Читать книгу Schnell.liebig - Lina Mallon - Страница 9

Was ich als Teenager über die Liebe wusste

Оглавление

Ich brauche dringend einen Freund, denn Liebe ist das Wichtigste, was ich in meinem Leben finden muss. Ohne Liebe brauche ich keine großen Pläne zu machen.

Mit spätestens 25 will ich verheiratet sein. Nicht früher, denn ich will vorher noch ein bisschen leben und mich frei fühlen, aber 26 ist wirklich die Obergrenze.

Es soll auf jeden Fall um die echte Liebe und nicht um irgendeine Tradition gehen. Wer sie bis dahin nicht gefunden hat, für den ist es irgendwie eh zu spät. Und wer mit 30 (oder sogar noch später!) heiratet, der heiratet doch nur, weil er endlich Kinder und Sicherheit haben oder nicht allein alt werden will.

Diese Leute müssen verzweifelt sein.

Aber vielleicht sollte ich davor Sex haben.

Ich hatte noch nie welchen, und bevor ich mit jemandem schlafe, der mir wichtig ist, will ich wissen, dass ich es hinkriege. Lieber schlafe ich mit einem Typen, den ich außerhalb der Stadt kennenlerne und ihn notfalls einfach vergessen kann, als ihn jeden Dienstag im Deutsch-LK wiederzusehen. Mit fünf bis neun Männern zu schlafen, scheint mir richtig und selbstbestimmt, zehn wäre klar zu viel.

In ein paar Monaten werde ich 17, und bisher habe ich noch nicht viel mehr als einen Kuss bekommen, was ein Problem ist. Jungfräulichkeit ist zwar eine Erfindung des Patriarchats und für mich völlig wertlos, aber mit 18 noch Jungfrau zu sein, ist trotzdem peinlich.

Daran wäre ich natürlich selbst nicht ganz unschuldig, denn in den letzten zwei Jahren hatte ich nur Augen für Alexander Schmidt. Er ist groß, er ist älter als ich, er hat viele Freunde, er geht aufs Gymnasium wie ich, also ist er klug und will diese Kleinstadt auch unbedingt bald verlassen (der einzige Grund, warum man Abitur macht?!) – außerdem habe ich ihn einmal in der Stadtbibliothek getroffen, als er einen Stapel Bücher zurückbrachte und ich mir Hermann Hesse auslieh. Das heißt, er ist nicht nur beliebt und selbstbewusst, sondern er liest auch gern. Das macht ihn auch noch irgendwie sanft-geheimnisvoll. Er ist der perfekte Mann.

Ich sehe ihn einmal in der Woche während des Klavierunterrichts und manchmal auf einen Kaffee danach (und alle 45 Minuten, immer dann, wenn wir Pause haben, er auf dem Schulhof raucht und ich von unserem Kursraum einen guten Blick habe).

Vor ein paar Wochen habe ich ihm nach dem Kaffee gesagt, dass ich mich in ihn verliebt habe. Und er hat mir gesagt, dass er mich klug und interessant findet, aber wir lieber Freunde bleiben sollten.

Was er damit meint, ist, dass er nicht auf rote Haare und helle Haut steht. Das tut niemand. Rothaarige Frauen sind nicht sexy. Sie sind Miranda Hobbes oder Bree Van de Kamp.

Darum habe ich mir am Wochenende auch die Haare schwarz gefärbt. Nicht blond, denn das würde hier bedeuten, dass ich gerne House-Musik höre und bei New Yorker einkaufe (falls es blöd aussähe) oder, dass ich Tennis spiele, immer sortierte Notizen habe und mein Vater Hautarzt ist (falls es teure Strähnen würden).

Ich habe einen ganz anderen Plan.

Wenn ich erst einmal das Abi habe und zum Studium nach Berlin oder London gehe, werde ich in einer WG wohnen, in der wir immer Wodka und Pizza im Kühlschrank haben, ich werde interessante Männer an Bars kennenlernen, ich werde an einem Donnerstag einfach so mit Freundinnen irgendwo in der Stadt Sushi essen und an allen Freitagen feiern gehen und klare Cocktails (nicht diese mit Saft!) aus Martinigläsern trinken. Ich werde enge Kleider und hohe Schuhe völlig selbstverständlich tragen, und wenn ich Alex dann wiederbegegne, weil es uns doch in dieselbe Stadt verschlagen hat, vielleicht zufällig auf einer Party, zu der er auch eingeladen ist, wird er sich wünschen, er hätte sich für mich entschieden. Er wird mir sagen, dass er sich doch in mich verliebt hat und neu anfangen will. Und dann nehmen wir ein Taxi zu ihm und haben Sex auf dem Fußboden – und von diesem Moment an sind wir zusammen.

Schnell.liebig

Подняться наверх