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HOMESCHOOL

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Es kam mir vor, als ob es schon wochenlang so gegangen wäre, dabei sollte erst morgen der Ernstfall eintreten und die Schulen geschlossen werden. Gestern hatte ich mich mit den Nachbareltern getroffen, um zu beratschlagen, ob wir zusammen eine Homeschool aufmachen sollten, damit unsere Kinder zumindest die Vormittage über irgendetwas Vernünftiges machten. Ein bisschen Struktur schien uns hilfreich in den endlosen Tagen, die vor uns lagen.

Die Nachbarn aus dem Traum mit der Bar, die jetzt gegenüber wohnten, hatten noch eine andere Familie nach sich gezogen, für die auch noch Platz im Haus der Nachbarn war. Jeder, der mit dem Traum vom Landleben angesteckt worden war, steckte damit für gewöhnlich noch andere an, und so waren wir mittlerweile schon eine kleine Gruppe ehemaliger Stadtmenschen, die jetzt Landmenschen sein wollten und in der Dorfmitte lebten. Um die Idee mit der Homeschool zu besprechen, setzten wir uns in einen Kreis, wie das wenige Tage oder Wochen zuvor noch ganz normal gewesen war. Der eine ganz neue Nachbar, der in gewaltfreier Kommunikation ausgebildet war, hat uns erklärt, dass es am besten wäre, erst mal eine Gesprächsrunde abzuhalten, bei der jeder sagt, wie es ihm oder ihr geht und was er oder sie alles denkt. Sprechen darf dabei immer nur der, der den Gesprächsstab hat. Als Stab nahmen wir den Zollstock, den der Mann in der Hosentasche hatte. Der Nachbar mit der gewaltfreien Kommunikation, also der ganz neue Nachbar, bekam den Zollstock als Erstes. Er war ziemlich aufgebracht. Nicht, dass er direkt an eine Verschwörung glaubte, aber die Art, wie die Medien Angst schürten und verbreiteten, und wie die Menschen diese Angst bereitwillig annähmen, brachte ihn auf und er hatte den Wunsch, in unsere Homeschool etwas mehr Freiheit und Freude reinzubringen. Ich bekam als Nächste den Zollstock und sagte, dass der Ansatz des ganz neuen Nachbarn mir gut gefiele, weil ich mich ohnehin schon so angeschlagen fühlte und der Meinung war, dass unser brandenburgisches Dorf an sich schon genügend Abschottung bedeutete.

»Solange jetzt nicht die ganzen Städter rauskommen und sich in ihr Landhaus flüchten«, sagte meine Stuhlkreisnachbarin ganz richtig. Ich sagte besser erst mal nichts, denn dummerweise hatte ich den Fluchteltern bereits gesimst, dass wir eine Homeschool machen würden und sie ihre Fluchtkinder gerne dazustecken könnten. Als der andere Nachbar, also ihr Mann, den Zollstock bekam, stand er zum Reden auf, verschränkte die Arme und war ganz entschieden der Meinung, dass wir, als Teil der Gesellschaft, die wir ja nun mal wären, die Aufgabe hätten, das Risiko möglichst gering und damit den Kreis unserer Homeschool so klein wie möglich zu halten. Dann sah er mich direkt an und sagte, wenn er eine Mutter zu Hause hätte, die bald achtzig wäre, würde er sowieso niemals zulassen, dass irgendein Fremder das Haus betritt. Ich weiß schon, dass der Nachbar das bestimmt nicht so böse ausdrücken wollte, aber getroffen hat es mich dann doch. Ich habe ihm gesagt, dass meine Mutter sich nicht einsperren lässt, dass ich es sogar schon versucht habe, aber wenn jetzt die Tage immer wärmer werden und alles zu sprießen beginnt, könnte ich meine Mutter unmöglich vom Garten fernhalten. Lieber stirbt sie, hat sie gesagt.

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