Читать книгу Auf den Wolf gekommen - Lisa Kohl - Страница 3
Prolog
Оглавление„Die Ehrfurcht ist das tiefste und größte Gefühl, dessen ein Mensch einem andern Wesen gegenüber fähig ist.“
(Albert Schweitzer)
„Der Wolf ist zurück in Deutschland, und er ist hier, um zu bleiben, ob uns das gefällt oder nicht. Streng geschützt, breitet er sich aus, sucht neue Reviere in Bundesländern, die bisher ‚wolfsfrei‘ waren, gründet Familien und zieht seinen Nachwuchs auf. Theoretisch kann heute fast überall ein Wolf auftauchen. Die Unsicherheit, wie wir mit ihm umgehen sollen, ist groß, ebenso wie die Angst, die manche Interessengruppen bewusst schüren. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Vermutlich liegt es in unserer Natur, etwas Unheilvolles in dem anzunehmen, was wir nicht verstehen und nicht kontrollieren können. Dennoch wundern wir uns, dass sich angeblich so viele Menschen vor einem Tier fürchten, dessen Sozialverhalten und Familienleben dem unseren so ähnlich ist (…).“
(Günther Bloch & Elli H. Radinger, Der Wolf kehrt zurück, 2017)
Nach zweihundert wolfslosen Jahren war er plötzlich wieder da. Er stand im Schutz des Waldrandes und beobachtete die Schafe auf der Weide vor ihm. Neugierig trat er einen Schritt näher – einen einzigen kleinen Schritt – und reckte seine witternde Nase durch die Maschen des Zauns. Er sah, wie sich die Schafe nervös aneinanderdrängten, hörte ihre kleinen Herzen wild schlagen – was er nicht hörte, war der Auslöser der Wildkamera am Stamm der Eiche neben ihm, was er nicht sah, war der Schwarzlichtblitz. Er hatte nur Augen für seine nächste Mahlzeit, die…verstört wich er zurück. Was zum Teufel war das denn gewesen? Kurz rieb er sich mit der Pfote die schmerzende Nase und nahm dann, so schnell er konnte, Reißaus.
Wäre der Wolf der Wildkamera nicht unmittelbar vor die Linse gelaufen, hätte er womöglich einen friedlichen Winter erlebt, unentdeckt und unbehelligt. Und auch die Einwohner Mühlenbachs, die mit der bevorstehenden Bürgermeisterwahl und dem obligatorischen Klatsch und Tratsch ohnehin genug zu tun hatten, wären wolflos glücklich gewesen. Aber das Schicksal hatte – wie so oft – andere Pläne…