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I. Der persönliche Schutzbereich von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV

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Der personelle Schutzbereich des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV erfasst nach dem Wortlaut der Norm die „Religionsgesellschaften“, für die der modernere und gängigere Begriff der „Religionsgemeinschaft“ synonym verwendet werden kann.30

Die Religionsgemeinschaft ist nach einer grundlegenden Definition aus den 30er Jahren in Abgrenzung zu religiösen Vereinen „[…] ein die Angehörigen eines oder desselben Glaubensbekenntnisses – oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse […] – für ein Gebiet […] zusammenfassender Verband zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben […]“31. Einer aktuelleren Definition folgend ist sie eine „[…] organisatorisch strukturierte Vereinigung von mindestens zwei Personen, die dem Zweck der gemeinsamen Religionsausübung dient.“32

Folglich ist die Eröffnung des personellen Schutzbereichs nicht allein von der Selbstwahrnehmung einer religiös motivierten Vereinigung oder Gemeinschaft und damit von einem rein subjektiven Kriterium abhängig. Die Zuordnung unterliegt einer gerichtlichen Plausibilitätskontrolle.33 In tatsächlicher Hinsicht muss die Gemeinschaft nach ihrem geistigen Inhalt sowie dem äußeren Erscheinungsbild einer Religionsgemeinschaft im oben genannten Sinne entsprechen.34 Dies setzt zunächst eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft voraus.35 Ihre soziale Relevanz und insbesondere ihre Mitgliederstärke wirken sich gem. Art. 137 Abs. 5 S. 2 GG lediglich auf ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie ihre Rechtsfähigkeit aus.36 Dieser Status hat in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht zunächst aber keine Auswirkungen.37 Ob aber die Religionsgemeinschaft von einer gemeinsamen religiösen Überzeugung getragen wird, ergibt die Subsumtion unter den extensiv auszulegenden Begriff der „Religion“.38

Das BVerfG vertritt die Auffassung, gem. Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV stehe allen Einrichtungen der in diesem Sinne anerkannten Religionsgemeinschaften ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform ein abgeleitetes Selbstbestimmungsrecht zu, wenn sie nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen seien einen Teil des Auftrags der Religionsgemeinschaft in der Welt wahrzunehmen.39 Dementsprechend erstrecke sich der Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts auch auf privatrechtliche Kapitalgesellschaften in kirchlicher Trägerschaft, soweit deren Tätigkeit nach beiderseitigem Verständnis der selbstbestimmten Funktion der Kirche zu dienen bestimmt sei.40 Erforderlich sei erstens die Teilhabe der Organisation bzw. Einrichtung an der Verwirklichung des Auftrags der Religionsgemeinschaft.41 Zweitens müsse deren Bekenntnis im Einklang mit demjenigen der Religionsgemeinschaft stehen und drittens „[…] mit deren Amtsträgern und Organwaltern in besonderer Weise verbunden […]“ sein.42 In Bezug auf die Kirche bilden die Verkündung des göttlichen Wortes (Prophetie)43, der Vollzug der Sakramente (Liturgie) sowie der „Dienst helfender Liebe“ (Caritas/Diakonie) die grundlegenden Funktionen der Kirche.44 Ein als Kapitalgesellschaft betriebenes Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft sei demgemäß vom Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts erfasst, da die dem Prinzip der tätigen Nächstenliebe entsprechende Krankenfürsorge ein Wesensmerkmal der Kirche darstelle.45 Nach Ansicht des Gerichts sei dabei unbeachtlich, dass andere, weltliche Krankenhäuser „rein äußerlich gesehen“ die gleichen Ziele mit gleichen Mitteln erreichen wollen, da die der Tätigkeit von der Kirche subjektiv beigemessene religiöse Dimension das maßgebliche Unterscheidungskriterium bilde.46

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG

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