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Kleine und große Tiere
ОглавлениеWochen waren seitdem vergangen. Wochen mit wechselhaftem Wetter. Allmählich wurden die Tage kürzer, versank die Sonne früher am Horizont. Graue Wolken zogen auf. Es wurde merklich kühler, vor allem in den Nächten. Und Manka war etwas gewachsen, nur wenige Zentimeter.
Die Herde graste in einer hügeligen Landschaft, weit auseinandergezogen in einzelnen Gruppen zwischen flachen Kuppen und strauchbewachsenen Ebenen. Die Bullen und Halbwüchsigen hatten sich etwas abgesondert. Mankas Kindergarten weidete in einer Senke an Zwergbirken und Weidengesträuch. Und manchmal verschwanden die Kleinen auf ihren Ausflügen in dem unübersichtlichen Gelände.
Ein frischer Wind raschelte durch die Zweige. Im Tundragras jagte eine Schnee-Eule nach Lemmingen. Manka sah nur einen weißen Schatten lautlos über dem Gebüsch verschwinden. Neugierig wie alle Elefantenkinder rannte sie ihr nach. Von der Schnee-Eule war nichts mehr zu sehen. Dafür entdeckte Manka etwas anderes.
Ein Schneehase, der sich ins Tundragras geduckt hatte, sprang auf und hoppelte plötzlich los. Dieses langohrige Wesen mit dem sommerfarbigen Fell interessierte Manka. Im Eilschritt stapfte sie hinterher, brach durch Gesträuch und stolperte über Steinbrocken. Dabei entfernte sie sich immer weiter von ihrer Mutter, die mit halbgeschlossenen Augen gemächlich äste und Manka noch in ihrer Nähe glaubte. Doch der Hase verschwand fast so schnell wie die Eule.
Mit einemmal stutzte Manka. Hinter einer Gruppe von Weidenbüschen dehnte sich ein flacher Sumpf. Wollgras wippte im Wind. Wasserlachen schimmerten zwischen üppigem Grün. Und mitten im Sumpf stand ein riesiger Elch, bis zum Bauch im Wasser, und weidete geruhsam Sumpfgräser. Als er Manka herantrampeln hörte, hob er seinen langen Kopf mit dem mächtigen Schaufelgeweih und äugte zu ihr hinüber.
Verblüfft blieb Manka stehen und betrachtete das seltsame Tier. Elche kannte sie noch nicht, jedenfalls nicht aus der Nähe. Und dieses geweihbewehrte Tier war wesentlich größer als sie.
Das schien auch der Elchbulle zu wissen. Mammuts hielt er nicht für gefährlich, schon gar nicht die kleinen. Und ohne sich weiter um Manka zu kümmern, senkte er seinen Kopf ins Wasser, um nach Pflanzen zu suchen.
In diesem Augenblick raschelte es hinter ihr im Gebüsch. Stampfende Schritte brachen Zweige nieder. Ein freundliches Grollen ertönte, klang wie eine Begrüßung.
Dieses Geräusch kannte Manka. Und sie erkannte Ranko an der Stimme. Ihr Bruder war ihrer Spur gefolgt, um sie fürsorglich zurückzuholen. Und er strich ihr mit dem Rüssel sanft über ihre haarigen Wangen. Manka quietschte leise und haschte nach seinem Rüssel.
Doch so eilig hatte Ranko es nicht mit der Rückkehr. Ein Stück vom Sumpfrand entfernt entdeckte er zwischen dem Grün der Kräuter einige orangefarbene Moltebeeren. Ranko mochte diese kleinen nahrhaften Früchte. Im Spätsommer waren sie reif und besonders gut. Er konnte gar nicht genug kriegen von den Beeren.
Manka sah ihm eine Weile aufmerksam zu und blickte ihn dann auffordernd an. Ranko begriff sofort, was sie wollte. Bereitwillig angelte er etwas von dem halbzerkauten Beerenbrei hervor und schob ihn mit dem Rüssel seiner kleinen Schwester in den Mund.
Manka schleckte genießerisch. Die Moltebeeren schmeckten ihr. Und sie wollte noch welche. Aber an dieser Stelle gab es keine mehr.
Ranko trieb inzwischen schon etwas anderes. Geschickt brach er mit seinem Rüsselfinger einen dünnen Birkenzweig ab, schwang seinen Rüssel nach hinten über den Kopf und kratzte sich mit dem Zweig am Rücken. Das hatte er dem alten Rasu abgesehen, der öfter zu verschiedenen Zwecken ein kleines Stöckchen benutzte. Damit konnte er Stellen erreichen, an die er sonst nicht hinkam. Daraus hatte Ranko gelernt. Und er hatte es ihm nachgemacht.
Das wollte Manka auch mal probieren. Nur war sie mit ihrem kurzen Rüssel noch viel zu ungeschickt. Doch beim Herumtappen am Gesträuch scheuchte sie ahnungslos einen Berglemming auf. Angriffslustig reckte der kleine Nager seinen Vorderkörper hoch, bleckte die Schneidezähne und fauchte wütend Mankas pendelnden Rüssel an.
Erschrocken starrte Manka auf das winzige buntfellige Tier und wich ängstlich zurück. Auch Ranko unterbrach sein Kratzen. Das Fauchen des Lemmings verblüffte ihn. Doch so viel Angst wie Manka hatte er nicht. Entschlossen stieß er seinen rechten Vorderfuß gegen den Boden und bewarf den Lemming mit einer Ladung Erde. Der Lemming duckte sich. Und raschelnd verschwand er im Gesträuch.
Manka atmete aufgeregt. Nun hatte sie endgültig genug von ihrem Ausflug. Und folgsam trabte sie hinter Ranko her zu ihrer Mutter.