgetragen hatte, trat er schweigend vor die Heiligenbilder und begann die Beichte.

Nachdem die Beichte beendet war und ich, meine Scham überwindend, ihm alles gesagt, was ich auf dem Herzen hatte, legte er mir die Hände aufs Haupt und sprach mit seiner leisen, wohllautenden Stimme: »Der Segen des himmlischen Vaters sei über dir, mein Sohn und erhalte in dir immerdar Glauben, Sanftmut und Demut! Amen.«

Ich war vollkommen glücklich; Tränen des Glückes stiegen mir in die Kehle, ich küßte die Falte seines feinen Tuchgewandes und hob den Kopf; das Gesicht des Mönches war ganz ruhig.

Ich fühlte, daß mir meine Rührung Genuss gewährte, und in der Furcht, dieses Gefühl irgendwie zu verscheuchen, verabschiedete ich mich eilig von meinem Beichtvater, schritt aus dem Klosterhofe hinaus, ohne mich umzublicken, um mich nicht zu zerstreuen, und bestieg wieder die schwankende Droschke. Aber das Schütteln des Wagens, die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die an meinen Augen vorüberglitten, vertrieben diese Empfindung bald, und ich dachte nun daran, daß der Mönch jetzt vermutlich der Meinung sei, einen jungen Mann mit so schöner Seele, wie ich es war, habe er noch nie im Leben gesehen und werde er auch nie sehen, ja daß es einen solchen gar nicht mehr gebe. Ich war davon überzeugt, und diese Überzeugung rief in mir eine solche Fröhlichkeit hervor, daß ich das Verlangen hatte, mich jemand mitzuteilen.

Ich wünschte auf das lebhafteste, mit jemand zu sprechen; da aber niemand in der Nähe war außer dem Kutscher, wandte ich mich an diesen.

»Bin ich lange fortgeblieben, was?« fragte ich ihn.

»Na, so, so, recht lange, und das Pferd müßte schon längst gefüttert werden; ich bin ja eine Nachtdroschke«, antwortete der alte Kutscher, der jetzt beim Sonnenschein im Vergleich zu früher heiterer geworden war.

»Und mir ist's, als wäre ich nur eine Minute fort gewesen«, sagte ich; »und weißt du, warum ich im Kloster war?« fügte ich hinzu, indem ich in die Vertiefung des Sitzes rückte, die dem Kutschbock am nächsten war.

»Was kümmert das unsereinen? Wohin der Fahrgast befiehlt, dorthin führen wir ihn«, erwiderte er.

»Aber dennoch, was denkst du wohl?« fuhr ich fort zu fragen.

»Ja, wahrscheinlich haben Sie jemand zu begraben, und sind gefahren, um den Platz zu kaufen«, sagte er.

»Nein, Bruder, weißt du, warum ich hingefahren bin?«

»Wie kann ich es wissen, Herr?« wiederholte er.

Die Stimme des Kutschers klang mir so gut, daß ich mich entschloss, zur Erbauung seines Gemütes ihm den Grund meiner Fahrt zu erzählen und ihm sogar das Gefühl zu schildern, das ich durchkostet hatte.

»Willst du, so erzähle ich dir's. Also siehst du –«

Und ich erzählte ihm alles, und beschrieb ihm alle meine herrlichen Gefühle; selbst jetzt noch erröte ich bei der Erinnerung daran.

»So, so«, sagte der Kutscher ungläubig.

Dann saß er lange schweigend und unbeweglich da, zupfte von Zeit zu Zeit an den Schößen seines Mantels, der immer wieder unter seinem Bein zum Vorschein kam, während sein Fuß in dem großen Stiefel auf dem Vorderteil des Kutschbockes auf und nieder sprang. Ich glaubte schon, er denke ebenso über mich wie mein Beichtvater, das heißt er sei der Meinung, daß es einen zweiten so prächtigen jungen Mann wie mich in der Welt nicht mehr gebe; da wandte er sich plötzlich zu mir um:

»Ja, ja, Herr, das ist Herrschaftssache.«

»Was?« fragte ich.

»Ihre Sache da, das ist eine Herrschaftssache«, wiederholte er, mit dem zahnlosen Munde schmatzend.

»Nein, er hat mich nicht verstanden«, dachte ich und sprach nicht mehr mit ihm, bis wir vor unserem Hause hielten.

Wenn sich das Gefühl der Rührung und Frömmigkeit auch nicht während der ganzen Fahrt in mir erhielt, so empfand ich trotz der Menschenmenge, die im hellen Sonnenschein sich durch die Straßen drängte, eine gewisse Genugtuung darüber, daß ich jenes Gefühl überhaupt gehabt hatte; aber kaum war ich vor unserm Hause angelangt, als diese Genugtuung sich vollständig verlor: mir fehlten die zwei Zwanziger, um die Droschke zu bezahlen. Der Haushofmeister Gabriel, dem ich schon einiges schuldig war, wollte mir nichts mehr borgen. Als der Droschkenkutscher sah, daß ich zweimal über den Hof lief, um mir Geld zu verschaffen, erriet er wahrscheinlich, weshalb ich hin und her rannte, stieg vom Bock und begann – obgleich er mir so gutmütig erschienen war – laut und mit dem offenbaren Wunsch, mich zu verletzen, darüber zu sprechen, daß es Spitzbuben gebe, die für die Fahrt nichts zu bezahlen pflegen.

Zu Hause schlief noch alles, so daß ich nur von der Dienerschaft die zwei Zwanziger borgen konnte. Endlich bezahlte Wassilij für mich die Droschke gegen mein nachdrücklich gegebenes Ehrenwort, dem er (ich sah es seinem Gesichte an) nicht den geringsten Glauben schenkte; er zahle nur, weil er mich liebte und sich an eine Gefälligkeit erinnerte, die ich ihm einmal erwiesen hatte. So waren meine Empfindungen wie Rauch verflogen. Als ich mich ankleidete, um mit allen andern in die Kirche zur heiligen Kommunion zu gehen, und es sich herausstellte, daß mein Anzug nicht hergerichtet war und daß ich ihn nicht anziehen konnte, beging ich eine ganze Menge Sünden; nachdem ich einen andern Anzug angelegt hatte, ging ich zur Kommunion in einem seltsamen Zustande von Zerstreutheit und mit vollkommenem Mißtrauen gegen meine eigenen schönen Eigenschaften.

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