Читать книгу Magie aus Tod und Kupfer - Lisa Rosenbecker - Страница 12

Kapitel Sechs

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Wir landeten mitten auf einer asphaltierten Straße in der Stadt. Kaum spürte ich den harten Bodenbelag unter meinen Füßen, riss Xanthos mich zur Seite. Nur eine Sekunde später raste ein riesiger SUV an uns vorbei, der mich mit Sicherheit über den Haufen gefahren hätte. Meine Nerven mussten noch gefroren sein, so langsam, wie ich die Umgebung registrierte und verarbeitete. Ich nahm alles wie durch einen Schleier wahr, der die Geräusche und Farben um mich herum dämpfte.

Es roch nach Abgasen und feuchtem Asphalt, es regnete. Xanthos gab mir Befehle, doch ich beobachtete träge die Wassertropfen, die in stetigem Strom vom Himmel fielen. Plötzlich stand er vor mir und legte mir die Hände an die Wangen. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm direkt in die Augen zu sehen, die so unheilvoll glühten wie die Gewitterwolken über uns. Seine Lippen öffneten sich, aber ich hörte nicht, was er sagte. War ich taub geworden? Er wandte den Blick ab, redete mit jemand anderem. Seine Finger zog er zurück und ich stand wieder allein im Regen. War es Rya so ergangen, nachdem sie zum zweiten Mal zu einer Statue geworden war?

Eine Hand schob sich auf meinen Rücken, eine andere fuhr meine Beine entlang. Im nächsten Moment wurde ich hochgehoben und fand mich an Xanthos’ Brust wieder. Er trug mich. Der verdammte Krieger trug mich. Ich wollte strampeln, mich losmachen. Doch außer der Gänsehaut auf meinen Armen regte sich nichts an mir. Müde ließ ich den Kopf an seine Schulter sinken. Er lief mit schnellen Schritten Rya und Nick hinterher, die Hand in Hand den Weg vorgaben.

»Ich bringe sie um«, knurrte Xanthos in keine bestimmte Richtung.

»Sie wird schon wieder«, sagte Rya. Doch der Blick über ihre Schulter, mit dem sie mich musterte, war alles andere als zuversichtlich. Plötzlich stoppte der Regen. Ich war klatschnass, doch es kamen keine Tropfen nach. Um mich herum fielen sie weiter. Wie … Rya. Ich lächelte dankbar, was sie hoffentlich bemerkte.

»Falls es nicht besser wird«, krächzte ich und Xanthos’ Gang geriet kurz aus dem Takt, »dann helfe ich dir dabei, ihr in den Arsch zu treten.«

»Wir könnten sie in den Styx werfen«, schlug der Krieger mit einem bösen Grinsen vor und zog mich enger an sich.

»Oder ihren Thron abfackeln«, ergänzte ich. Xanthos lachte in sich hinein. Ich spürte es mehr durch das Beben seiner Brust, als dass ich es hörte.

Danach redeten wir nicht mehr. Meine Zunge war schwer und Xanthos konzentrierte sich darauf, sich und mich sicher durch die Stadt zu manövrieren. Erst als wir direkt vor dem Gebäude standen, erkannte ich unser Ziel. Das Hauptquartier des Ordens. Schwer atmend stieg Xanthos die Stufen hinauf, wo Nick ihm schon die Tür aufhielt. Kaum hatten wir das Innere des Gebäudes betreten, legte sich warme Luft um uns. Im Kontrast dazu wurde ich mir meines nassen Zustandes umso deutlicher bewusst. Noch immer konnte ich mich kaum regen. Wir hielten nicht an. Xanthos brachte mich in ein Zimmer, ähnlich dem, das Rya damals behaust hatte. Quadratischer Grundriss, spartanische Einrichtung. Xanthos wollte mich gerade auf das Bett legen, als Rya dazwischenrief.

»Sie braucht erst mal trockene Sachen und ein Bad.«

Er nickte. »Kannst du stehen?«, fragte er mich.

»Denke schon.«

Xanthos setzte mich vorsichtig ab und als er sich sicher war, dass ich allein stehen konnte, ließ er mich los. »Ich besorge dir frische Klamotten.« Schon war er weg. Ich wankte und Rya war sofort an meiner Seite. Sie führte mich ins Bad und half mir dabei, meine Kleidung loszuwerden, während sie nebenbei schon die Wanne volllaufen ließ.

»Ich war in den letzten Tagen so oft baden«, murmelte ich. Rya grinste und zog mir den Pullover über den Kopf.

»Leider kann ich dir keine besonderen Zusätze anbieten. Es gibt hier genau einen Badeschaum und der riecht nach Zypressen.«

»Nicht schlimm.«

Irgendwie schafften wir es, mir trotz meiner müden Glieder und tauben Muskeln alle Kleidungsstücke auszuziehen. Und mit Ryas Hilfe ließ ich mich in die Wanne gleiten. Der Schaum bitzelte und der Geruch war zu meiner Überraschung auch wirklich angenehm. Ich versank bis zum Kinn im wärmenden Wasser. Rya setzte sich auf die geschlossene Toilette und beobachtete mich. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und es schien mir, als müsste sie noch immer ihre Wut unterdrücken.

»Besser?«, fragte sie mich.

»Viel besser. Danke. Und bei dir?«

Sie legte den Kopf schief. »Auch. Außer dass ich am liebsten irgendwas unter Wasser setzen würde.«

»Ich würde dir ja mein Haus zur Verfügung stellen.«

»Aller guten Dinge sind drei, oder wie war das?« Wir mussten lachen. Dann wurde es still. Viele Orte lehrten mich in letzter Zeit ebenso viele Schattierungen von Stille. Diese hier wusste mehr als man selbst. Sie wartete auf etwas. Ich schloss die Augen, aber davon wurde sie nicht erträglicher. Rya rutschte unruhig auf dem Klodeckel rum.

»Ilena?«

»Mhm?«

»Was genau hat Nephele getan?«

Ich formte mit den Händen eine Schale und goss mir Wasser ins Gesicht. Dann rieb ich mir die Augen, bevor ich sie öffnete.

»Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung? Ich habe einen Zauber bei dir angewandt, der mir deine Erinnerungen und Gedanken gezeigt hat. So ähnlich war es heute auch, nur …« Mir versagte die Stimme und ich schluckte schwer. Es wollte noch immer nicht in meinen Kopf rein, dass die Ischyró Mágo gegen meinen Willen diese Grenze überschritten hatte.

»Du wolltest es nicht«, flüsterte Rya und sah betreten zu Boden. Sie rang die Hände und schüttelte den Kopf. »Damals, als du das bei mir gemacht hast, da habe ich es fast gar nicht gemerkt. Heute bei dir … Hat es wehgetan?«

»Es war … unangenehm. Verletzend. Nicht in dem Sinne, der wirklich körperlich wehtut. Mehr im Inneren.«

»Verstehe.« Ryas braune Augen verdunkelten sich und ein harter Zug legte sich auf ihr Gesicht. Diesen Blick mochte ich nicht an ihr. Sie so zu sehen, stimmte mich selbst betroffen. »Ich wollte sie mit Blutmagie beeinflussen«, sagte sie dann mit leicht zitternder Stimme. Als sie mir direkt in die Augen sah, entdeckte ich darin keine Reue, nur Wut. Und einen Hauch Enttäuschung. »Es ging nicht. Diese Magie wohnt mir wohl nicht mehr inne.«

»Es ist besser so«, antwortete ich und Rya zog die Augenbrauen nach oben. »Hätte Nephele davon Wind bekommen, hätte sie dir noch etwas Schlimmeres angetan als mir.«

»Trotzdem«, brummte Rya. »Sie hätte es verdient.«

»Stimmt. Und sie wird ihre Strafe noch bekommen.«

Jetzt horchte Rya auf. »Was schwebt dir vor?«

»Weiß ich noch nicht. Aber sie hat die Regeln gebrochen. Also werde ich das auch tun, wenn es sein muss. Eigentlich hatte ich mir geschworen, bis zu der Sitzung des Zirkels der Dreizehn und meinem Urteil unter dem Radar zu fliegen, doch das kann ich mir nach allem, was passiert ist, wohl abschminken. Hat sowieso keinen Spaß gemacht. Jetzt wird es wenigstens umso lustiger.« Ich rang mir ein düsteres Lächeln ab.

Rya musterte mich fragend. »Was bedeutet das, unter dem Radar zu fliegen?«

»Dass man sich bedeckt hält und nicht auffallen will.«

Hinter Ryas Stirn sah ich es arbeiten. Dann hellte ihre Miene sich auf und sie musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszulachen.

»Ist dir das überhaupt schon jemals gelungen? Nicht aufzufallen?«, fragte sie dann mit einem lieb gemeinten Grinsen.

Ich spritzte ihr etwas Wasser ins Gesicht, das sie mir postwendend wieder zurückschickte, noch bevor es sie berühren konnte. Ich prustete und wischte es mir von der Haut. »Hast ja recht«, gab ich zu. »Das liegt mir wirklich nicht. Ist auch viel zu langweilig.«

»Was hat es mit diesem Urteil auf sich?«, fragte Rya plötzlich todernst und ich verschluckte mich fast an meinem eigenen Lachen. Mist. Hätte ich doch bloß meine Klappe gehalten.

»Es ist nichts Dramatisches«, winkte ich ab. »Nur eine alte Tradition der Mageía Mésa

Rya glaubte mir nicht. Sie seufzte schwer. »Wir können dir nur helfen, wenn du mit uns redest.«

»Das sagst ausgerechnet du. Ich erinnere mich da an einen Rachefeldzug, denn du ganz allein …«

»Erstens«, warf Rya ein, »war es kein Rachefeldzug und zweitens habe ich mich ja dann von dir davon überzeugen lassen, dass ich es allein nicht schaffe. Also mache ich dasselbe jetzt bei dir.«

»Spar es dir. Ihr könnt mir nicht helfen. Das ist eine Sache, die wir unter uns klären.«

Rya verschränkte die Arme vor der Brust und murmelte vor sich hin. »Das gefällt mir nicht. Ich …«

Im Nebenraum wurde die Zimmertür geöffnet. Schwere Schritte gingen durch den Raum, hielten inne. Ich rutschte etwas tiefer in die Wanne und bedeckte die Wasseroberfläche über meinen intimsten Stellen mit Schaum. Bei meinem Glück stand demnächst eine ganze Horde zeternder Krieger im Bad. Rya richtete sich auf, stellte sich vor die Tür und schob ihre Ärmel nach oben, als würde sie jeden Eindringling sofort wieder hinausbugsieren, wenn es sein musste. Doch niemand stürmte herein, es klopfte lediglich leise an der Tür.

»Wer ist da?«, wollte Rya wissen.

»Ich«, brummte jemand auf der anderen Seite. Xanthos. »Die Klamotten liegen auf dem Tisch.«

»Danke«, rief Rya.

»Ist alles in Ordnung?«

Rya nickte, dann merkte sie, dass er das nicht sehen konnte. »Ja.«

»Ich will es von ihr selbst hören«, brummte es durch die Tür.

Ich rollte mit den Augen. »Ja!«

Einen Moment lang herrschte Stille. Dann sagte Xanthos: »Sie ist eine verdammt schlechte Lügnerin.«

Rya schmunzelte und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Mein Puls wurde schneller, ich schlug mit der Faust auf das Wasser und es spritzte in alle Richtungen.

»Komm rein und sag mir das ins Gesicht, du …« Es blubberte. Das Wasser in der Wanne warf Blasen und von meinen Händen stieg Dunst in trägen Schwaden auf, als ich sie aus dem Wasser zog. Mir wurde heiß, Schweiß rann meinen Nacken hinab.

»Xanthos«, sagte Rya um Ruhe bemüht. »Du solltest besser gehen.« Doch natürlich entging dem Krieger das nicht. Ein dumpfer Laut war zu hören, als hätte er eine Hand an die Tür gelegt.

»Was ist los?«

»Geh«, presste ich hervor und versuchte, die Hitze unter Kon­trolle zu bekommen. Das Wasser wurde immer heißer. Ich musste hier raus. Wobei … solange die Wärme dahin umgeleitet wurde, hielt sich die Gefahr einer neuen Feuerexplosion in Grenzen. Ich tauchte die Hände unter und nahm einen tiefen Atemzug. Warmer Wasserdampf sammelte sich im Raum und Rya lenkte ihn im Kreis, damit er nicht durch den Spalt unter der Tür nach außen drang und unseren Wachhund aufscheuchte, der jetzt schon verärgert schnaubte.

Doch dann, zu Ryas und meiner Überraschung, hörten wir, wie Xanthos sich mit energischen – oder eher wütenden – Schritten entfernte und die Tür hinter sich zuknallte. Was für eine Dramaqueen.

Das Brodeln des Wassers legte sich und bald umgab mich wieder eine spiegelglatte Oberfläche.

Rya kicherte, während sie mir ein Handtuch aus dem Regal zog. »Xanthos bringt ja so ziemlich jeden zur Weißglut, aber bei dir nimmt das doch extreme Züge an.«

»Darf ich ehrlich sein?«

»Ich bitte darum.«

Rya entfaltete das große Handtuch und hielt es mir hin. Ich stemmte mich aus der Wanne und wickelte mich in den weichen Stoff ein. Meine Muskeln protestierten, sie wollten zurück in das erholsame Nass. Doch darauf war mir die Lust nun vorerst vergangen.

»Diese … Ausrutscher beruhigen mich«, gab ich zu. »Sie zeigen mir, dass da noch Magie in mir steckt, auch wenn ich sie sonst nicht so deutlich spüren, geschweige denn anwenden kann. Es gibt mir Hoffnung, dass ich bald wieder ordentlich helfen kann.«

Ryas Blick ruhte auf mir, sie musterte mich aufmerksam. »Darf ich auch ehrlich sein?«

»Klar.«

»Ich glaube, selbst ohne deine gesamte Magie bist du hilfreicher als drei Krieger zusammen.« Dieser unerwartete Vergleich brachte mich tatsächlich zum Lachen. Doch Rya war es ernst, lediglich ihr rechter Mundwinkel zuckte kurz, ehe sie fortfuhr. »Für wen willst du deine Magie zurück? Für dich? Oder für andere? Für uns? Für die Mageía Mésa

»Ein bisschen von allem.«

Schuld flackerte in ihren Augen auf. »Unseretwegen ist das nicht nötig, das weißt du, oder? Wir lieben dich, so wie du bist, ob nun mit oder ohne.«

Es verschlug mir die Sprache. Und das geschah nun wirklich nicht oft. Diese Worte aus ihrem Mund zu hören … Das bedeutete mir mehr, als sie ahnte. Mehr, als ich selbst in Worte fassen konnte.

»Ähm …«, war das Einzige, was ich rausbekam.

»War ein bisschen dick aufgetragen, oder? Aber ich meine es ernst.«

»Danke.«

Rya nickte. Kurz bekam ich den Eindruck, dass sie mich umarmen wollte, doch dann ging sie zur Tür raus und holte mir die Kleidung, die Xanthos gebracht hatte.

»Zieh dich um und leg dich hin. Ich hole dich, wenn es Abendessen gibt.«

Wir verabschiedeten uns und sie verließ das Zimmer. Ohne Rya kam es mir groß und still vor. Ich zog mich im Bad um und hängte meine nassen Sachen über die Heizung. Dann ließ ich mich aufs Bett fallen und legte die Beine hoch. Ich fühlte mich wunderbar träge und schaffte es nicht einmal, die Bettdecke über mich zu ziehen, ehe ich einschlief.

Als ich erwachte, war ich zugedeckt. Ich fühlte mich wesentlich besser als vorher, konnte aber nicht einschätzen, wie lange ich geschlafen hatte. Die Vorhänge waren zugezogen und kein Licht drang in den Raum. Mein Magen grummelte vor Hunger. Das war ein gutes Zeichen. Ich schwang die Beine aus dem Bett und blinzelte. Dann wankte ich zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Draußen war es bereits dunkel und zwar schon etwas länger. Mich beschlich die Befürchtung, dass es bereits weit nach dem Abendessen war. Plötzlich ertönten auf dem Flur Schritte, doch sie gingen vom Zimmer weg, nicht darauf zu. Ich knipste die Lampe auf dem Nachttisch an und griff nach den übrigen Klamotten. Bevor ich mich auf die Suche nach Rya und den anderen machte, wollte ich aus dem Schlafanzug raus und in normale Sachen rein. Meine eigene Kleidung war leider noch immer nass, weswegen ich auf die farbenfrohe Garderobe des Ordens zurückgreifen musste. Schwarz, schwarz, schwarz und ein Hauch Blau. Xanthos hatte meine Größe perfekt geschätzt. Als ich gerade den warmen Pullover über den Kopf zog, klopfte es an der Zimmertür.

»Herein«, rief ich.

»Ich dachte mir, du hast vielleicht Hunger.« Rya trat ein, hinter ihr trug Nick ein Tablett ins Zimmer. Xanthos bildete die Nachhut und schloss die Tür. Mein Blick klebte förmlich an dem Teller auf dem Tablett. Er war beladen mit allerhand gedünstetem Gemüse, Pommes, einem Burger und einem Milchshake. Es roch herrlich. Mein Magen gab ein freudiges Geräusch von sich, als ich mich auf das Essen stürzte. Nick schaffte es gerade noch so, es vorsichtig auf dem Tisch abzustellen, ehe ich auch schon die ersten Pommes in der Hand hielt. Nick und Rya nahmen mit gespielter Angst Abstand und setzten sich aufs Bett, während ich mich auf den Stuhl am Tisch fallen ließ und das Tablett näher zog. Xanthos blieb neben der Tür mit verschränkten Armen stehen und beobachtete mich beim Essen. Über seinem rechten Auge prangte eine blutige Schramme.

»Was ist dir denn passiert?«, fragte ich und deutete darauf. Er warf einen finsteren Blick zu Rya, die schuldbewusst zusammenzuckte.

»Sie war beim Training etwas brachialer als sonst. Scheint, als hätte sie mich mit dieser Nephele verwechselt. Oder«, jetzt sah er angriffslustig zu mir, »sie hat mit deiner Magie auch einen Teil deines feurigen Temperaments abbekommen.«

»Ja genau«, schimpfte ich theatralisch. »Provozier die Mágissa mit der unberechenbaren Kraft, das macht es bestimmt …«

Warte. Hatte er recht? Veränderte die Abwesenheit meiner Magie auch meinen Charakter? Wurde ich darum so schnell so aufbrausend, wenn er mich ärgerte? War ich deswegen so jämmerlich, dass ich mir damit zuweilen selbst auf den Keks ging? Ich wollte nicht noch mehr von mir verlieren. Meine Finger suchten nach dem Rosenquarz-Anhänger, doch auch er war fort. Am Ende würde gar nichts mehr übrig bleiben.

»Ilena?«, fragte Xanthos halb sorgenvoll, halb mahnend. »Das war ein Scherz. Du bist und bleibst einzigartig.«

Drei aufgerissene Augenpaare starrten ihn an.

»War das ein Kompliment?«, fragte Rya erstaunt. Xanthos sah uns nacheinander an, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»Es ist eine biologische Tatsache.«

Nick verdrehte die Augen. »Du warst ganz nah dran.«

Xanthos schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Trotzdem mied er meinen Blick und setzte die stoische Maske auf, mit der er meistens herumlief. Wenn er nicht gerade dabei war, Streit mit jemandem anzufangen.

Und ich? Ich wusste nicht, was ich von alldem halten sollte. Lustlos nahm ich einen Bissen von dem Burger. Wenn ich jetzt nichts aß, würde ich es später bereuen, auch wenn mir gerade der Appetit vergangen war. Die drei warteten schweigend ab, bis ich satt auf meinem Stuhl zurücksank.

»Das war sehr lecker, danke.«

Das nächste Unheil braute sich in der Luft des Raumes zusammen. Ich spürte es, dazu brauchte ich nicht mal Magie. Rya, Nick und Xanthos knobelten still und nur mit Blicken aus, wer den ersten Schritt machen sollte. Ich biss mir auf die Zunge. Normalerweise hielt ich so etwas mit meiner Ungeduld nicht aus, aber egal was kam, es war nichts, was ich unbedingt vorantreiben wollte. Doch je länger ich die drei beobachtete, desto mehr wurde mir klar, dass sie nicht einer Meinung waren. Rya und Nick schienen eher verhalten und Xanthos war es, den etwas Unausgesprochenes belastete. Kein Wunder, dass er es nicht ausspucken wollte. Ich wollte es ganz bestimmt auch nicht hören.

Letzten Endes gewann er den stillen Kampf. Er richtete sich auf und drückte die Schultern durch, was seine harte Brust unter dem dunkelgrauen Shirt zur Geltung brachte.

»Was hat es mit dem Etymigoría auf sich?«

Ich stöhnte. Das schon wieder. »Nichts, was euch beunruhigen müsste.«

»Es macht dir Sorgen.« Xanthos legte den Kopf schief und fixierte mich wie ein Raubtier seine Beute.

»Nein«, blaffte ich. Ich konnte es nicht leiden, wenn jemand mit diesem besserwisserischen Unterton mit mir sprach.

»Lüg uns nicht an, Ilena. Die Mageía Mésa reden hinter deinem Rücken schlecht über dich. Als wärst du keine mehr von ihnen, weil du diesen … unseren Krieg beendet und viele ihrer Regeln gebrochen hast. Du kannst uns nicht weismachen, dass dich das nicht juckt. Und heute hat sich die Frau, der du die Treue geschworen hast, gegen dich gewandt. Sie hat dich verletzt. Und nun erfahren wir von etwas, das weitaus schlimmere Erwartungen weckt. Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was das ist.« Er stieß sich von der Wand ab und trat einen Schritt auf mich zu. Aus dem Augenwinkel sah ich Rya, die sich anspannte.

Meine Hände ballten sich wie von selbst zu Fäusten. Im mir brodelte es, doch keine Hitze stieg auf. Nein, es breitete sich eher eine kühle Wut aus. Ich richtete mich auf, blieb auf der Ecke des Stuhls sitzen.

»Ihr habt ein Recht darauf? Wer sagt das? Du? Nur weil du glaubst, dass es so ist, macht es das nicht wahr. Das gibt dir nicht die Erlaubnis, wie ein Berserker überall einzufallen und etwas einzufordern. Wer die Wahrheit will, muss sie sich verdienen.« Als das letzte Wort meine Lippen verlassen hatte, wusste ich, dass ich zu weit gegangen war. Xanthos’ Augen verengten sich und bittere Enttäuschung verklärte seinen Blick. Nick zuckte unmerklich zusammen und Rya zog scharf die Luft ein.

All meine Wut zerfiel zu Staub, als Xanthos fast schon angewidert zurückwich.

Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. »Entschuldigt. So war das nicht gemeint.« Ich sah meine Freunde, die ich gerade zutiefst verletzt hatte, nacheinander an. Rya und Nick erwiderten meinen Blick auffordernd, Xanthos‘ Gesicht war eine reglose Maske. »Ihr wurdet euer ganzes Leben lang belogen, obwohl ihr das nicht verdient hattet. Und nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, seid ihr die Ersten, mit denen ich über die Götter und die Welt reden will, aber … Manche Dinge sind einfach sehr persönlich. So persönlich, dass ich mir erst mal selbst darüber klar werden muss, wie ich dazu stehe. Und für mich gibt es gerade nichts Persönlicheres als meine Magie und meine Zukunft bei den Mageía Mésa. Es ehrt euch, dass ihr euch Sorgen macht, und es rührt mich wirklich sehr …«

»Es ist in Ordnung«, warf Rya ein, die bemerkte, wie sehr ich nach den richtigen Worten rang. Am liebsten wäre ich ihr um den Hals gefallen und hätte mich nochmals entschuldigt. Doch dann wären vermutlich alle meine Dämme gebrochen und das … wäre kein schöner Anblick. Mein Herz hämmerte heftig in meiner Brust, als auch Nick wohl­wollend den Kopf senkte. Nur Xanthos starrte mich nach wie vor nieder. Seine Lippen waren zusammengepresst, die Augen glimmten unheilvoll.

»Du«, sagte ich und deutete auf ihn, »bist auch nicht besser als ich. Du willst mir ja auch nicht verraten, was es mit dem Fluch auf sich hat.«

Mit der Hand fuhr Xanthos sich durch die Haare, als ob er die weiße Strähne darin fühlen könnte.

»Das ist was anderes«, knurrte er.

»Ach ja? Wieso? Weil du das sagst?«

Ich hatte ihn. Und er wusste das genau. Unter seiner abgeklärten Oberfläche brodelte es gewaltig. Ich erwartete, dass er es war, der dieses Mal vor Wut in Flammen aufging. Stattdessen bekam seine kalte Miene Risse und ein Grinsen, so schwach, dass ich es zunächst für Einbildung hielt, überzog seine Lippen. Es war arrogant, es war schelmisch. Es war irgendwie schön. Genauso wie seine raue Stimme.

»Leck mich, Ilena.«

Ich lachte leise. »Ist das eine Beleidigung oder eine Einladung?«

»Das darfst du dir aussuchen.«

Ich tat so, als würde ich kurz überlegen, und musterte Xanthos von oben bis unten. Bei den Göttern, allein der Gedanke … Rya und Nick warfen sich einen panischen Blick zu, als ob sie überlegten, schnell aus dem Zimmer zu verschwinden, bevor es zu spät war. Ich rettete sie, indem ich abwinkte.

»Eine Beleidigung macht dich zu einem schlechten Verlierer, daher nehme ich diesmal sie.«

Die beiden atmeten erleichtert auf, während Xanthos schmunzelnd mit den Schultern zuckte. »Ich mag diese Schlacht verloren haben, den Krieg noch nicht.«

Mir lagen allerlei zweideutige und kitschige Erwiderungen auf der Zunge, doch ich verkniff sie mir. Das führte jetzt nicht weiter, auch wenn es für gute Unterhaltung sorgen würde. Ein Gähnen überkam mich.

»Ich gehe heim. Morgen setzen wir dann Plan B in die Tat um.«

»Plan B?«, hakte Nick nach.

»Wir müssen nach wie vor mehr über die Feder herausfinden. Und da die Ischyró Mágo uns nicht helfen will, müssen wir einen anderen Weg gehen. Wir können andere, unabhängigere Magierinnen um Hilfe bitten oder uns die Informationen selbst besorgen.«

»Mir gefällt nicht, wie du besorgen betonst, Ilena«, warf Rya mit hochgezogener Augenbraue ein.

»Oh ja, es wird gefährlich und illegal, also genau unser Ding.«

»Klingt großartig«, murmelte Xanthos mit blitzenden Augen. »Ich bring dich heim, dann kannst du mir mehr darüber erzählen.«

Die Fahrt zu meinem Haus verlief überraschend ereignislos. Seit wir in den schwarzen SUV gestiegen waren, breitete sich Stille aus. Diesmal war sie anders. Sie forderte nichts. Also sah ich aus dem Fenster und zählte die vorbeiziehenden Lichter. Meine Klamotten sowie ein frischer Pullover aus dem Orden, den ich behalten durfte, lagen zusammengelegt in einem Stoffbeutel im Fußraum. Die Sitzheizung leistete ganze Arbeit und ich kuschelte mich in die Polster. Meine Lider wurden schwer, einschlafen wollte ich aber nicht.

»Vermisst du es?«, fragte ich Xanthos, als wir gerade an einer Ampel standen. Ich mochte es, wie das Licht der Strahler seine Hände hervorhob. Als wären sie in Feuer getaucht.

»Was?«

»Das Kämpfen.«

Er regte sich nicht und ich dachte, dass er nicht antworten würde. Dann seufzte er.

»Manchmal, ja. Sosehr ich es auch hasse, dass ich mein ganzes Leben lang belogen wurde, es hat mir einen Sinn gegeben. Ein Ziel. Auch wenn sich über die Absichten streiten lässt.«

Ich nickte und sah wieder aus dem Fenster.

»Und du? Fehlt dir das Zaubern?« Ich drehte mich zu ihm um. Er kannte die Antwort bereits. Die Wahrheit.

»Ja. Mir geht es wie dir. Mit ihr ist mein Sinn verloren gegangen. Aber ich bereue es nicht, dass ich sie Rya gegeben habe.«

»Das weiß ich. Und sie auch.« Er strich mit dem Daumen über das Lenkrad. Es wurde Grün und wir fuhren weiter. »Ich bereue es. Das Kämpfen. Den Hass«, sagte er leise und in einer ausgebrannten Tonlage, die ich noch nie an ihm gehört hatte. Sie sorgte für eine Gänsehaut, die sich meine Arme hinaufzog. Sein Blick war auf die Fahrbahn gerichtet und ich wagte es nicht wegzusehen. »Was ich mochte, war das Gefühl und die Überzeugung, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Nur das Wie … Ich schäme mich dafür. Weil es eben nicht nur der Fluch und die Fremdbestimmung waren. Sondern auch ein Teil von mir, der sich freiwillig so ins Zeug gelegt und Grenzen überschritten hat. Schätze, diese Eigenschaft werde ich so schnell nicht los.«

Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Es brachte nichts, es schönzureden oder es zu relativieren. Sein anfängliches Verhalten gegenüber Rya würde ich ihm nie verzeihen. Doch er hatte sich verändert und sich schlussendlich für den richtigen Weg entschieden. Er verdiente eine zweite Chance. Und vielleicht noch etwas mehr.

Er räusperte sich. »Ich wiederhole es: Es tut mir leid, dass ich deine Privatsphäre missachtet habe. Dass ausgerechnet du nicht direkt mit der Sprache rausgerückt bist, hat mich verletzt. Und so verängstigt, dass ich die Kontrolle verloren habe.«

»Wieso?«

»Ich hasse es, angelogen zu werden. Und du bist die eine Person, die immer direkt und ehrlich sagt, was sie denkt. Und wenn du anfängst zu lügen … Dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht, du hast nicht gut ausgesehen. Trotzdem war es falsch und tut mir leid. Du entscheidest, wem du was und wann erzählst.«

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und fuhr mit dem Daumen über den Stoff seines Pullovers. Xanthos zuckte nicht zurück, im Gegenteil. Mir schien, er wurde unter meiner Berührung still, als ob er mich nicht verschrecken wollte. Eigentlich sollte es nur ein flüchtiger Kontakt werden, ein stummer Ausdruck von Verständnis. Doch dann ließ ich meine Hand dort liegen, weil es mich selbst beruhigte.

»Das Etymigoría«, erzählte ich, »ist ein Urteil, das von dem Kýklos ton Dekatrión, dem Zirkel der Dreizehn, gefällt wird. Dieser Zirkel setzt sich aus der Ischyró Mágo, Nephele, und zwölf anderen Magierinnen zusammen. Sie stellen so etwas wie ein Gericht der Mageía Mésa dar. Wann immer eine von uns gegen die Regeln verstößt oder es interne Streitigkeiten gibt, greifen sie ein. Sie hören zu, stellen Fragen und treffen am Ende eine Entscheidung über das Strafmaß. Das reicht von einer einfachen Ermahnung bis hin zur Verbannung und dem damit verbundenen Ausschluss aus der Gruppe der Mageía Mésa

Xanthos nickte. »Und du musst dich diesem Gericht stellen, weil du diverse Regeln gebrochen hast?«

»Ja.«

»Hast du Angst?«

»Ein bisschen«, gab ich zu. »Nephele hatte recht. Meine Liste der Vergehen ist lang. Wäre nicht gerade alles so chaotisch, hätten sie mich schon längst vorgeladen. Und egal, was sie entscheiden, es gibt keinen Einspruch, kein Veto.«

»Und wer richtet über die Ischyró Mágo selbst? Wenn ich es richtig verstanden habe, war ihre scheiß Aktion gestern auch ein Regelbruch.«

»Niemand«, antwortete ich und Xanthos’ Kopf ruckte zu mir herum.

»Das ist nicht dein Ernst. Was für eine beschissene Doppelmoral ist das denn?«

Sein Kiefer war nah an meinen Fingern. Ich streckte sie aus und drückte gegen die Muskeln, damit er wieder auf die Straße sah. Und weil sich seine Haut auf meiner viel zu gut anfühlte, zog ich meine Hand anschließend ganz zurück.

»So sind die Gesetze der Mageía Mésa«, antwortete ich ohne viel Überzeugungskraft in der Stimme.

Xanthos schnaubte nur und brachte damit hervorragend zum Ausdruck, was ich darüber dachte. Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster und zählte die Ampeln, an denen wir vorbeifuhren. Viel zu schnell erreichten wir mein Haus. Xanthos betätigte den Blinker und hielt am Straßenrand, damit ich aussteigen konnte.

»Danke fürs Heimfahren.«

»Kein Problem.«

Ich lächelte Xanthos zu und zu meiner Überraschung erwiderte er es. In der Dunkelheit hatten seine Augen einen anderen Glanz. Sie wirkten beinahe warm. Ich öffnete die Tür und hatte schon einen Fuß aus dem Wagen gesetzt, als er mich an der Schulter berührte, so wie ich es bei ihm getan hatte.

»Ilena? Sag Bescheid, wenn dieser komische Zirkel zusammenkommt. Dann begleiten wir dich.«

»Das ist nicht erlaubt.«

Xanthos grinste schelmisch. »Wo sie sich diese Regel hinstecken kann, sage ich Nephele dann gern selbst, wenn es so weit ist.«

»Na, diese Freude will ich ihr natürlich nicht nehmen.«

Er nickte zufrieden und ließ mich los. Ich stieg aus dem Wagen und ehe ich die Tür schloss, sagte ich: »Danke.«

Ich drehte mich um und lief zum Haus. Kurz bevor ich an der Haustür ankam, wurde ich plötzlich zur Seite gerissen. Ich wollte schreien und um mich schlagen, als ich Xanthos vor mir erkannte, der mich an der Taille gepackt hatte und hinter einen Busch zerrte. Mein Puls schnellte in die Höhe und mir wurde heiß. Er presste mich an sich und legte mir einen Finger auf den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich blinzelte perplex, als meine Lippen prickelten.

Doch ein Blick in Xanthos’ Augen und mir wurde mit einem Schlag eiskalt. Darin las ich, was ich längst verloren glaubte. Die Schrecken eines Krieges. Sie färbten seine Iriden unheilvoll düster. Er beugte sich vor und brachte seinen Mund nah an mein Ohr, während er mich enger an sich zog. Ich spürte jeden angespannten Muskel und hörte sein schnell schlagendes Herz. Oder war es meins?

»Es ist jemand in deinem Haus«, flüsterte er so leise, dass selbst ich Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. »Oben ist gerade ein Licht angegangen.«

Für einen Moment vergaß ich das Atmen. Dann fiel mir etwas ein und ich hätte mir selbst an die Stirn gehauen, wenn ich nicht völlig bewegungsunfähig in Xanthos’ Armen gelegen hätte.

»Das sind die Turteltauben«, klärte ich ihn auf. »Ich habe vergessen, dass ich mit ihnen verabredet war. Sie haben noch einen Schlüssel.«

Xanthos zog den Kopf zurück, damit er mir in die Augen sehen konnte. »Bist du dir sicher?«

Ich nickte. Trotzdem rührte sich keiner von uns. Die Dunkelheit in seinen blauen Augen wechselte in einen Ausdruck, der mich noch mehr bannte. Einen Herzschlag später ließ er mich los und machte einen Schritt zurück.

»Was dagegen, wenn ich mich selbst davon überzeuge?« Er schob die Hände in die Hosentaschen und drehte sich zum Haus um.

»Nur zu.« Er begleitete mich zur Tür. Ich schloss auf und als wir in den Hausflur traten, ging das Licht dort an.

»Aha!« Luce stürmte die Treppe herunter und sprang mir quasi vor die Füße. Ich taumelte, als sie mich umarmte. »Ich wusste doch, dass du uns nicht allein losziehen lassen würdest. Nicht an unserem letzten freien Abend für die nächsten zwei Wochen.«

»Niemals«, sagte ich, auch wenn mir nach allem anderen als nach Feiern zumute war. Ich wollte ins Bett. Luce’ Augen wurden groß, als sie Xanthos hinter mir entdeckte.

»Oh. Wie ich sehe, hast du die Ansprüche an deine Liebschaften nach ganz unten gedreht.« Sie warf mir einen eindeutig zweideutigen Blick zu. »Hat es sich denn wenigstens gelohnt?«

Xanthos schnaubte, Luce verschränkte die Arme vor der Brust. Im selben Moment stand Cathy oben an der Treppe und staunte nicht schlecht, als sie den Krieger sah. Doch statt wie Luce gleich wilde Theorien in den Raum zu werfen, beschränkte sie sich auf eine Begrüßung, von der Xanthos allerdings nichts mitbekam, weil er im Blickduell mit Luce alles gab.

»Rette mich«, rief ich ihr lachend zu, doch Cathy gluckste nur und setzte sich auf die oberen Stufen, den Platz mit der besten Aussicht auf das Geschehen.

»Hör zu«, fauchte Luce und durchbohrte Xanthos mit ihrem Blick. »Wenn du ihr wehtust, dann schnippel ich dir …«

»Luce!«, unterbrach ich sie, bevor sie ihn zur Weißglut trieb. »So ist es nicht, also lass ihn in Ruhe. Er war so nett und hat mich heimgefahren.«

Sie hob die Augenbrauen. »Nett und er in einem Satz zusammen? Kaum zu glauben.« Abschätzig musterte sie ihn.

»Dinge ändern sich«, sagte Cathy versöhnlich. Fast schon überrascht über ihren Zuspruch bedankte sich Xanthos mit einem Nicken bei ihr.

»Und wenn ihr nett sein wollt«, erwiderte er, »dann schleppt ihr Ilena heute Nacht nirgendwo mehr hin. Sie sollte schlafen.«

Luce beschwerte sich ausführlich bei ihm, während Cathy mich fragend ansah. Ich lächelte sie müde an, denn Xanthos hatte recht. Das Bett rief förmlich nach mir.

»Luce.« Mehr als dieses eine Wort von Cathy brauchte es nicht, um Luce zum Schweigen zu bringen. Sie hielt in ihrer Schimpftirade inne und drehte sich zu ihrer Freundin um. Cathy erhob sich und kam die Treppe herunter. »Wir sollten gehen.«

Luce plusterte die Wangen auf, protestierte aber nicht. »Na gut.«

Die beiden nahmen ihre Jacken von der Garderobe. Ich lächelte entschuldigend, obwohl ich wusste, sie würden es mir nicht übel nehmen.

»Ich hätte noch eine Bitte an euch«, sagte ich, als sie sich die Schuhe zubanden. »Könntet ihr, falls ihr die Zeit findet, die euch bekannten Magierinnen abklappern und sie um eine Auskunft bitten? Es geht um eine außergewöhnliche Feder, die wir gefunden haben.«

Luce und Cathy warfen sich einen Blick zu. »Eine Feder?«, hakte Cathy nach. »Etwa eine große schwarze mit goldener Spitze?«

»Silberne Spitze«, erwiderte Xanthos. »Wie kommt ihr auf Gold?«

Luce griff in die Innenseite ihrer Jacke. Mir klappte der Mund auf, als sie eine Feder daraus hervorzog, die unserer bis auf die Farbe an der Spitze zum Verwechseln ähnlich sah.

»Wir haben auch eine gefunden«, sagte sie.

Magie aus Tod und Kupfer

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