Читать книгу Die Krone der Schöpfung - Lola Randl - Страница 30
TEST
ОглавлениеAm besten konnte man es vielleicht mit feinen Stichen beschreiben, mitten in mir drin. Begonnen hatte es in den Augenwinkeln, da, wo sich eigentlich die Tränenflüssigkeit sammelt, und nun bahnte es sich seinen Weg durch mich hindurch. Dass man nur wenige von den beschriebenen Symptomen hat, ist noch kein Beweis nicht infiziert zu sein, das konnte man überall lesen. Ich hatte den Virus jetzt schon fast eine Woche lang und lief immer noch so mir nichts, dir nichts durch die Gegend. Nicht zu fassen, dass mich keiner testen wollte. Der Virus war ganz anders als alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Dass es sich um eine gänzlich neuartige Krankheit handelte, konnte man daran erkennen, dass alles wie in Zeitlupe verlief. Mein Körper hatte keinerlei Verhaltensmuster, wie er auf den ihm unbekannten Virus reagieren sollte.
Ich war mir unsicher, ob ich es besser allen sagen sollte, um sie vor mir zu warnen, oder es lieber geheimhalten. Ich ging meinen neuen Nachbarn aus dem Weg. Aus dem Fenster sah ich die schwangere Nachbarin mit einem Korb zum Dorfsupermarkt hinübergehen. Ihr Bauch war in kürzester Zeit erstaunlich dick geworden. Sie taten alle noch so, als würde das Leben einfach weitergehen können. Ich wollte irgendwas hinüberrufen, um ihr wenigstens ein Zeichen zu geben, aber was hätte ich schon rufen sollen? Schließlich rief ich sie an und sagte, dass ich ein Kratzen im Hals spüre, nur damit sie das wisse, und dass ich mich sofort testen lassen würde. Dann wählte ich die Nummer des Gesundheitsamts. Auf die Frage, wie ich darauf komme, infiziert zu sein, musste ich ein bisschen ausholen und von dem Filmfestival erzählen und der Zombieserie und so weiter. Die freundliche Frauenstimme am Apparat, die sich alles geduldig angehört hatte, erklärte mir, dass diese Umstände nicht ausreichten, um mich für einen Test zu qualifizieren, und dass ich lieber zum Hausarzt gehen und mich auf Grippe untersuchen lassen sollte. Das Besorgniserregendste an unserem Telefonat war die besänftigende Freundlichkeit der Frau. Es musste also wirklich schlimm sein, dachte ich. Im Hintergrund hörte ich noch eine andere freundliche Frauenstimme, die wohl gerade jemand anderen am Telefon beruhigte. Seltsamerweise hatte ich den Gedanken, was der andere Anrufer doch für ein Trottel war, dass er da anrief und sich einbildete, er hätte den Virus.