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Gerhard Hessenbrock war nach der Unterredung mit seinem Onkel noch einmal ins Laboratorium zurückgegangen. Am liebsten hätte er sich noch einmal in seine Arbeit vertieft. Aber er fühlte jetzt, nachdem der entscheidende Erfolg errungen, doch plötzlich die Abspannung nach der rastlosen Arbeit der letzten Wochen. Die Tage hatten nicht mehr ausgereicht. Nein, zuletzt hatte er auch noch die Nächte zu Hilfe genommen. Das Entdeckerfieber hatte ihn so gepackt, dass er von seinen chemischen Versuchen nicht mehr loskam. Jetzt fühlte er einen starken Druck über den Schläfen. Wieviel Tage war er eigentlich schon nicht herausgekommen? Er öffnete das Fenster. Eine milde Herbstluft kam ihm entgegen. In der Luft lag jener eigentümlich bläuliche, matte Schimmer, der die letzten schönen Tage begleitet. Gerhard Hessenbrock empfand Sehnsucht, einmal etwas anderes zu sehen als die Wände seines Laboratoriums, und etwas anderes zu atmen als die scharfe chemikaliendurchtränkte Luft seiner Arbeitsstätte. Man musste auch einmal eine Pause machen, vor allem wenn man heute abend frisch sein wollte. Und das musste er. Sein Onkel würde sicher wieder einen ganzen Zettel voll Fragen bereithalten. Er kannte die übergründliche Art des verehrten Mannes. Und Annelore war schliesslich nicht auch ganz bequem. Sie hatte ihn, Gerhard, in die Rolle des lieben Gottes hineinmanövriert, der alles und jedes wissen musste, was ihr junges Mädchengemüt bewegte. Das war für den Arbeitsüberlasteten oft nicht ganz leicht. Es würde ihm gut tun, einen Augenblick andere Gedanken zu bekommen.

Über den Alsteranlagen lag ein wunderbarer Herbsttag. Das Laub begann sich zu färben. Der wilde Wein an den vornehmen Villen zeigte die vielfarbigen Tönungen von Grün über Gelb zu blendendem Rot und Goldbraun. Hessenbrock fühlte, wie dies ruhige Wandern und Schauen Geist und Körper entspannte. Er mochte etwa zehn Minuten gegangen sein. Da liess ihn fröhliches Lachen aufblicken. Er blickte in das Gesicht seines Freundes Dr. Veldten und das seiner jungen Frau. Beinahe wäre er in seinen Gedanken an den beiden vorübergegangen. Lachend hielt ihm die junge Frau Dr. Veldten die Hand zur Begrüssung entgegen:

„Dass Sie Ihre Freunde schneiden, Gerhard, haben wir an Ihrem Ausbleiben leider schon gemerkt. Fritz wollte Sie schon aufsuchen, um zu hören, was los ist. Aber, dass Sie an uns vorbeilaufen, das lassen wir uns doch nicht gefallen.“

„Gnade für einen reuigen Sünder“, antwortete Gerhard, „muss ich erst versichern, dass ich Sie wirklich nicht gesehen habe?“

„Nein, das brauchen Sie nicht“, sagte Dr. Veldten, ihm gleichfalls die Hand schüttelnd. „Aber warum Sie sich so lange nicht haben sehen lassen, das würde ich gern hören.“

„Arbeit, Arbeit! Ich habe ein neues Verfahren für Farbstoffe ausgearbeitet. Ich erzähle nächstens ausführlich darüber. Heut darf man noch nicht recht davon sprechen.“

„Haben Sie dabei auch rote Farbtönungen, Gerhard?“, fragte Brigitte Veldten dazwischen.

„Ja, sogar ein sehr schönes Rot. Seit wann aber interessieren Sie sich für chemische Zusammenstellungen, Frau Brigitte?“

„Ich wollte Ihnen nur empfehlen, etwas von Ihrem Rot aufzulegen, Gerhard. Sie sehen gar nicht gut aus. Wenn Fritz Ihnen nichts anderes verordnet, dann können Sie es ja mal damit versuchen.“

„Brigitte hat recht, Sie sehen blass und abgearbeitet aus. Ich muss da als Arzt entschieden eingreifen. Die Behandlungsmethode meiner Frau scheint mir nicht recht geeignet. Sind Sie heut abend frei? Dann kommen Sie zu uns.“

„Nein, heut geht es leider nicht. Ich bin abends beim Onkel. Aber ich sage mich bestimmt bald an.“

„Also auf bald, wir müssen hier rechts abbiegen.“

Sieger über das Dunkel

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