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Rasu und die Fallgrube

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Unaufhaltsam zog die Mammutherde dem Süden zu: aus der an die Gletscher des Inlandeises grenzenden Tundrazone in die hügeligere Taiga. Es war ein weiter Weg bis zu den bewaldeten Ausläufern der Mittelgebirge.

Die erfahrenen Bullen und Kühe folgten zielsicher den uralten Mammutpfaden. Sie wußten: In den waldreichen Tälern waren sie den eisigen Winterstürmen nicht so schutzlos ausgeliefert wie in den baumlosen Ebenen der kargen Tundra mit ihrem Dauerfrostboden. Und dort gab es neben den Steppenpflanzen auch junge Laub– und Nadelbaumsprossen.

Neugierig beobachtete Manka die unbekannte Landschaft. Hier war sie ja noch nie gewesen, hatte noch keine Herbstwanderung mitgemacht. Mit ihren knapp vier Monaten kannte sie nur den Tundrasommer. Inzwischen war sie ein wenig gewachsen. Und jetzt konnte sie auch ihren kleinen Rüssel schon richtig benutzen. Schnüffelnd pendelte sie mit der Rüsselspitze über den Boden.

Zwischen niedergetretenem Gras und Gesträuch roch es fremdartig. Nicht nur Mammutherden waren hier durchgezogen. Auch Rentiere und Auerochsen, Wisente und Wildpferde, Riesenhirsche, Wollhaarnashörner und Moschusochsen wanderten auf den bequem flachgewalzten Mammutstraßen. Und ihnen folgten Höhlenlöwen, Säbelzahntiger, Wölfe und Höhlenbären auf der Suche nach Beute.

Doch es gab auch noch andere Wesen, die mit lauerndem Blick die Spuren der südwärts ziehenden Tiere beobachteten: seltsame, aufrecht gehende Wesen mit gedrungenen, fellbekleideten Körpern und spitzen Speeren in den Händen. Manka sah nur einmal flüchtig ein paar Späher von fern. Sie wußte noch nichts von der Gefährlichkeit der eiszeitlichen Jäger, von ihrer listenreichen Jagd.

Manka merkte nur, daß die Bullengruppe an der Spitze der Herde sich mit äußerster Vorsicht bewegte. Das mählich ansteigende Tal wurde an dieser Stelle ziemlich eng: an der einen Seite begrenzt von einem über Geröll plätschernden Wildbach vor unwegsamem Urwald, an der anderen Seite von einem felsigen Steilhang.

Mißtrauisch stapfte Rasu vornweg. Er kannte diesen Engpaß, war in seinem langen Leben diese Strecke schon oft gegangen. Hier war die Herde schon häufig in Gefahr geraten. Und Rasu vergaß nie etwas, das ihn einmal bedroht hatte. Er besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Und er hatte aus seinen Erfahrungen gelernt.

Wie meist trug er einen stattlichen Ast in seinem Rüssel, um sich sein dichtes Zottelfell zu kratzen, wenn es ihn juckte. Und es juckte ihn ziemlich oft. Auch jetzt wieder. Gerade hatte er sich ausgiebig gekratzt, dabei aber den Weg vor sich nicht aus den Augen gelassen.

Plötzlich blieb er stehen, legte den Ast ab, trompetete lautstark und nahm den Ast wieder auf. Die riesige Herde stand wie angewurzelt, lauerte auf die von Rasu signalisierte Gefahr.

Vorsichtig begann Rasu, mit dem Ast im Rüssel auf den Boden zu stoßen. Noch klang das Klopfgeräusch wie gewohnt. Doch nicht lange. Schon nach wenigen Schritten blieb der dumpfe Ton des aufstoßenden Holzes aus. Es klang irgendwie hohl. Und der Ast stieß mit deutlich vernehmbarem Rascheln durch welkes Gestrüpp und loses Gras ins Bodenlose.

Rasu wußte genau, was das bedeutete. So tarnten die Eiszeitjäger ihre Fallgruben. Und schon manches unerfahrene Mammut war darin eingebrochen und hatte sich an den eingerammten Pfahlspitzen tödlich verletzt. Das hatte Rasu früher schon ein paarmal hilflos mit ansehen müssen. Seine Erfahrung und seine Vorsicht aber retteten ihn und seine Gefährten. Nur: Der Weg war versperrt.

Entschlossen riß Rasu mit dem Rüssel die losen Äste und Zweige von der Grube. Jetzt konnte jeder die Gefahr erkennen. Dann stapfte er gemächlich in den Wildbach und über das nasse Geröll seitlich an der Fallgrube vorbei. Und die Herde folgte ihm durch das eiskalte Bergwasser.

Als Manka an der Grube vorbeikam, streckte sie neugierig ihren kleinen Rüssel über das tiefe Loch, sah die spitzen Pfähle, schnupperte den fremden Geruch. Es roch nach Mensch. Und sie spürte eine dumpfe Angst.

Manka, das Mammut

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