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Jeder Zeit ihre Angst, jeder Angst ihre Zeit

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Ängste sind so alt wie die Menschheit. Jede Kultur, jede Epoche, jede Zeit, jede Generation beinhaltet ihre ureigenen Ängste. So hatte im Mittelalter die Mehrheit der Menschen Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer. Im 14. Jahrhundert raffte die Pest jeden dritten Europäer dahin, es folgten zwei große Hungersnöte und Cholera. Da es insbesondere bei Cholera angeblich zu postmortalen Bewegungen der Verstorbenen kommen konnte, herrschte während der Aufklärung vom 17. bis ins 19. Jahrhundert in Europa große Angst davor, lebendig begraben zu werden. Nebst vielen anderen soll beispielsweise auch der russische Schriftsteller Dostojewski neben seinem Bett die Nachricht hinterlassen haben: »Sollte ich in lethargischen Schlaf fallen, begrabe man mich nicht vor fünf Tagen!«

Unsere Großeltern und Eltern fürchteten sich vor der roten Armee, vor den Russen und Nationalsozialisten, vor Hippies, Gammlern und natürlich Kommunisten. Nach dem Angriff auf Hiroshima fürchteten sich die Menschen vor der Atombombe und während dem Wettlauf ins All in den 60er-Jahren waren es die Ufos und die Außerirdischen, welche für die meisten eine Bedrohung darstellten. In den 80ern waren es das Waldsterben, nach Tschernobyl die Atomkatastrophen, gefolgt von zunehmendem Terrorismus, der mittlerweile auch bei uns in Westeuropa viele Menschen emotional erschüttert und in Angst versetzt. Aktuell dominieren Ängste vor dem digitalen Wandel, vor künstlicher Intelligenz, vor dem generellen Kollaps der Zivilisation, wie wir sie kennen, und der katastrophalen Rache der Natur. Ob real oder imaginär – Ängste prägten seit jeher unsere Gesellschaft, unser Denken, unser Handeln und auch die Politik. Dabei sind Ängste nicht per se schlecht. Denn ohne sie hätten unsere Vorfahren nicht überlebt. Wenn eine reale Bedrohung nicht als solche wahrgenommen wird, kann es tödlich enden. Das galt auch schon zu Zeiten der Säbelzahntiger, der Mammuts und unserer Vorfahren, der Jäger und Sammler. Wer nicht geflüchtet ist, wurde gefressen. Wer angriff, ging ein hohes Risiko ein, sich ernsthaft zu verletzen oder ebenso zur Nahrung zu werden. Angst war also schon damals ein Schutzmechanismus, sich unauffällig zu verhalten, sich in der Herde zu tarnen, sich zu verstecken oder zu flüchten. Stammen wir also alle von den Feiglingen unserer Vorfahren ab? Ängste mobilisieren und bringen uns in Bewegung. Sie motivieren uns, ins Handeln zu kommen und etwas dagegen zu tun. Die Voraussetzung dazu ist die klare Entscheidung, ihnen mutig zu begegnen. Welchen Ihrer Ängste möchten Sie mutig begegnen?

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