Читать книгу Der Gesang des Sturms - Liane Mars - Страница 22
ОглавлениеKapitel 8
Als Elendar den Botschafter des Königs in sein Lager reiten sah, wusste er, dass sein Leben in diesem Wald vorüber war.
Es war später Abend, die Sonne war gerade hinter den letzten Baumwipfeln verschwunden und das Dämmerlicht war hereingebrochen. Die Geräusche des Tages verschwanden und machten den sanfteren, leiseren Tönen der Nacht Platz.
Mit dem Schwinden des Lichtes verging auch Elendars Freude, während er der zitternden Stimme des Reiters vor ihm lauschte.
»Der König wünscht Euch zu sehen. Sofort«, sagte der Mann.
»Brecht Euer Lager ab und kommt zu ihm so schnell es geht«, sagte der Mann außerdem.
»Eure Mission an diesem Ort ist vorüber«, sagte der Mann zuletzt.
Was er nicht sagte, waren die Worte zwischen den Zeilen. Die Worte, die Elendar zuflüsterten, dass er Sirany verlieren würde.
Der Botschafter verschwand so schnell, wie er konnte. Die Angst vor den Assaren trieb ihn zurück zu seinen Leuten und jede Sekunde, die er bei diesem finsteren Volk verlor, bedeutete für ihn eine Qual.
Nachdem die Hufschläge des davoneilenden Pferdes schon lange verklungen waren, sagte niemand ein Wort.
Die Zukunft der Assaren lag dunkel vor ihnen, entzog sich wieder einmal ihrer Beeinflussung. Was jetzt kommen mochte, konnten sie nicht ändern.
Normalerweise war es Elendar, der nach solch befehlenden Worten eines Fremden die Stimmung wieder aufheiterte. Er sprach Mut und Hoffnung zu, erzählte von einer Zukunft, die nicht mehr fern sein konnte. Von einer Zukunft, in der die Assaren wieder triumphieren würden.
Dieses Mal war Elendar derjenige, der diese Worte am dringendsten benötigte. Es war, als wäre mit einem Mal sein hoffnungsvolleres Leben vorüber. Obwohl er es innerlich bereits erwartet hatte, versank er tief in Zukunftsängsten.
Lange Zeit sagte niemand ein Wort. Die Männer starrten trostlos in das munter knackende Feuer. Die leisen Geräusche des Holzes in den Flammen waren für eine Ewigkeit das einzige Geräusch im ganzen Wald.
Irgendwann stand Elendar schweigend auf und ging hinüber zu seinem Zelt. Mit ruhigen, vielfach geübten Griffen begann er mit dessen Abbau. Seine Männer blickten ihm nach und folgten schließlich seinem Beispiel, während sie verzweifelt auf ein Wort aus dem Mund ihres Anführers warteten.
Elendar blieb selbst in Schweigen gehüllt, als die Assaren längst auf ihren Ponys saßen und den Wald durchquerten. Dumpfe Hufschläge erschütterten den Boden und schreckten die Tiere aus ihrem Schlaf, Leder knarrte in der Stille der Nacht, vermischte sich mit dem Klirren von Stahl und Eisen.
Erst als sie den Waldrand erreicht hatten, zügelte Elendar sein Pony. In der Finsternis konnte man Siranys Heimatdorf erkennen, das schlafend im Mondlicht lag.
Blicklos starrte Elendar hinüber, als suchte er Siranys Gestalt in der Ferne. Sein Herz war so schwer wie seit Jahren nicht. Doch um seiner Männer willen musste er nun stark sein.
»Wartet hier auf mich«, sagte er leise.
Er trieb die Stute hinunter zum Fluss und hielt dabei die Leine eines zweiten Ponys fest in der Hand. Er trug schwer unter einer nur ihm bekannten Angst und seine sonst stolze, Furcht einflößende Gestalt war zusammengefallen wie bei einem Greis.
Efnor blickte seinem Freund besorgt hinterher. Auch er rang mit seiner Trauer. Der Wald, obwohl er ihm anfangs fremd und unheimlich erschienen war, war ihm mittlerweile zur zweiten Heimat geworden. Hier fühlte er sich wohl. Die dunklen Bäume mit ihren bedrohlichen Schatten hatten für ihn Sicherheit bedeutet. Das alles wurde ihm nun wieder entrissen.
»Vielleicht ist es besser, wenn wir weiterziehen«, durchbrach Sheyn schließlich das dumpfe Schweigen. »Je eher er Sirany vergessen kann, desto besser.«
Keiner erwiderte darauf etwas. Sie warteten lediglich auf Elendars Rückkehr.
Elendar hingegen hatte mittlerweile Siranys Elternhaus erreicht. Hastig stieg er von Chuayas Rücken und band die alte Stute an die Veranda. Sie würde hier noch gute Dienste verrichten können und dem Mädchen mehr nützen als ihm.
Dankbar für ihre Treue klopfte er ihren Hals, bestieg den Rücken seines Zweitpferdes und blickte nur kurz zu Siranys Fenster hinauf.
Er würde ihr nicht Lebewohl sagen. Sein Herz würde daran zerspringen.
Daher zwang er den Wallach in einem engen Bogen herum und trieb ihn in einem harten Galopp zurück zu seinen Männern.
Sirany konnte nicht sagen, was sie geweckt hatte. Aber schon lange bevor Elendar ihr Haus erreicht hatte, saß sie reglos an ihrem Fenster und schaute hinaus in die Dunkelheit.
Ihr war, als hätte sie nicht mehr genug Luft zum Atmen. Das Herz schmerzte ihr mit jedem Schlag, ließ sich nur mühsam zu einem weiteren zwingen.
Als sie einen Reiter vom Felde heranreiten sah, wusste sie sofort, um wen es sich dabei handelte. Wie erstarrt beobachtete sie jede von Elendars Bewegungen, sah, wie er Chuaya an der Veranda festband und auf das andere Pony sprang.
Er sah nur kurz zu ihr hinauf, konnte sie jedoch in der Dunkelheit ihres Zimmers nicht entdecken. Sie hingegen sah auf seinem nur kurz vom Mondlicht beschienenem Gesicht die dunklen Furchen, die ihm der Abschied in die Haut gegraben hatte.
Dass er fortging, war für Sirany offensichtlich. Sie spürte auch seine Angst, ihr von Angesicht zu Angesicht Lebewohl sagen zu müssen. Daher blieb sie, wo sie war, bis er hinter der ersten Häuserzeile verschwunden war.
Erst danach stand sie auf und ging hinunter zu der Stute, die nervös an der Veranda auf sie wartete. Sirany band sie los und führte sie hinüber in den Stall, der fortan ihre neue Heimat sein würde.