Читать книгу Mehr Mut, Mensch! - Lorenz Wenger - Страница 10
Ängste – allüberall
Оглавление80 Prozent der Deutschen, 75 Prozent der Österreicher und 60 Prozent der Europäer sagen, dass sie vor der Zukunft Angst haben, schreibt der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx. Zeitgleich geben gemäß Umfragen beinahe genauso viele Menschen an, zufrieden, glücklich oder sogar sehr glücklich zu sein. Ist das nicht ein Widerspruch? »In der Schweiz leidet jede siebte Person an einer Form von Angst, auch ohne Corona-Bedrohung«, so die NZZ am Sonntag in ihrem Magazin. Gehört die Angst mittlerweile zum hippen Lifestyle oder macht uns Angst gar glücklich? Wer öffentlich verkündet, angstfrei zu sein, wird in unserer Gesellschaft kaum mehr ernst genommen. Und trotzdem werden unsere Ängste entweder stark tabuisiert oder stigmatisiert. Ist das nicht zu einfach? Sollten Ängste nicht nuancenreicher und differenzierter betrachtet werden? Was ist denn überhaupt Angst, und wie macht sie sich bemerkbar? Jede und jeder von uns hat seine individuellen Ängste. Sie genauso, wie auch ich. Alle! Wir sind damit in bester Gesellschaft!
Wovor also haben Sie Angst? Zu den weitverbreitetsten Ängsten gehören die Angst, vor Menschen zu sprechen (41%), vor Höhe (32%), vor Geldmangel (22%), vor tiefem Wasser (22%), vor Ungeziefer (22%), vor Krankheit und Tod (19%), vor dem Fliegen (18%), vor der Einsamkeit (14%), vor Hunden (11%), vor dem Autofahren (9%), vor Fahrstühlen und vor der Dunkelheit (jeweils 8%). Ängste gehören zu unserem Alltag wie das Zähneputzen. Doch genauso unterschiedlich die Ursachen dieser Ängste sind, genauso stark variieren deren Wahrnehmung und Intensität. Angst ist etwas Persönliches, etwas Privates, ja etwas Intimes. Zeitgleich legitimieren Ängste für lautstarke Parolen, politische Engagements, für hitzige Debatten und provokante Aktionen. Wer Angst öffentlich verkündet, erkauft sich damit Autorität und wird medial erhört. Angst vor Überfremdung, Angst vor Klimakatastrophen, Angst vor Terrorismus, Angst vor Altersarmut, Angst vor Corona, Angst vor Inflation, Angst vor der Digitalisierung, Angst vor dem Demokratieverlust, Angst vor Social Media, Angst vor Großkonzernen, Angst vor dem Sozialismus, Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor religiösen Gruppierungen, Angst vor Pädophilen, Angst vor Amokläufern, Angst vor Terrorismus, Angst vor G5-Antennen, Angst vor dem Bienensterben, Angst vor der Zukunft und – ganz schlimm – die Angst vor der Angst. Und man könnte in diesem Sinne die Aufzählung der Ängste noch endlos fortsetzen. Stehen wir im gesellschaftlichen und politischen Angstwettbewerb?