Читать книгу Arschbombenalarm - Lisa Sturm - Страница 8
Kapitel 6
ОглавлениеMissmutig machte sich Samira auf den Weg zur Arbeit. Im Tram war es bereits am Morgen schon wieder ziemlich heiss und wie immer waren viel zu viele Leute unterwegs. Es war ein Gedränge und ein Gedrücke. Von ihrem Hochgefühl, das sie am Wochenende noch gespürt hatte, war nichts mehr übrig. Es wurde auch nicht besser, als das Tram über längere Zeit still stand. Die anderen Leute begannen zu fluchen und zu schimpfen. Nach einiger Wartezeit gab es dann eine Durchsage, dass das Tram nicht weiterfahren konnte, da die Strasse aufgrund eines schweren Autounfalls gesperrt worden war. Es gab Ersatzbusse, die auch schon bereitstanden. Samira ging im Sog der fluchenden Leute in Richtung der Busse. Auch dort musste sie sich zuerst einen Platz erkämpfen. Der Mann, der gleich neben ihr stand, stank übel nach Alkohol. Und das so früh am Morgen. Also wirklich. Samira rümpfte die Nase und wünschte sich nach Guttannen zurück, wo die Welt noch in Ordnung war. Sie dachte an Yanick. An seine starken Arme, seinen Duft und seine Küsse. Warum meldete er sich denn bloss nicht?
Dadurch dass sie mit dem Einsatzbus fahren musste, kam sie erst um 8.07 Uhr im Büro an. Sie startete ihren Computer und richtete ihren Arbeitsplatz ein. Schnell ein Blick aufs Handy. Leider nichts. „Aha, sind Sie doch noch gekommen“, hörte sie ihren Chef schimpfen. „Ja, es gab einen schweren Verkehrsunfall und das Tram konnte leider nicht weiter fahren….“. „Sie wissen genau, dass Ihr Arbeitstag um 8.00 Uhr beginnt. Den Verkehr müssen Sie halt einberechnen. Kommen Sie morgen bitte pünktlich“. Er dreht sich um und ging zügig davon. Samira kochte innerlich. Was fällt diesem Arsch überhaupt ein? Sie arbeitete bereits über sieben Jahre für ihn und war jeden Tag pünktlich bei der Arbeit erschienen. Nach so langer Zeit kommt sie einmal ein paar Minuten später und muss sich so was anhören? Dabei konnte sie nicht einmal etwas dafür. Ihre Laune wurde von Minute zu Minute schlechter. Und leider wurde diese bei ihren regelmässigen Blicken aufs Handy auch nicht besser.
Nach der Mittagspause packte sie ihr Handy in die Tasche und nahm sich vor, erst am Feierabend wieder darauf zu schauen. Bis dann hatte sich Yanick bestimmt gemeldet und so hatte sie etwas, auf das sie sich freuen konnte. Als sie am Nachmittag noch eine Besprechung mit ihrem Chef hatte, musste sie feststellen, dass dieser noch schlechter gelaunt war als sie selbst. Sie hatte ihm eine Liste vorgelegt mit Daten, die sie in mühseliger Arbeit zusammengestellt hatte. „Ja aber, die Daten sind ja total falsch“, schrie er schon wieder ausser sich. „Nein, sind sie nicht“. Langsam hatte sie die Nase voll davon, dass er seine schlechte Laune immer an ihr ausliess. „Hier, zum Beispiel das erste Datum, das ist ja schon lange gewesen“. Tatsächlich, beim Kopieren des Datensatzes war ihr wohl ein Fehler unterlaufen. „Ah ja genau. Ich hatte das rüber kopiert, weil wir ja diesen Termin verschoben hatten und habe das Datum noch nicht angepasst aber ansonsten ist die Liste….“ „Absoluter Müll“. Wütend machte er einen Strich quer über das ganze Blatt. „Machen Sie das neu. Ich will alle Daten drauf haben und zwar richtig“. Ich will, ich will, ich will. Kannte er eigentlich auch noch etwas anderes? Nur weil ihr ein minimaler Fehler unterlaufen war, war doch nicht alles Müll. Wieder zurück an ihrem Platz war sie so schlecht gelaunt, dass sie anstatt zu arbeiten wütend das Internet öffnete und die Neuigkeiten des Tages las. Da stand auch etwas über den Unfall von heute Morgen. Dabei war tatsächlich eine Frau ums Leben gekommen. Sie war in ihrem Auto eingeklemmt und konnte kaum geborgen werden. Wie tragisch. Plötzlich kam ihr ein schlimmer Gedanke. Was, wenn Yanick etwas passiert war? Was, wenn er sich nicht meldete, weil er einen Unfall hatte? Ob sie mal mit unterdrückter Telefonnummer im Tannenhof anrufen sollte um zu schauen, ob er noch lebte? Sie schüttelte den Kopf über sich selber und konnte den Feierabend kaum mehr erwarten. Dann konnte sie endlich Jana ihr Herz ausschütten. Punkt 16.58 begann sie ihren Platz aufzuräumen, damit sie um 17.00 Uhr gehen konnte. Keine Sekunde länger wollte sie die schlechte Laune ihres Chefs ertragen. Mit dem Tram machte sie sich auf den Weg ins Julios. Wieder quer durch die Stadt, in der Hitze, mit den vielen stinkenden Leuten.
Als sie ein wenig später im Julios angekommen war und ihren Apérol Sprizz vor sich stehen hatte, fühlte sie sich endlich ein wenig besser. Sie hatte es auch tatsächlich geschafft, bis jetzt noch nicht auf ihr Handy zu gucken und zog dieses nun neugierig aus der Tasche. Nichts. Keine Meldung. Kein Anruf. Gar nichts. „Verdammte scheisse nochmal“, fluchte Samira leise vor sich hin. „Na, na. Was sind denn das für Worte?“, lachend stand Jana vor ihr, nahm sie in den Arm und gab ihr zur Begrüssung ein Küsschen auf den Mund. „Ich hatte einen richtig schlechten Tag“, gab Samira zur Antwort. „Ich kann mir auch schon denken um was es geht. Krisensitzung und so. Lass mich raten, du hast dich wieder einmal über deinen Chef geärgert“. Glücklich nahm Jana ihren Apérol Sprizz in Empfang und stiess mit Samira an. „Ja, schon aber deswegen brauche ich keine Krisensitzung“. „Sondern?“ „Es geht um Yanick“. „Ah, dein Ferienflirt?“ „Er ist kein Ferienflirt. Das habe ich dir doch schon erklärt. Er ist jetzt mein Freund“. Verblüfft schaute Jana sie an und suchte nach Worten. „Äh, dein Freund? Und warum erzählst du mir das jetzt so, als ob das etwas Schlechtes wäre? Ja OK, ich habe gesagt, dass es nichts Ernsthaftes werden kann aber irgendwas sagt mir, das ist nicht der Grund, warum du so ein Gesicht ziehst?“ „Er ist wirklich mein Freund und wir sind beide sehr verliebt aber…ich habe ihm gestern noch eine Nachricht geschickt und…na ja, er antwortet einfach nicht“. Samira hätte in dem Moment am liebsten geweint aber schaffte es gerade noch so, sich zusammenzureissen. „Was hast du ihm denn geschrieben?“ Samira zog ihr Handy raus und zeigte es ihr:
Bin gut zu Hause angekommen. Vermisse dich jetzt schon. Dicker Kuss. Deine Samira.
Jana schüttelte erstaunt den Kopf. „Äh und was soll er jetzt bitteschön darauf antworten?“ „Ja was wohl? Dass er mich auch vermisst und irgendwas halt“. Samira zog einen Schmollmund. „Süsse, er ist ein Mann. Männer haben es nicht so mit Nachrichten schreiben. Wenn du keine Frage stellst, bekommst du auch keine Antwort. Das ist bei Stefan auch immer so. Auf meine Mails oder SMS antwortet er nur, wenn konkret eine Frage drin steht. Männer sind so. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten. Wie seid ihr denn verblieben so von wegen wiedersehen?“ „Na, wir haben ausgemacht, dass ich am Freitag gleich nach der Arbeit wieder zu ihm fahre und wir dann das ganze Wochenende zusammen verbringen“. „Na also. Es würde mich nicht überraschen, wenn er sich bis dahin nicht meldet. Wieso auch? Ihr habt euer nächstes Treffen schon ausgemacht und wie gesagt, Männer haben es nicht so mit, in ihren Augen, unnötigen Nachrichten schreiben“. Samira fiel gerade ein riesengrosser Stein vom Herzen und sie nahm einen zügigen Schluck von ihrem Drink. Die Welt war also doch noch in Ordnung. Gottseidank. Jana schmunzelte. „Ich erinnere mich gerade an die Zeit, als ich noch Dates hatte. Mein Gott, Männer können so kompliziert sein. Beziehungsweise, sie sind einfach anders gestrickt als wir Frauen. Du sitzt hier und trauerst vor dich hin, weil er sich nicht meldet, während dem er wahrscheinlich den ganzen Tag über lächelnd vor sich her strahlt und sein Glück geniesst“. „Und ich dachte schon, er will vielleicht doch nichts von mir“, gab Samira kleinlaut zu. „Da hat er doch überhaupt keinen Grund dazu“, Jana nahm einen lauten schlürfenden Schluck aus ihrem Glas und fügte dann hinzu: „es sei denn natürlich, ihr hättet zusammen geschlafen. Dann ist natürlich klar, dass er sich nicht mehr meldet“. Samira, verschluckte sich an ihrem Drink und begann verzweifelt zu husten. Ihr Kopf lief tomatenrot an. „Samira?“, schrie Jana ganz aufgebracht, „sag mir jetzt bitte nicht, dass du mit ihm geschlafen hast?“ Die Leute an den Tischen nebenan schauten amüsiert herüber. „Schrei doch noch ein wenig lauter. Der urhässliche Mann mit der gelben Krawatte in der Ecke hat dich noch nicht gehört. Natürlich habe ich NICHT mit ihm geschlafen“, schrie Samira so laut, dass man sie im ganzen Lokal hören konnte und der Herr mit der Krawatte überrascht aufblickte. Jetzt mussten sie beide lachen. „Na gottseidank. Du wärst auch ziemlich bescheuert ihm gleich am ersten Tag alles zu geben. Aber jetzt erzähl mal wie das genau gelaufen ist. Wie gesagt, ich will jedes Detail wissen“. Samira erzählte ihr die ganze Geschichte. Jedes noch so kleine Detail. Bis auf eines natürlich. Eine innere Stimme sagte ihr, dass es besser war, nichts von dem Weltklassesex zu erzählen. Jana war schon so lange mit ihrem Stefan zusammen. Sie hatte doch keine Ahnung, wie das heutzutage abläuft.
„Hast du von dem Unfall heute gehört?“, fragte Samira ein paar Aperol Sprizz später. „Ja, habe ich gelesen. Tragisch“. „Und wenn Yanick etwas passiert ist? Ich glaube, ich schreibe ihm später nochmals, bevor ich schlafen gehe. Einfach damit ich weiss, dass es ihm gut geht“. „Samira, das machst du natürlich nicht. Männer, die nicht gerne Nachrichten schreiben, wollen auch nicht damit überhäuft werden. Lass ihm Zeit und nimm ihm nicht die Luft zum Atmen. Und Samira, du kennst meine Meinung. Ich glaube, dass er dich wieder sehen möchte und ich kann mir auch vorstellen, dass er verliebt in dich ist aber eine Zukunft hat diese Liebe nicht. Wenn du den Sommer mit ihm geniessen willst, ok. Aber heul dich nachher nicht bei mir aus, wenn du zu viele Gefühle investiert hast“. „Das wird nicht passieren“, Samira hatte ihren Drink fertig geschlürft und sie machten sich langsam auf den Nachhauseweg.