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2. Kapitel - Flucht aus Eritrea

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Seit 1991 waren Sanira und Peter glücklich verheiratet. Kurz nach der Hochzeit war Sanira schwanger geworden. So konnte sie nicht am Militärdienst teilnehmen. Eine weiterführende Ausbildung war ihr dadurch untersagt. Diese wurde nur unter militärischer Leitung erteilt. Esmeralda, ihre Tochter, war mittlerweile zehn Jahre alt geworden und glich in vielen Dingen ihrer Mutter Sanira. Sie war wie sie, schlank und graziös. Ihre Teint war nicht so dunkel, wie der ihrer Mutter, eher olivfarben. Auch ihre glänzenden schwarzen Haare waren nicht kraus. Sanfte Wellen reichten bis zu ihren Hüften. In einem unterschied sie sich jedoch gravierend von ihrer Mutter: Es waren ihre Augen. Sie waren smaragdgrün und leuchteten wie Diamanten. Deshalb bekam sie den Namen Esmeralda. Sie war der Stolz der ganzen Familie. Drei Jahre später kam Jonas zur Welt. Jonas war sehr aufgeweckt und überneugierig. Stets hielt er die ganze Familie mit seinen überraschenden Taten auf Trab. Sein Teint war etwas heller, als der von Esmeralda. Er hatte hellbraunes Haar und die blauen Augen von Peter geerbt. Die kleine Familie lebte gut, bedingt durch die Vorzüge der Position des Onkels. Peter hielt sich an die Anweisungen seines Freundes und gab nur belanglose Informationen an seine Dienststelle in Köln weiter, obwohl er mehrfach aufgefordert wurde, ausführlicher über die einseitig eingesetzte Macht des Diktators und über die Militärregierung zu berichten. Für Jonas war schon in seiner Kindheit klar, da nur von den Heldentaten der Rebellen während des Krieges berichtet wurde, dass er bald auch ein großer Held in der Armee seines Landes werden wollte. Spielerisch wurden Kinder in ihrer Ausbildung gefördert. Die Regierung legte sehr großen Wert auf elementare Ausbildung. Seine Abenteuerlust hatte er von seinem Vater geerbt. Neugierig auf alles, war er oft, ohne Erlaubnis seiner Mutter, auf den Straßen unterwegs. Selten kam er pünktlich nach der Schule nach Hause, da er während seiner Streifzüge durch die Stadt einfach die Zeit vergessen hatte. Er freute sich auf das College, wo er dann ganztags in der Schule bleiben konnte, ohne strenge Aufsicht seiner besorgten Mutter. Einige Universitäten waren wegen Studentenprotesten geschlossen worden. Stattdessen wurden “Colleges” aufgebaut, die dem Militär unterstanden. Nur im Militärdienst war es möglich, eine Ausbildung zu erwerben. Jonas war schon als Siebenjähriger in der ersten Schulklasse sehr fleißig und ehrgeizig. Mehr, als seine Schwester. Sie blieb lieber in der Obhut ihrer Mutter. Genau wie ihre Mutter hasste sie Gewalt und Krieg. Da sie noch keine achtzehn war, war sie von den militärischen Erziehungsmethoden noch verschont.

In den Jahren hatte sich der “Ein-Mann-Staat” zu einem Regime entwickelt, in dem kein Widerspruch gegen Isaias geduldet wurde. Es fehlte eine Verfassung, die Gründung von Oppositionsparteien und freie Wahlen. Dies war schon nach der Unabhängigkeit dem Volk von den Waffenbrüdern versprochen worden. Masuf, Tareq und dreizehn andere ranghohe Politiker und Militärs schrieben mit zehn Journalisten, darunter auch Peter, 2001 einen offenen Brief an den Diktator mit ihren Forderungen nach Reformen. Sie nannten sich “Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ). Isaias wartete unschlüssig zwei Monate, bis er auf seine Weise reagierte ...

„Peter, du und deine Familie müssen ausreisen. Wir sind alle in großer Gefahr”, mahnte Masuf.

„Ja, ich habe schon gehört. Einige meiner Kollegen sind ohne Begründung verhaftet worden. Und du? Bist du auch in Gefahr?”. „Isaias wird es nicht wagen, seine eigenen Gefolgsleute, wie mich und andere Waffenbrüder, zu verhaften. Aber du und deine Familie müssen aus dem Land. Sie haben schon einige von euch Journalisten verschleppt und niemand weiß, wohin sie gebracht worden sind.” Dieses Mal musste Masuf mit Peter über politische Angelegenheiten sprechen. Nun ging es um Leben oder Tod. Für alle Beteiligten. Peter machte Sanira klar, dass sie so schnell es ging aus dem Land flüchten mussten. Viele Menschen der eritreischen Bevölkerung dachten dasselbe. Zu Tausenden flohen sie vor der Diktatur ihres Landes. Entweder über das Mittelmeer, welches lebensgefährlich sein konnte, wenn das Boot und der Kapitän den Gefahren des launischen Meeres nicht gewachsen waren, oder über den ebenso sehr gefährlichen Landweg. Peter wollte über Land von Eritrea über den Sinai flüchten. Deshalb ein gefährlicher Weg, da viele flüchtige Menschen in sudanesischen Lagern landeten, aus denen sie von ägyptischen Menschenhändlern verschleppt wurden. Für diese “Opfer” wurden Lösegelder, meistens durch Folter, von den Angehörigen erpresst. Wer kein Geld einbrachte, starb vor den anderen Mitgefangenen an den schrecklichen Foltermethoden. Das wollte Peter seiner Familie ersparen. Selbst Kinder und Frauen wurden bestialisch malträtiert. Die Möglichkeit über den Seeweg nach Europa zu kommen erschien ihm für seine Familie die bessere Lösung zu sein. Außer den natürlichen Gewalten des Meeres bestand die Gefahr darin, dass professionelle Schlepper auf altersschwachen Kähnen zu viele Bootsflüchtlinge über das Mittelmeer in Richtung Italien schipperten. Für manche schon ein Todesurteil, wenn sie nicht das Glück hatten auf das richtige Boot mit einigermaßen gutem Wetter zu kommen. Auch wenn am Zielort “Lampedusa” den Flüchtlingen Schwierigkeiten für die Aufnahme nach Europa gemacht wurden, nahmen tausende von Menschen dies auf sich. Doch Peter war deutscher Staatsbürger. Seine Familie ebenso. So würden Sanira, Jonas und Esmeralda es einfacher bei der Einreise haben, da sie deutsche Familienangehörige hatten, die für sie sorgen würden. Sämtliche Einreisepapiere für die Flucht hatte er über Freunde in Dschibuti besorgt. So entgingen wenigstens sie den Gefahren, den grausamen ägyptischen Entführern in die Hände fallen zu können, die keine Gnade kannten. Um sich selbst machte sich Peter keine großen Sorgen. Er hatte genügend Geld dabei, um sich im schlimmsten Falle selbst auslösen zu können, falls man ihn schnappen würde. „Ich will ohne dich nicht gehen. Selbst wenn wir heil in Deutschland ankommen, kennen wir dein Land nicht. Die Kinder fühlen sich hier wohl und wollen bestimmt nicht weg von hier. Jonas, Esmeralda und ich wären ohne dich in Deutschland fremd und hilflos.” „Liebling, ich komme doch auch zu euch. Mein Weg dauert etwas länger, als euer Weg über das Meer. Gleich nach deiner Ankunft in Lampedusa verlangst du nach meiner Familie in Köln. Meine Eltern sind informiert und freuen sich auf euch. Ihr seid willkommen. Eure notwendigen Papiere nähen wir in deinen Rocksaum ein. Ich habe mir von Masuf fünftausend Dollar geliehen. Die nähen wir auch in den Rocksaum. Dreitausend zahlst du vor der Überfahrt an den Kapitän, den Rest behältst du als Reserve. Passe auf, dass dir keiner den Rock stiehlt. Um mich mache dir keine Sorgen. „Warum schickst du uns ohne dich auf diesen Weg?“ Auf das Boot kann ich mit euch zusammen nicht gehen. Isaias sucht mich bereits, und gut bezahlte Spione warten auf mich an den Häfen.”

Außer Peter und Masuf wurden elf der fünfzehn Dissidenten und neun Journalisten, die den öffentlichen Brief veröffentlicht hatten, am darauf folgenden Tag verhaftet. Dreizehn Männer wurden exekutiert oder verschleppt. Was mit den anderen Männern geschah, blieb unentdeckt. Leider war dieses Verbrechen im Schatten der Terroranschläge 2001 von Amerika in der restlichen Welt unbeachtet gewesen.

So machten sich Peter und sein Freund Jim in der gleichen Nacht auf den Fuß-Marsch nach Sinai. Auch Sanira und die Kinder flohen zeitgleich, begleitet von ihrer liebgewonnen Freundin Layla. Ein Schutzbeauftragter Masufs fuhr die Familie in einem Jeep der eritreischen Armee an die Küste des westlichen Mittelmeeres nach Libyen. Viele Kilometer Fahrt auf holprigen staubigen, oft nicht ausgebauten Straßen, lagen vor ihnen. Sicherheitshalber schickte Masuf auch Layla, zusammen mit Sanira, Jonas und Esmeralda nach Lampedusa. Denn auch sie war in Gefahr, falls Isaias sich doch noch von Masuf entledigen wollte. Noch war Masuf frei, doch keiner wusste wie lange Isaias noch zögern würde. Noch zögerte er seinen Vertrauten wegen Verrat am Vaterland zu verhaften. Und Masuf vertraute weiter auf dessen Einsicht und auf die Freundschaft zu seinem Mitkämpfer und Gönner. Nach vielen langen unbequemen Stunden, spät in der Nacht, erreichte die kleine Gruppe über den Sudan den Hafen von Tobruk. Hier warteten nervöse Schlepper auf die ausreisebereiten und gut zahlenden Flüchtlinge. Zuvor hatte Peter von Dschibuti aus seine Familie in Tobruk avisiert und einen Teilbetrag von zweitausend Dollar über das Telegrafenamt an die Schlepper bezahlt. Die restlichen dreitausend Dollar sollte Sanira am Morgen bei Reiseantritt direkt an den Kapitän des Schiffes übergeben. Im Morgengrauen sollte die Überfahrt in ein neues Leben beginnen. Die Frauen wuschen am Strand von Tobruk, in der seichten Brandung des Meeres, den Staub und Schmutz von ihren Kleidern ab. Sanira war vorsichtig, dass ihr verborgenen Schatz im Rocksaum nicht nass werden würde. Währenddessen schaute sich Jonas in der fremden Umgebung um. Für einen unerfahrenen Siebenjährigen war er in dieser fremden Welt noch viel zu naiv und viel zu abenteuerlustig. „Jonas bleib in unserer Nähe! Wir werden im Jeep gleich etwas essen und trinken”, rief Layla mahnend. Jonas drehte sich um und winkte im Mondschein den Frauen zu. Eigentlich wollte er in der Nähe der Frauen bleiben, doch je weiter er sich von ihnen entfernte, desto interessanter erschien ihm die fremdartige neue Umgebung. Es lockten ihn menschliche Stimmen durch die Dunkelheit. Einige schienen laut zu diskutieren und andere murmelten vor sich hin. Nach weiteren Schritten erblickte er eine schummrig beleuchtete Baracke, eine Bar mit einem rot beleuchteten Schild über der Tür. Trotzdem er schon fleißig die englische Sprache lernte, verstand er nicht, was auf dem Schild geschrieben war. Neben der Bar befand sich ein offener Schuppen. Er hörte Stimmen. Junge männliche Stimmen, die ihn aus dem Inneren des Schuppens erreichten. „Das müssen wohl Jungens sein”, dachte er erfreut. „Vielleicht können sie mir etwas über dieses unbekannte Land erzählen. Vielleicht kommen sie morgen früh mit uns aufs Schiff?” Erwartungsvoll, mit klopfendem Herzen, schlich er sich leise in den Schuppen, nahe an die Gruppe der Jugendlichen heran. Dann stolperte er über ein am Boden liegendes Holz. Die Jungen, die gerade amüsiert ihren Joint rauchten, erschraken über dieses Geräusch. Dann bemerkten sie Jonas und redeten aufgeregt auf ihn ein. Jonas verstand ihre Sprache nicht. Die Jungs wollten etwas von ihm. Sie waren sehr erregt und verunsichert. Ihre Stimmen klangen immer hektischer, ihre Gesten wurden drohender. Hilflos lag Jonas auf dem Lehmboden im Stroh und schaute zu den wild gestikulierenden jungen Männer auf. Dann empfand er die Gefahr, in der er sich befand. Er wollte weglaufen. Doch die Jugendlichen mussten ihn aufhalten, da sie wussten, dass das Verbotene, was sie heimlich taten, durch Jonas entdeckt und verraten werden könnte. Würde ihr Geheimnis entdeckt werden, würden harte Konsequenzen drohen. Entweder das gefürchtete Straflager, wenn sie Glück hätten, oder der Henker auf dem öffentlichen Marktplatz von Tobruk würde mit geschärftem Beil auf sie warten. Der Herrscher Gaddafi ging hart mit Drogenkonsumenten ins Gericht. In seinem Land duldete er keinen Konsum von Alkohol und Drogen. „Mama, ich kann Jonas nicht mehr sehen, wo ist er?”, rief Esmeralda. Aufgeschreckt rannten die Frauen aus dem Wasser und suchten den Strand ab. Sie folgten den Stimmen, die vom Hafen her kamen. Sanira rannte immer schneller. „Jonas muss sich dort aufhalten! Er ist dort”, schrie sie gellend. „Sanira, warte auf uns, wir müssen zusammen bleiben”, rief ihr Layla nach. Gehetzt durch ihren mütterlichen Instinkt und ihrer inneren Panik folgend, rannte Sanira immer schneller. Sie achtete nicht mehr auf Layla und Esmeralda, die ihr in immer größer werdendem Abstand folgten. In der Dunkelheit bewegten sich vor einer Hafenbar menschliche Gestalten. Dann erkannte sie, dass eine Gruppe von Jugendlichen auf etwas am Boden Liegendes traten. Dabei schimpften sie in einer fremden Sprache. Das Mondlicht war zu schwach, um klar das Geschehen erkennen zu können. Die Jungen ließen nicht von ihrem Opfer ab. Zusammengekrümmt lag das Bündel Mensch auf dem Boden. Das Wimmern klang grausam, erst laut und wurde nach jedem weiteren Tritt leiser. Nachdem die Jungen genug von ihren Taten hatten, rannten sie scherzend davon. Nun erkannte sie das Opfer auf dem lehmigen Boden. Aus Leibeskräften schrie sie den Jugendlichen nach, stehen zu bleiben. Gehetzt eilte sie zu dem Opfer. Sie blickte auf ihren unnatürlich gekrümmt liegenden Sohn. Jonas war kaum zu erkennen Es hatte sich eine Kruste von Blut und Schmutz auf seinem Gesicht gebildet. Seine Arme schienen in die verkehrte Richtung zu zeigen. Sie waren gebrochen. Verzweifelt versuchte Sanira ihren Jungen zu beatmen. Immer heftiger blies sie ihren Atem in seine gebrochene Nase. Seine geschwollenen Augen waren geschlossen und Jonas atmete nicht mehr. Mittlerweile waren Esmeralda und Layla nachgekommen. Als sie das Entsetzliche begriffen, versuchten sie Sanira von Jonas wegzuziehen. Doch Sanira ließ nicht von ihm ab. Er war tot. Totgeschlagen von bösartigen, bekifften Jugendlichen, die keine Skrupel hatten, den kleinen Jungen zu töten. Nachdem auch Sanira den Tod ihres Sohnes begriffen hatte, ließ sie von ihm ab und schrie herzzerreißend Jonas Namen in die schwarze Nacht. Entkräftet fiel sie in sich zusammen. Die erschütterte Esmeralda hob ihre schluchzende Mutter vom Boden auf, nahm sie in ihre Arme, um sie dann auf die andere Seite des Tatortes zu drängen. Layla hatte sich noch einmal vergewissert, ob Jonas noch zu helfen war. Tief erschüttert stand sie neben dem Leichnam. Mittlerweile hatte sich eine Traube von schaulustigen Matrosen und betrunkenen Seeleuten am Platz des grausamen Geschehens versammelt. Sie verstummten, als sie das tote Kind auf dem blutgetränkten Lehmboden sahen. Einer von ihnen hob den Leichnam auf und trug ihn behutsam in den Innenraum der Bar. Das Licht war schummrig, doch hell genug, um die Verletzungen des Jungen erkennen zu können. Er war fürchterlich zugerichtet. Einige der Zuschauer drehten sich betroffen ab. Andere erbrachen sich im Raum. „Er ist tot. Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Ist das euer Kind?”, fragte der Barbesitzer in schlechtem Englisch. Auch er war entsetzt, über das, was er sah. Die weinende Layla erklärte die Umstände ihres Hierseins. Sprachlich verstand der Wirt nur die Hälfte. Doch er begriff, dass sich für diese Familie eine Tragödie ereignet hatte. Jedoch musste er schnell handeln. Alle Spuren mussten schnellstens beseitigt werden, um sich selbst und die Flüchtenden zu schützen. Er erklärte, dass die Leiche schnell begraben werden musste, bevor die Hafenpolizei sie finden würde. Denn dann, wenn das Verbrechen aufgedeckt werden würde, könnten sie unmöglich den illegalen Weg in die Freiheit antreten. Sie würden mit Sicherheit nach Eritrea zurückgeschickt werden. Doch Sanira wollte nicht mehr weiter gehen. Mit ihrem Sohn zusammen wollte sie begraben werden. Layla ermahnte sie, an die Zukunft von Esmeralda zu denken. Und daran, welche Konsequenzen es für sie alle hätte, wenn sie als Verräterinnen in ihre Heimat zurückgeschickt werden würden. Die Frauen wussten zu gut, dass sie mit ihrem Tod zu rechnen hatten, denn jeder, der aus Eritrea zu fliehen versuchte und auf der Flucht gefasst wurde, wurde ausnahmslos hingerichtet.

Die trauernden Frauen bestiegen im Morgengrauen das wartende Fischerboot. Vorher kassierte der Kapitän den Rest seines Honorars. Da Sanira nicht dazu imstande war, übernahm dies Layla. Sie überredete Sanira ihren wertvollen Rock Esmeralda zu übergeben. Unzählige Menschen, meistens Männer, standen wartend am Strand, um auf das Schiff aufgenommen zu werden. Ein paar Kleinkinder mit ihren Müttern waren unter ihnen. Verschiedene Sprachen wurden untereinander gesprochen. Sie kamen von Ländern, in denen Krieg und Zerstörung herrschte. Aus Syrien, Afghanistan oder Somalia. Politisch Verfolgte, desertierte Soldaten, oder Menschen, die dem Hunger und dem Elend des eigenen Landes zu entfliehen versuchten. Alle wollten auf das Boot. Zu viele Menschen für ein Boot wagten die lebensgefährliche Passage über das Meer. Esmeralda stütze ihre apathisch wirkende Mutter auf dem Weg ins Boot. Layla blieb dicht hinter ihnen. Deshalb, falls sich Sanira doch noch anders besinnen würde und sie doch noch bleiben wollte und sie es dann verhindern konnte. Sie dachte über die vergangene schreckliche Nacht nach, als einer der Matrosen den kleinen Körper von Jonas, eingewickelt in einer schmutzigen Tischdecke, in das ausgeschaufelte Grab legte und Sanira zu ihrem Jonas in das Grab gesprungen war. „Begrabt mich mit ihm, ich werde bei ihm bleiben”, schrie sie in die Nacht. Zwei Männer hatten Mühe Sanira mit Gewalt aus dem Grab zu holen, bevor sie Jonas mit der Erde bedeckten. Dicht gedrängt saßen die Flüchtlinge auf den Holzbänken, die quer über das Boot genagelt waren. Über den Köpfen war eine Plane gespannt, die aufkommenden Regen abhalten sollte. Als kein Zentimeter zwischen den Passagieren mehr frei war, begab sich der Kapitän und der Schleuser mit gut gefüllten Geldtaschen in die Kapitänskajüte und die Fahrt ging los. Langsam entfernte sich das tuckernde Schiff von Tobruk. Das Meer war ruhig, der Himmel war grau, es wehte ein lauer Wind. Teilnahmslos saß Sanira zwischen Esmeralda und Layla, fest eingeklemmt.

Flucht aus Eritrea

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