Читать книгу Manka, das Mammut - Lothar Streblow - Страница 9
Schlammspiele
ОглавлениеMücken tanzten in der Mittagssonne, umsurrten die haarigen Gestalten. Manka trottete mit Rundu und Singa einträchtig zwischen den Großen. Die Herde wanderte auf einer schmalen Mammutstraße durch die Tundra.
Weithin war die flache Landschaft von Tümpeln und Sümpfen durchzogen, nur selten unterbrochen von kiesigen Flächen und Gestein. Aber der alte Rasu und die Bullen an der Spitze wußten genau, wo der unsichere Boden sie trug. Und die Herde verließ sich darauf.
Schmackhaftes Futter gab es hier genug. Noch leuchtete die Tundra bunt, schimmerte mit silbrig glänzenden Schöpfen das Wollgras, blühten goldgelb die Halbkugeln des Tundraflohkrauts auf nassen Böden. An trockneren und steinigen Stellen wuchsen Flechten und Moosbeeren und die flammend roten Blätter der Bärentraube, dazwischen zahllose grüne Kräuter und Gräser und ein paar vereinzelte Zwergbirken.
Die Mammuts waren nicht wählerisch, auch wenn ihnen manches besser schmeckte als anderes. Sie futterten, was ihnen vor die Rüssel kam, mästeten sich gemächlich Fettpolster an für den langen harten Eiszeitwinter.
Auch Manka naschte jetzt öfter von dem vorgekauten Pflanzenbrei. Und die Großen gaben ihr bereitwillig davon ab. Sich selbst Futter zubereiten konnte Manka noch nicht. Und zusammen mit der körperwarmen Muttermilch gab das eine nahrhafte Kost.
Mit einemmal stockte die Spitze der Herde. Am lichtblauen Himmel türmten sich mächtige Kumuluswolken. Kein Windhauch bewegte die laue Luft. Zu Hunderttausenden stiegen Mücken und Fliegen aus den Sümpfen. Trotz des wollig-dichten Mammutfells fanden sie immer noch genügend freie Stellen für ihre Stiche: im Innern der Ohren, am Rüsselende und rund um die Augen. Und gegen Insektenstiche waren die mächtigen Dickhäuter sehr empfindlich.
Verdrossen tappte Manka hinter ihrer Mutter her zum Rand eines Schlammpfuhls. Ranko und Kolo wälzten sich vergnügt im Morast, suhlten sich schon mit den anderen Kleinen. Und Manka zögerte nur einen Moment, ihrer Mutter zu folgen. Die Schlammspiele reizten sie. Platschend stapfte sie in die Suhle. Und solange der Matsch am Körper haftete, spürte sie nichts von den Plagegeistern.
Das flache Wasser im Tümpel war nicht sehr kalt, hatte tagsüber Sonnenwärme gespeichert. Manka fühlte sich wohl hier. Plötzlich riß Singas vierjähriger Bruder Kolo seinen Rüssel hoch, einen Batzen Grünzeug am Rüsselfinger, und fuchtelte übermütig damit durch die Luft. Einzelne Stücke lösten sich, spritzten in die Gegend. Mit einem klatschenden Geräusch landete einer der schlammigen Batzen auf Mankas rechtem Auge. Und sie spürte einen stechenden Schmerz.
Mankas Mutter putzte sie fürsorglich, danach sorgte sie energisch für Ordnung. Sie war die Leitkuh der Kindergartengruppe. Und sie spreizte nur kurz die Ohren ab. Kolo verstand sofort. Und mit nach hinten eingerolltem Rüssel trollte er sich folgsam aus der Suhle.
Doch am Ufer empfing ihn seine eigene Mutter. Und sie klatschte ihm einmal strafend mit dem Rüssel übers Hinterteil: Die Größeren sollten lernen, achtsamer mit den Kleinen umzugehen. Gleich darauf streichelte sie ihn tröstend; sie wußte um die Wirkung von Lob und Tadel, von Strafe und versöhnlicher Zärtlichkeit.
Manka aber vergaß Kolo diesen Streich nicht. Immer noch spürte sie ihr schmerzendes Auge. Als sie später erneut in einem Tümpel suhlten, rächte sie sich auf ihre Weise. Kolo wühlte gerade mit seinen kurzen Stoßzähnen im Uferschlamm, da ließ Manka sich scheinbar unbeabsichtigt direkt vor seinem hocherhobenen Rüssel in den Morast platschen. Der Schlamm schwappte hoch, schwappte Kolo mitten zwischen seine geöffneten Kiefer. Er schluckte und prustete. Und als er sich die morastige Brühe mit dem Rüssel aus den Augen gewischt hatte, wollte er wütend auf Manka los. Doch Manka hatte sich vorsichtshalber zwischen die stämmigen Beine ihrer Mutter geflüchtet. Schadenfroh genoß sie die Narrenfreiheit der Kleinen.
Noch eine ganze Weile danach ging Manka dem jungen Bullen aus dem Weg. Doch auf die Dauer ließ sich eine Begegnung kaum vermeiden. Und im Grund mochte sie den ungestümen Kolo. Nur hielt auch Kolo auf Abstand, bis er einmal an einer Engstelle von Ranko unversehens gegen Manka gedrängt wurde.
Zuerst erschrak Manka, dann hob sie unbeholfen ihren kleinen Rüssel und streichelte Kolo schüchtern am Ohr. Verdutzt hielt Kolo still. Von da ab brauchte Manka keine Angst mehr vor ihm zu haben. Kolo war versöhnt.