Читать книгу Auf den Wolf gekommen - Lisa Kohl - Страница 4

So ein Wolf, das ist ein Raubtier!

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Und so begab es sich, dass Norbert Brandt am nächsten Tag die Aufnahme des Wolfes auf dem Speicher seiner Fotofalle entdeckte, die er seit Jahren dort hängen hatte und tagtäglich überprüfte. Bis zu diesem Tag hatte die Kamera ihm eine unfassbare Menge grobkörniger, unscharfer oder auch völlig pechschwarzer Fotos beschert, auf denen so gut wie gar nichts zu erkennen gewesen war. Die spektakulärsten Bilder zeigten eine tieffliegende Krähe, einen neugierigen Fuchs und ein besonders vorwitziges Schaf, das mit gestrecktem Hals an die leckeren Grasbüschel unterhalb des Zaunes zu kommen versuchte. Als er diesmal den Wolf auf dem Foto erblickte, begriff Brandt zuerst gar nicht, was er da sah. Ein Wolf im Winterswald kam ihm fast ebenso verrückt vor, als hätte er ein glitzerndes Einhorn abgelichtet. So etwas war wirklich und wahrhaftig vollkommen unerhört.

Brandt liebte seine Schafe über alles. Er hätte nie mit jemandem darüber gesprochen, aber er betrachtete seine vierzehn wollweißen Gefährten als seine Familie, seine Schutzbefohlenen und nicht bloß als Einnahmequelle. Nachdem Iris ihn verlassen hatte, waren seine Schafe die einzige Familie, die ihm noch geblieben war und als er jetzt den Wolf auf dem unscharfen Schwarzweißbild erkannte und sich die Erkenntnis langsam in seinem Bewusstsein festsetzte, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er machte sich sogleich auf den Weg in die Stadt, in seine Stammkneipe an der Ecke, um sein Entsetzen mit jemandem zu teilen. Auf dem Weg dorthin, hielt er in jedem Geschäft, an dem er vorbeikam, in der Bäckerei Brezel, in der sich Frau Kamp erschrocken an die Nase fasste, im Kiosk, in dem leider niemand war, den er hätte erschrecken können, in Leonards Lebensmittellädchen, in dem eine ganze Handvoll Mühlenbacher die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Selbst in der knapp vierzig Quadratmeter großen Buchhandlung hielt Brandt an. Herr Eckardt, der Buchhändler, sprang wie vom Wolf gebissen aus seinem Sessel auf, in dem er vor zwanzig Minuten eingenickt war.

„Ein Wolf! Auf meiner Weide! Ein echter Wolf!“, rief Brandt.

„Nein!“, antwortete Herr Eckardt, der mit seinem zerzausten grauen Haar staunenswerte Ähnlichkeit mit einem Waldkauz besaß.

„Doch!“

„Das kann nicht sein!“

Und weil Brandt in seiner Eile gar nicht daran gedacht hatte, dass er das Foto vielleicht hätte ausdrucken sollen (wofür hatte er den ganzen technischen Schnickschnack denn zu Hause, wenn er ihn nie benutzte?), hatte er außer seinem Wort, das in Mühlenbach nicht ganz so viel galt, wie er es sich gewünscht hätte, nicht viel, um Herrn Eckardt von der Wahrheit seiner Aussage zu überzeugen. Er drehte sich auf dem Absatz wieder um, verließ die Buchhandlung und eilte so schnell ihn seine kleinen Füße trugen, vorbei an Lebensmittellädchen, Kiosk und Bäckerei, zu seinem Hof zurück, wo er den steinalten Computer hochfuhr, was eine ungefähre Ewigkeit dauerte. Während er wartete, dass das Gerät endlich einsatzbereit war, tänzelte er unentwegt auf der Stelle, als müsse er zur Toilette. Dann druckte er das Foto in halbwegs beeindruckender DIN A4-Größe aus.

Die Augen des Wolfes waren leuchtend weiße Löcher. Er hatte eine Vorderpfote und eine Hinterpfote erhoben, die Schnauze leicht in die Luft gereckt. Brandt meinte sogar, einen Reißzahn aufblitzen zu sehen. Kaum hatte der Drucker das Bild ausgespuckt, nahm Brandt es an sich und hastete die Treppe herunter.


In der Kneipe an der Ecke, die trotz der noch frühen Nachmittagsstunde schon ganz gut gefüllt war, war man über den ungebetenen Gast im stadteigenen Erholungsgebiet gebührend empört. Als sich die angemessene Schockstarre, in die die Anwesenden nach Brandts Verkündung kurzzeitig gefallen waren, wieder löste, entbrannte eine laute Diskussion zu der jeder der Anwesenden irgendetwas beizutragen wusste. Was dem Wolf denn einfalle, sich einfach so niederzulassen? Das könne ja nicht angehen, dass so etwas legal sei! Wo es denn hergekommen sei, das Untier, das müsse sich doch feststellen lassen und wenn es sich feststellen ließe, dann solle man doch, bitte schön, dafür Sorge tragen, dass das Vieh wieder dahin zurück verschwände, wo es hingehöre.

Norbert Brandt stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und trotz seines tatsächlichen Unbehagens ob der Bedrohung für seine geliebten Schafe, genoss er die ungewohnte Anteilnahme auch. Immer und immer wieder erzählte er aufs Neue, wie er das Foto gefunden hatte und von Mal zu Mal klang die Geschichte anders, bis die später dazugekommenen Kneipengäste davon ausgingen, dass nicht die Fotofalle, sondern Brandt höchstpersönlich den Auslöser gedrückt haben musste.

Und wie das mit Geschichten in kleinen Städtchen so ist, verbreitete sich die Kunde von dem Wolf im Winterswald über Nacht im ganzen Ort, sodass nur noch die allerwenigsten, allereinsamsten Bewohner am nächsten Morgen aus der Zeitung erfuhren, was sich zugetragen hatte (RÜCKKEHR DES RAUBTIERS – Nach 200 Jahren erobert sich der Wolf den Winterswald zurück). Und nicht nur die Lokalzeitung berichtete darüber, auch überregional fand die Geschichte einiges Interesse, schließlich waren Wölfe in Nordrhein-Westfalen noch eine absolute Seltenheit. In Sachsen hätte man angesichts eines solchen Fotos wahrscheinlich nur kurz mit den Schultern gezuckt.


Sebastian Winkelmann, genannt Bast, neunundzwanzig Jahre alt, war der Wirt in der Kneipe an der Ecke, unweit des Mühlenbacher Marktplatzes. Er pflegte zu sagen, dass seine Kneipe, die beste im ganzen Ort war, tatsächlich war sie aber schlicht die einzige und deswegen auch fast immer schon am Nachmittag ziemlich gut gefüllt. An den Wochenenden traf sich alles, was Rang und Namen hatte bei Bast, dann war es so brechend voll in dem verhältnismäßig kleinen Gastraum, dass sich die Späterkommenden mit ihrem Bier auf die Straße stellten und sich dort unterhielten. Das machte niemandem etwas aus, es gehörte einfach dazu. Seit Generationen traf man sich hier in der Kneipe an der Ecke, die schon so viele unterschiedliche Namen getragen hatte und für die Mühlenbacher doch immer nur die Kneipe an der Ecke blieb. Bast war erst seit einem Jahr der neue Wirt. Er hatte die Immobilie, das hieß den Wirtsraum und die drei ehemaligen Gästezimmer in der oberen Etage, die er selbst bewohnte, der alten Gerda abgekauft. Die alte Gerda hatte jahrzehntelang lang hinter der Theke gestanden und Bier gezapft. Jetzt saß sie meist auf der anderen Seite des Tresens und ließ sich von Bast das Bier zapfen. Sie war eigentlich immer die erste die kam und die letzte die ging und es gab keine Veränderung, die Bast in der Kneipe vornahm, ob es nun das Interieur, die Bierauswahl oder die Hintergrundmusik betraf, die die alte Gerda nicht sauertöpfisch kommentiert hätte.

„Hömma, Junge. Diesen Käse will doch keiner hören!“

„Diese Stühle waren mal verdammt teuer.“

„Kümmer dich ums Bier zapfen nicht ums Essen kochen, wer isst, trinkt nicht so viel, das weiß doch jeder.“

Bast hatte eine ganze Menge geändert und war mittlerweile ziemlich gut darin, das Gezeter der alten Gerda zu ignorieren, die trotz allem eine seiner besten Kundinnen war. Gleich am ersten Tag, nachdem der Kaufvertrag unterschrieben war, hatte Bast das rostige alte Schild Zum Jägersmann abgeschraubt und es gegen verschnörkelte, kupferfarbene Buchstaben eingetauscht, die den neuen Namen verkündeten. Das Buntglas in der alten Holztür hatte er durch klare Scheiben ersetzen lassen und eine neue Zapfanlage eingebaut (um dem Ausdruck frisch gezapft wieder Bedeutung zu verleihen. Die alte Anlage war mindestens so alt gewesen, wie die alte Gerda selbst). Acht Biersorten kamen vom Fass, dazu gab es ein großes Flaschensortiment und wöchentlich wechselnde Single Malts zum Sonderpreis, die eigentlich nie jemand bestellte.

Bast war nach seinem Schulabschluss ein halbes Jahr in den schottischen Highlands auf Wanderschaft gegangen und hatte sich in die hiesige Pubkultur verliebt. Die Mühlenbacher waren von seinen Importen wenig überzeugt und hatten sie wochenlang erst vollkommen ignoriert und danach äußert kritisch beäugt. Was sollte auch von einem Bier zu halten sein, für das das deutsche Reinheitsgebot Fremdsprache war? Und sie weigerten sich strikt, Basts Wunsch nachzukommen, den Waldläufer doch ab jetzt Pub und nicht mehr Kneipe zu nennen. Soweit kam es ja wohl noch. Die Kneipe an der Ecke blieb eben die Kneipe an der Ecke, da führte kein Weg dran vorbei.


Bast war mit seinem Leben halbwegs zufrieden, aber das war nicht immer so gewesen. Als Kind hatte er unter seiner Mutter und ihrer ganz exakten Vorstellung davon, wie ihr Sohn zu sein hatte, stark gelitten. In ihrer Erziehung war kein Platz für Basts Veranlagung zum Träumen und seinen ausgeprägten Hang zum Eskapismus gewesen, stattdessen hatte die Mutter ständige Disziplin, ergebene Hörigkeit und unbedingte Eigenverantwortung und Selbständigkeit gefordert – meistens alles auf einmal. Es hatte lange gedauert, fast siebzehn Jahre bis Bast erkannt hatte, dass es nicht sein Handeln war, dass seine Mutter gegen ihn aufbrachte, sondern seine bloße Existenz. Ungefähr zu jener Zeit, als ihm diese Erkenntnis gekommen war, hatte er aufgehört, sich zu bemühen. In das eine Ohr hinein, aus dem anderen wieder raus, wurde zu seiner Alltagsmaxime und weil die Pubertät die Dinge manchmal nicht ganz so vernünftig ausleuchtete, hatte er diese Maxime nicht nur auf den Alltag mit seiner Mutter übertragen, sondern auch auf seine Lehrer und so gut wie jede Person in seinem direkten Umfeld. Er rebellierte auf seine Art, zog sich ganz zurück in seine Kopfwelten und alle äußeren Einflüsse erreichten ihn nur noch durch den von ihm selbst gewebten Ich kann es ja doch nicht richtig machen-Filter.

Sein Abitur hatte er erst mit einundzwanzig nach einer Ehrenrunde bestanden, die ihm allerdings nicht sonderlich viel ausmachte. Auch danach waren seine Ambitionen nicht besonders ausgeprägt gewesen. Bast hatte immer schon nur halb in der ihn physisch umgebenden Realität gelebt, die andere Hälfte seiner Zeit verbrachte er bis heute lieber in Mittelerde, Winterfell oder Hogwarts und war dort auch ganz zufrieden.

Die Sache mit der Kneipe hatte sich mehr oder weniger zufällig ergeben. Seine Mutter hatte ihm ein kleines Erbe hinterlassen, das wahrscheinlich nur deshalb zustande gekommen war, weil sie dank ihrer Krankheit in den letzten Jahren ihres Lebens wenig Möglichkeiten gehabt hatte, irgendetwas von ihrem Geld auszugeben. Jetzt war Bast stolzer Besitzer eines gut laufenden Pubs. Er wurde nicht reich damit, aber die Arbeit machte ihm Spaß und einmal im Monat gönnte er sich bei Herrn Eckardt einen halben Meter Fantasynovitäten, die der Buchhändler eigens für ihn bestellte.

Obwohl er in Mühlenbach geboren und aufgewachsen war und nie, bis auf seine halbjährige Auszeit in den Highlands, woanders gelebt hatte, blieb Bast in seinem Heimatort eine Kuriosität. Er fiel auf, nicht nur weil er groß war und ein wenig zu viel auf den Rippen hatte. Er hatte rabenschwarzes Haar und ungewöhnlich dunkle, blaue Augen, die ihren Gegenüber so unsagbar intensiv anblickten, dass man kaum wegsehen konnte. Am meisten aber fiel er auf, weil ihn, wo auch immer er hinging, ein kalbsgroßer, schwarzbrauner Hund mit dickem Fell begleitete.


Der Freitagabend, an dem Norbert Brandt das Wolfsfoto seiner Wildkamera mitgebracht hatte, war für Bast sehr ertragreich gewesen. Die aufgrund der Empörung erhitzten Gemüter hatten mit reichlich kaltem Bier heruntergekühlt und die Lippen für die darauffolgende Diskussion immer wieder befeuchtet werden müssen. Bast hatte seinen immer betrunkener werdenden Stammgästen (innerlich kopfschüttelnd) gelauscht und sich insgeheim sehr gefreut. Ein Wolf im Winterswald – wie aufregend!

„So ein Wolf, das ist ein Raubtier! Ich hab das mal gesehen im Fernsehen, die gehen im Rudel auf die Jagd und wenn die erstmal Beute gerochen haben, dann sind die nicht mehr aufzuhalten. Da kann man nur noch um sein Leben rennen!“, erklärte die alte Gerda während sie Bonnie hinter den Ohren kraulte.

„Aber Wölfe fressen doch keine Menschen?“ Peter Schünemann runzelte die Stirn.

„Gerda hat Recht! Wenn da halt eben ein Mensch vor denen steht, dann steht da ein Mensch. Das sind Tiere, die unterscheiden da doch nicht. Wenn die erstmal Blut gerochen haben, dann kennen die kein Halten mehr.“

„Vor allem Kinder! Stellt euch das mal vor! Meine Enkelin ist jetzt vier und geht in den Waldkindergarten, unten an der alten Mühle. Wie weit ist das zu deinem Hof, Norbert, vielleicht fünfhundert Meter?“

„Du hast Recht, das geht so nicht, die Kinder sind in Gefahr.“

„Wieso hat uns denn keiner vorgewarnt? Werden Wölfe nicht überwacht? Da war doch mal was in der Zeitung…Sie waren doch mal Jäger, Herr Kiebeler, wie läuft das denn?“

Bast, der dem Gespräch Gläser spülend gelauscht hatte, sah nun auf und suchte Wolfgang Kiebeler, der mit seinem doppelten Korn und dem eisigen Blick wie immer abseits aller anderen saß und aus dem Fenster schaute. Wider Erwarten angesprochen, wandte Kiebeler nun langsam seinen Kopf und fixierte den Mann, der es gewagt hatte, seinen Namen in den Mund zu nehmen.

„Ich bin immer noch Jäger, Herr Schünemann. Und ich kann Ihnen allen nur empfehlen, sich nicht wie hysterische Kinder zu benehmen, sondern sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Sicherheit Ihrer Kinder den Staat nicht einmal peripher interessiert und dass der Wolf, weil er unter Naturschutz steht, den Hintern gepampert kriegt, wo es nur geht.“

Es war offensichtlich, dass den anderen nicht so ganz klar war, was Kiebeler ihnen mit dieser Antwort mitteilen wollte, doch nachfragen wollte, auch weil Kiebeler seinen Korn nun herunterstürzte, als müsse er etwas beweisen, wirklich niemand. Nach einem kurzen, betretenen Schweigen nahmen sie ihr Gespräch wieder auf, als habe es die Unterbrechung nie gegeben.

„Und meine Schafe“, fuhr Brandt fort. „Ihr hättet sie sehen sollen, wie sie gezittert haben! Als hätten sie den Tod höchstpersönlich gesehen.“

„Haben sie ja auch!“

„Du musst was unternehmen, Norbert, wenn so ein Räuber was in der Nase hat, dann kommt er immer wieder zurück. Ich werd meine Tiere ab jetzt nachts jedenfalls reinholen.“

„Ich kann doch meine Schafe nicht einsperren. Das hab ich noch nie gemacht. Ich meine, wer war denn zuerst da? Das ist doch nicht gerecht, dass meine Schafe jetzt weggesperrt werden müssen, nur weil so ein Scheißwolf in unserem Wald einzieht!“

„Was willst du denn sonst machen?“, fragte Schünemann seinen Kollegen, doch es war die alte Gerda die brüllte: „Abknallen!“

„Gerda, reg dich ab, bitte.“, sagte Bast entschieden. Er hatte sich eigentlich vorgenommen, sich in diese Diskussion nicht einzumischen, aber dieses militante Vokabular ging ihm einfach zu sehr gegen den Strich.

„Was willst du denn jetzt, du Hippie? Mach lieber mal ein bisschen Umsatz, sonst musst du demnächst wieder schließen. Bier und Korn!“

„Für mich auch“

„Für mich nur das Bier“

Bast verkniff sich den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag und machte sich daran, die Biere zu zapfen. Was brachte es denn schon, sich da einzumischen? Sollten sie sich doch die Köpfe heiß reden.

„Ich sage euch, was wir machen. Wir marschieren morgen alle zusammen ins Rathaus, mit dem Foto und halten das Waltherscheid unter die Nase. Seit Wochen hören wir uns jetzt dieses Blabla an, wie toll doch alles ist und wie viel schöner alles noch wird. Jetzt muss er mal beweisen, dass er wirklich alles im Griff hat.“

„Und was soll das bringen? Was soll er machen?“

„Keine Ahnung. Irgendwas.“

„In Niedersachsen haben sie mal einen Wolf erschossen. Das war letztes Jahr, glaube ich. Der ist denen bis in die Dörfer gelaufen, hat Kinder auf Fahrrädern verfolgt.“

„Ich darf gar nicht daran denken!“

Bast lauschte diesem Hin und Her bis er um vier Uhr morgens die letzten Gäste, unter denen auch die alte Gerda und Norbert Brandt waren, vor die Tür setzte. Bast sah ihnen nach, während sie die Straße heruntertorkelten und dabei immer noch diskutierten, wobei Bast, so ganz nüchtern, kein einziges Wort mehr verstand.

Der Mond stand voll am wolkenlosen Himmel und blickte auf den kleinen Ort herab, der, bedeckt vom ersten Novemberfrost, in seinem Licht glitzerte. Als Gerda und Norbert nicht mehr zu sehen waren, pfiff Bast nach Bonnie und gemeinsam drehten sie noch eine nächtliche Runde durch die schlafende Altstadt. Basts Ohren klingelten. Wie immer, wenn es nach einer langen, lauten Nacht, um ihn herum still und einsam wurde. Er hasste dieses Klingeln, das er so deutlich hörte, das aber überhaupt nicht da war. Es war das musikalische Leitmotiv seiner Einsamkeit, die ihm nur nachts so richtig bewusst wurde. Dann fiel es ihm schwer, obwohl er seinen Waldläufer über alles liebte, in dem großen Gebäude ganz allein zu sein und dann gelang es ihm auch nicht – obwohl es sonst nichts Schöneres für ihn gab – ein Buch aufzuschlagen und vollkommen in einer anderen Welt zu versinken. Das einzige, was ihm dabei half, die Melancholie zu überwinden, war das Wissen, dass Bonnie bei ihm war. Bonnie, seine treueste und liebste Gefährtin. Ohne sie hätte Bast sich in diesen klingelnden Nächten voll und ganz verlassen gefühlt.


Auf den Wolf gekommen

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