Читать книгу Arschbombenalarm - Lisa Sturm - Страница 4

Kapitel 2

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„Wie heissen Sie? Und was verschlägt Sie hier in die Berge?“ Samira folgte der Dame die Treppe nach unten. „Samira. In erster Linie habe ich versucht der Hitze zu entkommen und bin irgendwie hier gelandet“. „Ich bin die Ida. Ja, es ist ein heisser Sommer, es wird hier tagsüber schon auch sehr warm“. „Aber in der Nacht kühlt es auch mal ab. Das habe ich gebraucht“. Samira lächelte während Ida nickte. Dann traten sie in den kleinen Garten hinaus. Eine wunderschöne grüne Wiese mit einzelnen Stellen, wo beim Rasen mähen noch Blumen stehen geblieben sind. Das Grundstück war umrandet von Tannen und Gebüschen und Samira war sich sicher, bereits einen Schattenplatz für morgen gefunden zu haben. Es gab hier einige kleine Tische mit Stühlen und mehrere grosse Festbänke. Auf der linken Seite stand ein grosser Grill, der noch in Betrieb war. Daneben gab es auf einem Tisch diverse Salate und Brote. „Kommen Sie, Fräulein Samira“. Ida nahm sie bei der Hand und zog sie zum Grill. Samira musste sich beherrschen, dass ihr nicht gleich der Sabber aus dem Mund tropfte, denn es sah alles so lecker aus und ihr Bauch begann auf Kommando laut zu knurren. „Da hat aber jemand Hunger“, hörte sie eine männliche Stimme hinter dem Grill. „Und wie“. Samira entschied sich für eine grosse Berner Wurst und ein saftiges Stück Fleisch. Zudem füllte sie sich den restlichen Platz auf dem Teller mit Salat, schnappte sich ein Stück Brot und setzte sich an einen der Festbänke. „Ist der Platz noch frei?“, fragte sie artig und verstand nicht, warum alle lachten. „Nicht fragen, einfach hinsetzen“, bekam sie zur Antwort. „Sie sind bestimmt aus der Stadt?“ wurde sie gefragt und war sofort in ein Gespräch verwickelt worden. Sie hatte ein Glücksgefühl in ihrem Herzen, wie schon lange nicht mehr. „Darf ich dir was zu trinken holen?“ Moment, die Stimme kam ihr bekannt vor. Ah ja genau, der Herr vom Grill. „Ja gerne, ich nehme ein…“ Sie blickte von ihrem Teller hoch, „ein ähm wow….“.

Der Mann, der da vor ihr stand, war in ihrem Alter, muskulös und atemberaubend. Seine ein wenig verwuschelten braunen Haare, die rehbrauen Augen, der verwegene 3-Tage-Bart, sein lockerer Holzfäller-Style, Samira war völlig von den Socken. Gab es eigentlich so was wie Liebe auf den ersten Blick? Bis jetzt war ihr das noch nie passiert. Im Gegenteil. Meistens zogen sich ihre Bekanntschaften und Rendezvous Ewigkeiten hin bis sich dann vielleicht schlussendlich mal eine Beziehung daraus ergab. Es gab immer irgendwas, was ihr nicht passte. Mal war sie sich optisch nicht ganz sicher, dann charakterlich. Oder dann wusste sie nicht, ob sie wirklich eine Beziehung wollte oder doch nicht. Ja, sie war ein schwieriger Kandidat. Jana meinte immer wieder, dass sie viel zu wählerisch sei und vielleicht hatte sie da nicht ganz Unrecht. Aber schlussendlich wollte sie ja die grosse Liebe und nicht eine lauwarme Wischiwaschi-Beziehung. Bis jetzt war ihr das nur leider noch nie passiert. Sie liebte es am Sonntagabend diese Liebesschnulzen im Fernsehen zu schauen und wünschte sich so sehr, dass bei ihr auch einfach so mal der Blitz einschlagen würde. Aber so was passierte doch im richtigen Leben nicht. Oder? „Erde an Miss Unbekannt. Bist du noch wach?“ Samira spürte wie sich ihr ganzes Gesicht rot verfärbte. „Äh ja, ich nehme einen Sex on the beach, bitte“, stammelte sie nun. Er grinste ihr frech ins Gesicht. „Das haben wir nicht. Ich könnte dir höchstens Sex im Heustock oder Sex hinter dem Haus anbieten oder ganz ordinär Sex im Bett“. Die Gruppe am Tisch lachte und sie wäre am liebsten im Boden versunken. „Willst du eine Cola? Ich müsste sie dir aber ohne Eis und Zitrone und ohne Partyschirmchen servieren“, plapperte er fröhlich weiter. Samira war nun völlig verunsichert. „Ja, gerne“, flüsterte sie fast lautlos. Ihr Traummann und Vater ihrer zukünftiger Kinder zog wieder von dannen. „Das war übrigens Yanick. Sohn des Hauses. Nimm den bloss nicht zu ernst“, sagte die Frau, die neben ihr sass und stupfte sie mit dem Arm in die Seite. Samira war dankbar über diese Bemerkung, denn ihr Selbstbewusstsein hatte gerade einen kleinen Knacks bekommen. Sie musste an Loris denken, der ihr immer wieder mal vorgeworfen hatte, wie peinlich sie sei. Ihre Art zu lachen, wenn sie einen Witz nicht verstand, dass ihr manchmal in heissen Sommernächten die Tränen kommen, wenn sie nicht schlafen konnte oder dass sie es einfach nicht schaffte das Auto gerade in einen Parkplatz zu stellen. Sie parkte immer leicht schräg. Mal nach links, mal nach rechts. „Wie lange fährst du jetzt schon Auto?“, hatte er des Öfteren kopfschüttelnd gefragt. Sie fand das nicht fair. Vor allen Dingen, weil er selber noch nicht mal den Führerschein gemacht hatte. Wäre er hier am Tisch gesessen, während dem sie den Sex on the beach bestellt hatte, hätte er sie danach sicher wieder runtergemacht. Wie kann man nur so blöd sein und an so einem Ort einen solchen Cocktail bestellen?

Sie schob sich gerade einen Bissen in den Mund, als sich jemand neben sie setzte. „Bitteschön“. Es war Yanick, der ihr eine Cola hinstellte. „Und den gibt es gratis dazu“. Er legte ihr einen Lebkuchen hin und setzte ein Zahnpastalächeln auf. Da war er. Der Blitz, auf den sie schon so lange gewartet hatte. Er hatte voll eingeschlagen. „Es ist ein Berner Honiglebkuchen“, erklärte er, während dem sie noch überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie nicht so gerne Lebkuchen ass. Sie sagte nichts. Immer im Hinterkopf, dass sie sicher wieder was Falsches sagen würde, also besser die Klappe halten. „Danke“. Aus Anstand biss sie, nachdem sie fertig gegessen hatte, in den Lebkuchen. Dieser war erstaunlicherweise sehr lecker. „Mmmm fein“, rutschte es aus ihr raus. „Wir haben übrigens auch alkoholische Getränke, also Bier, Wein und jede Menge Schnaps. Wie heisst du überhaupt?“ Er strahlte sie noch immer an. „Samira“. „Ich bin der Yanick und ich hol mir mal ein Bier. Nimmst du auch eines?“ Sie war eigentlich keine Biertrinkerin aber hier in den Bergen passte es irgendwie. „Gerne“. Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Es konnte doch einfach nicht wahr sein. Endlich war ihr der Traumprinz begegnet und sie brachte nicht mehr als ein Wort aufs Mal raus. Sie konzentrierte sich darauf, Loris‘ Stimme aus dem Hinterkopf zu verbannen und als Yanick sich wieder zu ihr setzte und ihr ein Bier in die Hand drückte hob sie dieses in die Höhe und sagte: „Auf die Bergluft“. „Auf die…was?“, kicherte Yanick. „Auf die Bergluft“, wiederholte Samira ein wenig lauter und ein paar Leute an ihrem Tisch erhoben ebenfalls die Gläser oder Flaschen und riefen im Chor: „Auf die Bergluft“.

Ein paar Biere später war Samira schon ein bisschen lockerer drauf und vergass ihre Unsicherheiten und ihr Selbstbewusstsein war auf dem durchschnittlichen Level angelangt. Sie war gerade dabei Yanick zu erzählen, dass sie in Zürich lebte und der Hitze entkommen wollte. „Du kannst dir das ja überhaupt gar nicht vorstellen, wie heiss es in meiner Wohnung ist und egal was man macht, es kühlt nicht ab“. Sie atmete einmal ganz tief durch. „Aber jetzt bin ich ja hier und konnte endlich ein bisschen runterfahren“. Sie lächelte Yanick glücklich an. „Runterfahren? Reicht dir das denn schon als Abkühlung, wie es jetzt gerade ist?“ Er blickte ihr keck ins Gesicht. „Warum? Meinst du, es wird morgen Abend noch kühler?“ „Das wohl nicht aber wenn ICH mich mal so richtig abkühlen möchte, ich wüsste schon, was ich dann machen würde“. Er blickte sie frech und verschwörerisch an und sie fühlte von Kopf bis Fuss einen wohligen Schauer. Nach einem kurzen Moment der Stille fragte sie: „Und wie? Was machst du um dich abzukühlen?“ „Es gibt hier in der Nähe einen kleinen Bergsee. Eigentlich ist es ein Moorsee mit einigen Metern Tiefe, wodurch er auch im Sommer eher kühle Temperaturen hat. Es gibt nichts Schöneres als an einem Samstagmorgen in aller Frühe eine Runde in dem See zu baden. Wenn man dann nicht abkühlt, weiss ich also auch nicht“. „Wie warm oder kalt ist denn dieser See?“ „Ach, so was zwischen 10-15 Grad würde ich sagen. Am Morgen wohl so um die 12 Grad oder so?“ „Und wie früh am Morgen schwimmst du denn da so?“ „Weiss nicht, meistens so um fünf oder sechs Uhr“. Samira nahm einen Schluck Bier und dachte nach. Wer um Himmels Willen stand freiwillig an einem Samstagmorgen so früh auf? Oder veräppelte er sie wieder? War das wieder einer dieser Momente, wo sie nicht merkte, dass man sie an der Nase rumführte? Loris würde bestimmt schon wieder den Kopf schütteln. „Und? Wie sieht es aus?“, Yanick stupfte sie mit dem Arm und holte sie aus ihren Träumen zurück. „Wie sieht was aus?“ „Kommst du morgen mit? Treffpunkt fünf Uhr hier vor dem Eingang?“ Er wollte also tatsächlich mit ihr in diesem Moorsee baden gehen? Und das in aller Herrgottsfrühe? Sie war ja wohl nicht wahnsinnig. Andererseits, eine bessere Möglichkeit abzukühlen gab es bestimmt nicht. Und natürlich wollte sie Zeit mit ihm verbringen, aber fünf Uhr morgens? „OK. Sagen wir Treffpunkt sechs Uhr vor dem Eingang“, versuchte sie ihn runterzuhandeln. „Letztes Angebot: 5.30 Uhr…zum ersten, zum zweiten, zum dritten“. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Verkauft an die hübsche Dame aus Zürich“. Samira lachte und ihr Herz schlug bis zum Hals. Er fand sie hübsch? Obwohl sie hier völlig verschwitzt, in ihrem Wohlfühlpullover, mit den Schminküberresten des Tages, ungekämmt und abgekämpft dasass? Loris war immer der Meinung, dass sie sich mehr schminken müsste und viel stylischer anziehen sollte. Ihre natürliche Art gefiel ihm eigentlich gar nicht. Sie versuchte sich oft für ihn zu verstellen. Manchmal kaufte sie Kleider, die ihm bestimmt gefielen und sie schminkte sich so stark, dass er es sicher schön fand. Oftmals stand sie völlig verzweifelt in irgendeinem Geschäft, weil sie genau die Kleidungsstücke nicht fand, die er ihr beschrieben hatte und von denen er fand, dass sie diese doch so unbedingt mal anziehen sollte. Manchmal war sie den Tränen nahe und sich überhaupt nicht bewusst, wie sehr sie sich selbst für ihn aufgegeben hatte. Und jetzt sass sie da. Einfach so, wie sie war und hatte gerade ein simples Kompliment bekommen, dass in ihr eine richtige Hitze auslöste. ‚Ich wollte mich doch abkühlen‘, dachte sie. Während Yanick nochmals kurz zum Grill zurückging, nahm sie ihr Handy aus der Hosentasche und schrieb Jana eine SMS:

Bin in den Bergen am abkühlen…und habe den Mann meines Lebens kennengelernt. <3 Mehr wenn ich zurück bin. Guk. Samira. PS: Willst du meine Trauzeugin sein? ;-)

Janas Antwort kam umgehend:

Ich glaube, du hast zu viel Hitze abgekriegt. Kühl mal schön ab und melde dich dann wieder.

Samira blickte schmunzelnd aufs Display und sagte leise: „Und genau das habe ich vor“. Yanick kam an den Tisch zurück und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Zeit für die Heia“. „Für die was?“ „Ab ins Bett“, sagte er dann etwas lauter, „schliesslich müssen wir morgen früh raus“. „OK, ok, ich geh ja schon“, Samira erhob sich lachend und ging zum Tannenhof zurück, als sie Yanick noch rufen hörte: „Schlaf gut und träum was Schönes“.

Lächelnd ging sie die Treppe hoch und öffnete die Türe zu ihrem Zimmer. Sie tänzelte quer durch den ganzen Raum. Vergessen war die Hitze, vergessen war ihre Unsicherheit, vergessen ihr Leben in Zürich. Sie war gerade im Hier und Jetzt sehr glücklich. Sie legte sich die Badehosen und das Badetuch für den nächsten Morgen bereit. Zum Glück hatte sie die Sachen eingepackt. Dann machte sie sich bettfertig und als sie dann so da lag, konnte sie vor lauter Glück nicht gleich einschlafen. In Gedanken stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn sie immer hier leben würde. Gemeinsam mit Yanick. Da fiel ihr auf, dass sie ihn noch gar nicht gefragt hatte, was er arbeitete. Bestimmt etwas Handwerkliches. Vielleicht war er Schreiner oder Zimmermann. Oder er arbeitete als Holzfäller. Oder Bauer? Hm, und was könnte sie hier denn arbeiten? Es sah nicht so aus, als ob es in diesem Kaff viele Bürojobs gab. Gut, sie könnte sich bestimmt etwas in dem nächsten grösseren Ort suchen. Oder sie blieb dann halt einfach zu Hause mit den Kindern, die sie bestimmt noch bekommen werden. Ob sie mit seinem Schreinergehalt überhaupt durchkommen würden? Gut, hier brauchte man ja nicht viel, es würde schon irgendwie gehen. Und wenn er doch Bauer war? Könnte sie es sich tatsächlich vorstellen auf einem Bauernhof mitzuarbeiten? Während dem sie sich die unterschiedlichen Zukunftsvisionen durch den Kopf gehen liess, schlief sie dann doch irgendwann ein.

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