Читать книгу Immer weiter - Lloyd Bradley - Страница 10

Оглавление

Als die Bee Gees 1976 mit „You Should Be Dancing“ einen großen Hit landeten, schien es, als ob die Leute dies als wortwörtliche Aufforderung verstanden. Schlagartig kam Leben in die Welt der Popmusik. Disco hieß das Gebot der Stunde, und die Leute wollten nicht nur das Tanzbein schwingen, sondern wünschten sich von der Musik auch mehr Begeisterung, Glitzer und Glamour. Sie verlangten nach unwiderstehlichen Songs, dargeboten von attraktiven Menschen in tollen Kostümen. Die Tanzeinlagen auf der Bühne mussten aufregender sein als alles, was ihnen in der Diskothek geboten wurde. Somit war 1977, als wir gerade Take the Heat off Me hinter uns ließen, um uns auf Love for Sale zu konzentrieren, genau die richtige Zeit für Boney M.

Die Disco-Ära lockerte die Leute auf. Mir kam es so vor, als würde plötzlich jedermann den Hustle tanzen. Ganz Europa sprang heftig auf uns an, weil wir schließlich ganz ihnen gehörten. Damals gab es eine europäische Pop-Industrie mit einem Publikum, das sich nicht ausschließlich auf Amerika oder Großbritannien fokussierte. Obwohl Acts wie Barry White und Candi Stanton auch Hits in Deutschland hatten, akzeptierte sie das Publikum nie als zu ihnen gehörig. Wir hingegen waren Deutsche – da war es ganz egal, dass wir auf drei karibischen Inseln geboren waren. Wir hatten unsere Basis in Deutschland, wurden von einem Deutschen produziert und standen bei einer deutschen Plattenfirma unter Vertrag. Somit handelte es sich bei Boney M. stets um eine deutsche Gruppe. Das spielte in ganz Europa eine wichtige Rolle, die lokalen Radiosender und Musikzeitschriften bevorzugten „heimische“ Acts gegenüber amerikanischen und englischen. Das ist heute leider nicht mehr der Fall, da das Internet dafür sorgt, dass sämtliche Musik global verfügbar ist und jeder ständig Zugang zu allem hat.

Außerdem hatten wir gegenüber den amerikanischen Disco-Acts den Vorteil, dass wir Pop sangen, während viele von ihnen Soul als Zugang zu Disco wählten. Denn ganz egal, wohin Disco sich letztlich bewegte: Angefangen hatte alles mit Soul. Das klingt so, als würde ich es ein bisschen übergenau mit den unterschiedlichen Genres nehmen. Und jeder, der mich kennt, wird bestätigen, dass ich in Bezug auf Musik ein ziemlicher Nerd bin. Aber es gab kleine Unterschiede zwischen dem, was wir bei Boney M. versuchten, und Disco oder Soul der reinen Lehre, und sie spielten eine wichtige Rolle. Es waren subtile Feinheiten, die den Ausschlag gaben, wenn es darum ging, im Radio gespielt zu werden oder die breite Masse für sich zu gewinnen. Das lag daran, dass wir nicht ganz so intensiv klangen wie ein Großteil der amerikanischen Musik. Frank Farian war in erster Linie ein Pop-Produzent und verstand diese Unterscheidungen total. Er positionierte uns nahe genug an Disco, um die Leute bei Laune zu halten und zum Tanzen zu motivieren, aber unser Pop blieb stets viel zugänglicher, weil sich darin so viele vertraute Töne und Klänge widerspiegelten. Wir nutzten den Windschatten von Acts wie Donna Summer oder Giorgio Moroder, die beide von Deutschland aus arbeiteten, sowie Chic und deren Song „Freak Out“. Also verschmolz alles irgendwie mit unserem Pop-Sound, was zur Folge hatte, dass das Mainstream-Publikum und das Radio sich viel wohler mit uns fühlten. Dasselbe galt auch für Abba. Sie fabrizierten Pop, der auch in der Diskothek funktionierte und die Leute zum Tanzen brachte. Aber trotzdem handelte sich dabei um Pop. Außerdem waren sie eine europäische Gruppe, keine Amerikaner oder Briten. Somit hatten sie auf dem europäischen Festland einen Vorsprung. Natürlich schadete es nicht, dass sie eine fantastische Gruppe mit brillanten Songs waren. Aber egal, wer du nun bist: Am Anfang geht es immer darum, dir erst einmal Gehör zu verschaffen.

Dass wir eine schwarze Gruppe waren, wirkte sich auch zu unserem Vorteil aus. Zum einen lag es in der Natur der Unterhaltungsbranche, dass die Leute sofort davon ausgingen, wir würden Musik liefern, zu der man tanzen könne. Doch als sie dann hörten, dass wir drei Frauen Pop sangen, weckte das umgehend ihr Interesse, da es so unerwartet kam – vor allem in Deutschland. Es gab fantastische Gruppen wie The Emotions oder die Three Degrees, aber das waren Soul-Gruppen. Hier aber handelte es sich um drei attraktive, glamouröse schwarze Frauen, die Pop sangen. Sobald die Leute in Deutschland realisierten, dass wir keine Amerikaner und keine Soul-Gruppe waren, sahen sie uns an und dachten sich: „Hmmmm, interessant!“ Und sie wollten gerne noch mehr hören. Außerdem stammten wir ja aus Jamaika, Montserrat und Aruba. Wie hatten wir nun unser Fundament ausgerechnet im Pop gefunden? Das lag eben daran, dass drei von uns in England aufgewachsen waren und der Vierte im Bunde seit seiner frühen Jugend in den Niederlanden gelebt hatte. Sobald die Medien und das Radio mehr über uns herausfanden, wollten sie die ganze Geschichte von Boney M. erfahren.

Als wir erst einmal mit unserer eigenen Musik durchstarteten, war das wie eine Explosion: Bumm! Während „Do You Wanna Bump?“ nur in den Niederlanden ein Hit gewesen war, erwiesen sich „Daddy Cool“ und „Sunny“ in einem halben Dutzend europäischer Länder als Nummer-eins-Hits und stiegen in den meisten anderen Hitparaden immerhin bis in die Top Ten. Dann erschien das Album, dass diese drei Songs enthielt. Zudem hatte die Vinyl-LP nicht nur ein hinreißendes Coverfoto, sondern wurde zusätzlich noch mit einem ausklappbaren Poster ausgeliefert. Dahinter steckte die Idee, dass die Leute uns so besser ansehen und an der Wand in ihrem Schlafzimmer ihren Freunden, die uns noch nicht kannten, präsentieren konnten: „Wow! So sehen also Boney M. aus? Spiel mir was von ihnen vor!“ Es zeigte uns als Gesamtpaket, was ich sehr aufregend fand. Infolge all dessen kletterte auch das Album, Take the Heat off Me, überall in die Top Ten und brachte uns unsere erste Goldene Schallplatte in Deutschland für über eine Viertelmillion verkaufter Tonträger. Im nächsten Jahr waren wir bereits so groß, dass wir in Deutschland für Love for Sale sogar Platin einheimsten, was bedeutete, dass wir über eine halbe Million Platten abgesetzt hatten. Praktisch überall in Europa erreichten wir damit Platz 1 oder 2 in den Charts. Nur in Großbritannien schlugen wir nicht groß ein. Wie gesagt, die Leute dort sprangen nur sehr langsam auf Boney M. an, weshalb unsere ersten beiden Alben nur die Plätze 40 und 13 erobern konnten. Allerdings setzte sich der gute Geschmack letztlich doch noch durch und irgendwann mochten uns die Briten ebenso wie alle anderen.

Ein Grund für diesen Boney-M.-Boom war, dass wir zwischen diesen beiden Alben praktisch ununterbrochen auf Tour gingen. Daraus entwickelte sich wiederum ein eigener Kreislauf: Da wir so viele Auftritte absolvierten, wurden wir immer populärer, was zu noch mehr Auftritten führte, wodurch wir noch populärer wurden. Wir traten wirklich jeden Abend auf, standen morgens auf, fuhren irgendwo hin, lieferten unsere Show, fuhren zurück ins Hotel, schliefen, standen wieder auf, fuhren weiter … Wir hatten mittlerweile die DDU-Nachtclubs hinter uns gelassen und traten nun in Theatern und größeren Konzerthallen in ganz Deutschland auf. Wir performten immer noch zu Playback, aber wir vergrößerten gleichzeitig auch stetig unser Repertoire, denn jedes Mal, wenn Frank einen neuen Song aufnahm, wurde die Musik zu unserem Playback hinzugefügt. In diesem Jahr umfasste unsere Tour zunächst halb Europa: die Schweiz, Frankreich, Spanien, Österreich, Skandinavien. Und dann besuchten wir noch andere Länder und Städte auf der ganzen Welt – Singapur, Hongkong, Australien – und traten überall auf, wo sich unsere Platten verkauften und wir auf ein Publikum setzen konnten.

Im deutschen Fernsehen waren wir omnipräsent. Wann immer wir einen freien Tag hatten, schickte uns die Plattenfirma in eine Show. Wenn wir Konzerte in Großstädten absolvierten, organisierte sie nachmittägliche Auftritte, die aufgezeichnet wurden. Auf größeren Reisen verhielt es sich nicht anders: Egal, in welchem Land wir unterwegs waren, die Plattenfirma arrangierte TV-Auftritte für uns, wann immer wir mal zwei, drei Stunden Zeit hatten. Zunächst präsentierten wir die jeweilige aktuelle Single, aber schon bald folgten auch Interviews und lockere Unterhaltungen. So konnten wir uns auch als Menschen einbringen, was nicht nur unsere Popularität steigerte, sondern auch sämtliche Vorurteile zerstreute, wir wären nur irgendwelche dahergelaufenen Hohlköpfe, die bloß als Fassade für die Songs irgendeines Produzenten herhalten mussten.

Die Kombination aus Live-Shows, Fernsehauftritten und Pressekonferenzen erwies sich als äußerst mühsam, aber sie waren alle sehr wichtig. Solange man im Radio läuft, verkauft man auch Platten, und auf diese Weise konnten wir eine Verbindung zu den Leuten aufbauen, die sie kauften. Jeder in Deutschland schien stolz darauf zu sein, was wir als Gruppe in Europa und darüberhinaus erreichten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man uns von Anfang an geliebt hat, aber jetzt schien die Zuneigung der Fans mit der Größe unseres Publikums noch zu wachsen.

Wenn wir in einem Theater auftraten, standen die Fans und tanzten mit, sobald wir sie nur beiläufig dazu aufforderten. Das war ziemlich untypisch für Deutsche, sogar für Teenager: Wenn sie einen Sitzplatz hatten, blieben sie in der Regel darauf sitzen. Nicht so bei uns. Sie kannten offenbar alle unsere Songtexte – selbst wenn eine Single erst eine Woche zuvor erschienen war. Es waren echt fantastische Augenblicke, wenn wir auf der Bühne schwiegen und das ganze Publikum statt uns Songs wie „Rivers of Babylon“ sang. Gänsehaut pur!

Der Applaus konnte einen mitunter richtig überwältigen. Wir hatten dann Tränen in den Augen, wenn wir uns nach einem besonders großartigen Auftritt abschließend verbeugten. Zu jener Zeit traten wir auch einmal vor Udo Jürgens auf, dem österreichischen Schlagersänger, der seit den Sechzigerjahren in Deutschland ein Riesenstar war. Doch mit einem Schlag waren eben auch wir mega-angesagt. Wir bestritten unser Set, worauf eine Pause folgte, in der das Publikum nicht aufhörte, uns zu bejubeln und nach uns zu rufen. Als dann Udo auf die Bühne gehen sollte, fingen alle an zu klatschen und schrien: „Boney M., Boney M. …“ Wir mussten noch einmal in unsere Kostüme schlüpfen, um zurück auf die Bühne zu gehen und ein paar Zugaben zu geben.

Für mich war es das Allergrößte, mit Boney M. Erfolge in Großbritannien zu feiern. Anfangs ging es dort eher schleppend los, was man aber in Relation zu unseren Erfolgen auf dem Festland sehen muss. Eigentlich bezog es sich auch mehr auf die Verkaufszahlen unserer Alben. Viel mag an der britischen Presse gelegen haben, deren Kritiker zu den weltweit am schwersten zu beeindruckenden Schreiberlingen zählen. Seht euch nur mal an, wie sie Prince oder Michael Jackson behandelt haben! Boney M. wurde es auf jeden Fall nicht leicht gemacht. Sie hatten keine besondere Sympathie für Disco und europäische Acts im Allgemeinen. Zumindest anfangs konnten sie daher auch Boney M. nicht viel abgewinnen: eine deutsche Gruppe … eine schwarze deutsche Gruppe … mit Leuten aus der Karibik. Wie soll das denn funktionieren? Mitte der Siebzigerjahre war das eine freakige Sache, an die sie sich erst einmal gewöhnen mussten. Man konnte fast hören, wie sie darüber nachdachten, ob Deutschland jemals karibische Kolonien besessen hatte. In unseren Anfangstagen waren sie gar nicht so gemein zu uns, wie sie das hätten sein können. Vielmehr nahmen sie uns einfach nicht ernst, weil sie nicht wussten, was sie mit uns anfangen sollten. Sie verstanden zum Beispiel nicht, warum Bobby ein vollwertiges Mitglied der Gruppe war und ständig am Rad zu drehen schien, während wir anderen ganz cool auf der Bühne standen und dabei praktisch keinerlei Choreographie folgten. Da war es für sie einfacher, auf uns als „artifiziellen“ Disco-Act hinabzublicken.

Aber was soll man machen? Sie gaben sich jedenfalls keine große Mühe, mehr über uns in Erfahrung zu bringen. Sie schrieben einfach, was sie ohnehin geschrieben hätten. So machten wir einfach weiter und zogen unser Ding durch. Nichts zählte wirklich, außer die Meinung der breiten Masse – und die fing langsam an, unsere Singles zu kaufen. Sobald dein Song es erst einmal in die Charts geschafft hat, wirst du zu Top of the Pops eingeladen. Danach kam die Sache gewaltig ins Rollen, wie ein Schneeball, und ab „Daddy Cool“ erreichte jede einzelne unserer Singles, die wir in Großbritannien veröffentlichten, die dortigen Top Ten. Wir traten so oft bei Top of the Pops auf, dass das Personal witzelte, wir würden wohl Dauerkarten besitzen. Sobald die britische Presse erkannte, wie populär wir waren, sah sie sich mehr oder weniger gezwungen, uns zu akzeptieren, und unterstützte uns fortan viel mehr als noch am Anfang. Ein paar Pressevertreter blieben trotz allem skeptisch, da sie in uns eben nicht mehr als eine Disco-Gruppe von vielen sehen wollten.

Das gemeine Volk in Großbritannien liebte uns jedenfalls. Zum Teil lag das daran, dass wir Musik boten, die leicht zugänglich war, nämlich Pop. Aber auch die Tatsache, dass wir uns bescheiden gaben und so wirkten, als ob wir Spaß hätten, spielte eine Rolle. Wir wurden immer gastfreundlich willkommen geheißen, wenn wir Großbritannien einen Besuch abstatteten. Das Publikum dort war wahrscheinlich das enthusiastischste überhaupt. Praktisch von der ersten Sekunde an schrien sich die Fans die Lungen aus den Leibern und sprangen sofort auf, um mitzutanzen. Liz, Maizie und ich waren alle in England aufgewachsen, weshalb wir uns mit den Leuten dort identifizierten. Wir machten Scherze auf der Bühne und bei Pressekonferenzen und sprachen über alles, was sie interessierte. Das machte sich vor allem bei unserer großen Anhängerschar bemerkbar, die überwiegend aus jungen schwarzen Engländerinnen bestand, die sich total mit uns identifizieren konnten. Schließlich hatten wir dieselben Wurzeln wie sie. Unsere Eltern waren in der Karibik geboren und wir waren entweder in England zur Welt gekommen oder als kleine Kinder dorthin gezogen. Unsere Fans sahen uns bei Top of the Pops oder unterhielten sich in der Schule und auf der Straße über uns: „Hey, hast du ‚Ma Baker‘ gehört? Was hältst du von ‚Daddy Cool‘?“ Auch viele Jungs liebten uns, aber die Mädchen erkannten sich selbst in uns. So kopierten sie meine geflochtene Frisur. Das kostete kein Geld und ihr Mütter freuten sich, ihnen bei etwas behilflich zu sein, wofür weder Chemikalien noch spezielle Verfahren notwendig waren. Wenn ich mich heute in London aufhalte, treffe ich ständig schwarze Frauen in ihren Vierzigern und Fünfzigern, die mir erzählen, dass sie als Teenager meine Frisur kopiert haben.

Noch wichtiger aber war, dass wir viele dieser Mädchen dazu inspirierten, ihre Träume zu verfolgen. Sie sahen Boney M. und dachten sich: „Sie macht sich so gut und ist in Brixton zur Schule gegangen. In eine normale Mädchenschule! So wie ich. Vielleicht kann ich ja auch etwas Außergewöhnliches leisten.“ In dieser Hinsicht waren wir drei Pioniere, und mir fällt keine andere schwarze Britin ein, die auf junge Leute und Teenager eine solche Wirkung hatte. Ich bin immer noch stolz darauf, dass wir so vielen jungen „Sisters“ moralischen Auftrieb vermitteln konnten.

Ich liebte es, mit Boney M. nach London zurückzukehren, und Top of the Pops spielte eine große Rolle dabei. Das war schon immer die beste Musikshow im Fernsehen und eine, die wirklich alle jede Woche verfolgten – nicht nur die Kids, die sich dann vielleicht die Platten kauften, sondern auch deren Eltern. Es war eine Show, die sich ausschließlich auf die Top 30 konzentrierte – also die jeweils erfolgreichsten Acts. Als ich noch zur Schule ging, war das für mich die glamouröseste, aufregendste Fernsehsendung gewesen. Ich werde daher nie vergessen, wie ich zum ersten Mal dort auftrat, um „Daddy Cool“ zu performen. Der Ansager verkündete: „Und hier sind sie … Boney M.!“ Wir standen auf einem Podium, umgeben von all den Kids, die zuerst jubelten und dann zu tanzen begannen. Ich konnte es kaum fassen, dass ich es bis in diese Show geschafft hatte! Ich musste mich aber zusammenreißen und meine Parts singen. Mir gingen alle möglichen Gedanken durch den Kopf: „Ich frage mich, wer alles zusieht … Vielleicht ja meine alten Schulfreundinnen. Ob sie sich an mich erinnern können? Sieht womöglich Elaine zu, meine beste Freundin zu Schulzeiten? Oder Miss Tetley, meine alte Musiklehrerin?“

Seitdem zählte Top of the Pops immer zu den Höhepunkten meiner Zeit bei Boney M. Es war stets total aufregend, sogar als wir schon ein Dutzend Mal oder öfter dort aufgetreten waren. Auch später, als wir schon Karriere gemacht hatten, war ich immer noch aufgeregt, wenn ich auf die Bühne stieg und, umgeben vom Publikum, hörte: „Und hier sind sie wieder, Boney M.!“ Ich war so begeistert, in dieser Show vor so vielen Leuten, die ich kannte, auftreten zu dürfen, dass ich anfing, ein wenig zu prahlen und mich ganz besonders ins Zeug legte. Nur damit man vor den Bildschirmen besser von mir dachte.

Ich bereue nur, dass ich keine Zeit hatte, um meine Familie und meine alten Freunde zu besuchen, um ihnen zeigen zu können, wie ich arbeitete und wie es sich als Mitglied von Boney M. so lebte. Wir hatten einfach nicht genug Zeit, da unser Terminplan so streng geregelt war: Wir landeten und hielten eine Pressekonferenz im Büro der Plattenfirma oder dem Hotel ab. Dann traten wir bei Top of the Pops auf. Als nächstes stand ein Abendessen oder ein Meet-and-Greet mit der Führungsetage des Labels auf dem Programm. Anschließend ging es zurück ins Hotel, um zu schlafen. Am nächsten Tag mussten wir dann weiter und zogen dasselbe in einem anderen Land routiniert durch.

Mittlerweile begleitete uns ein ganzes Team von Hansa Records, unserer deutschen Plattenfirma. Sie vernetzten sich mit ihren Partnern in London, weshalb wir niemals unbeaufsichtigt blieben. Man drückte uns unsere Flugpläne und unseren Tagesablauf in die Hand und bezahlte sämtliche Rechnungen, die anfielen, während wir die Platte promoteten. Es ging einfach darum, das Maximum aus uns herauszuholen. Niemals hätte ich eine Stunde oder sogar einen ganzen Tag frei bekommen, um mit meiner Familie oder meinen Freunden abzuhängen.

Zu den witzigsten Dingen auf all diesen Reisen kreuz und quer durch Europa gehörte, dass wir ständig auf Abba trafen, die in denselben TV-Shows wie wir auftraten. Damals konkurrierten wir in den europäischen Charts miteinander um die vorderen Platzierungen. Lagen wir auf Platz 1, belegten sie Platz 2 – und umgekehrt. Die Presse versuchte hartnäckig eine Rivalität zwischen uns herbeizuschreiben, indem etwa behauptete wurde, wir würden uns hassen. Als das zu langweilig wurde, verkündeten Zeitungen sogar, dass Liz und Benny eine Affäre miteinander hätten. Aber das war alles Schwachsinn – reine Propaganda, um die Auflage von Zeitschriften zu steigern. Wahrscheinlich stritten sich die Fans darüber, so wie sie das auch schon bei den Beatles und den Rolling Stones getan hatten. Aber wir unterschieden uns als Gruppen stark voneinander. Uns verband nur, dass wir zur selben Zeit erfolgreich waren. Abba besaßen viel mehr Kontrolle über ihre Zeitpläne, weil es sich bei ihnen um zwei Ehepaare handelte, die ihr Material selbst schrieben und auch geschäftlich die Zügel fest in Händen hielten. Wir hingegen waren zusammengestellt worden und Frank Farian schmiss den ganzen Laden für uns. Allerdings waren wir schwarz und exotischer, weshalb wir uns ausgelassener und wilder geben konnten. Zudem hatten wir definitiv die interessanteren Klamotten.

Ich fand Abba immer sehr nett. Sie waren sanfte, freundlich lächelnde Leute, die immer darauf achteten, uns alle zu begrüßen, obwohl eigentlich weder sie noch wir wirklich Zeit hatten. Tatsächlich mal mit ihnen ein wenig abzuhängen, ergab sich leider nur selten. Erstmals kam es dazu, als wir zusammen in der Schweiz auftraten. Anfangs begegneten wir einander noch sehr misstrauisch, saßen in einem Aufenthaltsraum und sahen uns nur an. Wir lächelten ein bisschen und schließlich brach einer von uns, wahrscheinlich Bobby, das Eis. Wir unterhielten uns und verstanden uns großartig. Ich genoss ihre Gesellschaft wirklich und ich bin mir sicher, dass sie sich auch darüber gefreut haben, uns kennenzulernen. Sie verhielten sich uns gegenüber jedenfalls nie großspurig. Ich freute mich über den Konkurrenzkampf, den wir mit ihnen in den Charts ausfochten. Sie sahen das wohl ebenso, da es alles ein wenig spannender machte. Ich liebte ihre Musik und hielt sie für sehr begabte Leute. Außerdem gibt es von ihnen fast ebenso viel Bildmaterial im deutschen Fernsehen wie von Boney M. Jedes Mal, wenn ich wieder etwas davon zu sehen bekomme, erinnere ich mich, was es für ein Privileg war, mit ihnen konkurrieren zu dürfen.

Immer weiter

Подняться наверх